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Informationen zum Dokument  BGE 129 III 102  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. 58 Abs. 1 SVG haftet der Halter für den Schaden ...
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18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen Versicherung X. (Berufung)
 
 
4C.321/2001 vom 5. November 2002
 
 
Regeste
 
Art. 58 Abs. 1 SVG; Haftung des Fahrzeughalters.  
 
Sachverhalt
 
BGE 129 III, 102 (102)A. (Kläger) verletzte sich am 5. April 1994 bei einem Selbstunfall als Lenker eines Personenwagens schwer und ist seither querschnittgelähmt. Er klagte gegen die Versicherung X. (Beklagte), als Haftpflichtversicherung der Y. AG, welche Eigentümerin des Unfallfahrzeuges war, auf Schadenersatz. Die kantonalen Instanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, Halter des Fahrzeuges sei BGE 129 III, 102 (103)im massgebenden Zeitpunkt des Unfalls nicht die Y. AG, sondern der Kläger selbst gewesen. Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab.
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Aus den Erwägungen:
 
2. Nach Art. 58 Abs. 1 SVG haftet der Halter für den Schaden, wenn durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht wird. Der Geschädigte hat im Rahmen der Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer (Art. 65 Abs. 1 SVG). Der vom Halter verschiedene Lenker ist grundsätzlich als Geschädigter im Sinne der Art. 58 Abs. 1 und 65 Abs. 1 SVG aktivlegitimiert, während der Halter selbst aus der Betriebsgefahr seines eigenen Fahrzeugs keine Ansprüche ableiten kann (BGE 99 II 315 E. 4 S. 320 mit Hinweisen; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 6. Aufl., Bern 2002, S. 310; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, II/2, 4. Aufl., Zürich 1989, § 25 Rz. 71; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. II, Rz. 849; BREHM, La responsabilité civile automobile, Rz. 41; RUSCONI, La responsabilité du détenteur à l'égard du conducteur de son véhicule automobile, in: Festschrift des Nationalen Versicherungsbüros Schweiz und des Nationalen Garantiefonds Schweiz, Basel 2000, S. 429). Unbestritten unter den Parteien ist, dass die Klage zu Recht abgewiesen wurde, wenn der Kläger selbst als Halter des Unfallfahrzeugs zu qualifizieren ist, welches die Y. AG bei der Beklagten für die Halterhaftung versichert hatte.
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2.1 Nach konstanter Rechtsprechung gilt als Halter im Sinne des SVG nicht der Eigentümer des Fahrzeugs oder wer formell im Fahrzeugausweis eingetragen ist, sondern derjenige, auf dessen eigene Rechnung und Gefahr der Betrieb des Fahrzeugs erfolgt und der zugleich über dieses und allenfalls über die zum Betrieb erforderlichen Personen die tatsächliche, unmittelbare Verfügung besitzt (BGE 117 II 609 E. 3b; BGE 101 II 133 E. 3a; BGE 92 II 39 E. 4a, je mit Hinweisen; vgl. schon zu Art. 37 des Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr vom 15. März 1932 [AS 1932 S. 522 f.]:BGE 70 II 179 E. 1; BGE 64 II 312 E. 1 S. 314; BGE 63 II 209 E. 1 S. 211; BGE 62 II 138, je mit Hinweisen). Diesem Halterbegriff, der auf die gesamten Umstände der tatsächlichen Verhältnisse abstellt, stimmt die herrschende Lehre grundsätzlich zu (OFTINGER/STARK, a.a.O., § 25 Rz. 89 f.; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, a.a.O., Rz. 865; BUSSY/RUSCONI, BGE 129 III, 102 (104)Code Suisse de la Circulation Routière, Commentaire, 3. Aufl., Lausanne 1996, N. 2.3 zu Art. 58 SVG; KELLER, a.a.O., S. 296 f.; BREHM, a.a.O., Rz. 52). Der Kläger hält dagegen die so genannte Betriebsverantwortlichkeit für massgebend, die er als das sich mit dem Interesse am Betrieb deckende Verantwortlichsein für Betriebstauglichkeit, Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit umschreibt (GIGER/SIMMEN, Strassenverkehrsgesetz, 5. Aufl., Zürich 1996, S. 153 ff.). Soweit damit gemeint sein sollte, dass als Halter stets diejenige Person zu qualifizieren sei, welche sich aus irgendwelchen Gründen bereit erklärt, die Betriebskosten zu tragen, sowie für Unterhalt und Reparaturen eines Fahrzeuges aufzukommen, das tatsächlich einem Dritten zur unmittelbaren Nutzung zur Verfügung steht, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden.
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2.2 Nach dem Interesse- oder Utilitätsprinzip soll die kausale Haftung aus einer Gefährdung insbesondere tragen, wer den besonderen, unmittelbaren Nutzen aus dem gefährlichen Betrieb hat (WIDMER, Privatrechtliche Haftung, in: Münch/Geiser (Hrsg.), Schaden - Haftung - Versicherung, S. 12 f., Rz. 2.11; WIDMER/WESSNER, Revision und Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts, Erläuternder Bericht, Bundesamt für Justiz (Hrsg.) 1999, S. 19 Rz. 1.2.2.1.3 und S. 145 Rz. 2.4.4.5; HONSELL, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2000, § 1 N. 22; vgl. auch KOZIOL, Österreichisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 3. Aufl., Wien 1997, Rz. 6/11). Dies muss zwar nicht stets diejenige Person sein, welche unmittelbar über das Fahrzeug verfügt, da durchaus denkbar ist, dass sie Fahrten ausschliesslich im Interesse eines bestimmten Dritten ausführt, der insofern über die Nutzung des Fahrzeugs mit Chauffeur bestimmt (BREHM, a.a.O., Rz. 55 in diesem Sinne der Ansicht GIGER/SIMMEN zustimmend). Wenn ein Dritter auf die (unmittelbare) Nutzung seines Fahrzeugs verzichtet und nur die Kosten übernimmt, so kann daraus aber ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände nicht geschlossen werden, er sei aus diesem Grunde an der Nutzung des Fahrzeugs selbst ausschliesslich oder wenigstens so überwiegend interessiert, dass ihm die Verfügungsgewalt über die Sache zustände. Im Gegenteil ist regelmässig am Betrieb des Fahrzeugs am meisten interessiert, wer darüber unmittelbar verfügt und es jederzeit nach eigenen Bedürfnissen und zu eigenem Nutzen betreiben kann. Allein eine auf irgendwelchen Gründen beruhende Übernahme der Kosten vermag jedenfalls die Haftung für das besondere Betriebsrisiko nicht zu begründen (BREHM, a.a.O., Rz. 54). Den Halterbegriff kennzeichnet vielmehr - allgemein und insbesondere auch hier - BGE 129 III, 102 (105)sowohl die Verfügungsgewalt über die Sache, als auch die Nutzniessung aus der Sache im Zeitpunkt der Schädigung (vgl. dazu CHRISTIAN V. BAR, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Bd. II, München 1999, N. 325; für das französische Recht auch ZWEIGERT/KÖTZ, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., Tübingen 1996, S. 667 Ziff. 3). Es besteht entgegen der Ansicht des Klägers kein Anlass zur Änderung der Rechtsprechung in dem Sinne, dass der unmittelbaren Nutzung und Verfügung über das Fahrzeug bei der Würdigung der gesamten Umstände keine Bedeutung zuzumessen wäre.
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2.3 Auf die unmittelbare Nutzung und freie Verfügung über das Motorfahrzeug ist insbesondere abzustellen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Geschäftsauto überlässt und für dessen Kosten ganz oder überwiegend aufkommt. Steht das Fahrzeug dem Arbeitnehmer in diesem Fall nicht bloss zu geschäftlichen Zwecken zur Verfügung und kann er damit nicht bloss gelegentlich private Fahrten ausführen, sondern im Wesentlichen frei über die Verwendung entscheiden, so wird er zum Halter, selbst wenn er das Auto vorwiegend mit Rücksicht auf die geschäftlichen Bedürfnisse seines Arbeitgebers einsetzt (BGE 62 II 138; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 25 Rz. 118 ff.; KELLER, a.a.O., S. 298; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, a.a.O., Rz. 872; BREHM, a.a.O., Rz. 77, 80). Diese Grundsätze hat die Vorinstanz ihrem Entscheid zutreffend zugrundegelegt. Sie hat festgestellt, dass die Y. AG die Halterhaftpflichtversicherung für das Unfallfahrzeug bei der Beklagten abgeschlossen hat, und dass sie auch Eigentümerin des Fahrzeugs sowie formell im Fahrzeugausweis als Halterin aufgeführt war. Der Kläger war Verwaltungsratsdelegierter, Generaldirektor und Vizepräsident der Y. AG. Er benützte das Fahrzeug von Dezember 1993 bis zum Unfallzeitpunkt am 5. April 1994 sowohl privat wie geschäftlich, weil ihm im Oktober 1993 sein PW Mercedes Benz 500 SL gestohlen worden war und die Auslieferung des von ihm bestellten, neuen Mercedes erst Ende September 1994 zu erwarten war; bis dahin wollte er das Unfallfahrzeug weiter benützen. Das Fahrzeug wurde zwar auch - immer im Einverständnis mit dem Kläger - von andern Personen zeitweilig benützt. Es war jedoch nicht die Geschäftsleitung Y. AG, die während den vier Monaten, als das Fahrzeug dem Kläger zur Verfügung stand, allenfalls sogar gegen den Willen des Klägers, über die Benutzung des Fahrzeugs entscheiden konnte. Die Vorinstanz hat unter diesen Umständen den Kläger zutreffend als Halter im massgebenden Zeitpunkt des Unfalls qualifiziert. Sie hat insbesondere BGE 129 III, 102 (106)zutreffend die materielle Nutzungs- und Verfügungsfreiheit des Klägers über das Fahrzeug in den Vordergrund gestellt und den Umständen, dass die Arbeitgeberin für die Kosten aufkam, Sacheigentümerin und formell im Fahrzeugausweis eingetragen war, weniger Gewicht beigemessen. Die Vorinstanz hat zutreffend die Zeitdauer von vier Monaten bis zum Unfall, während welcher der Kläger über das Fahrzeug im Wesentlichen frei verfügen konnte, für die Begründung der Haltereigenschaft als ausreichend erachtet, zumal dem Kläger das Fahrzeug ohne Unfall noch während weiteren drei bis vier Monaten zur Verfügung gestanden wäre. Welche minimale Dauer für die Begründung der Haltereigenschaft erforderlich ist, kann hier offen bleiben (vgl. BREHM, a.a.O., Rz. 60). Die Vorinstanz hat die Haltereigenschaft bundesrechtskonform definiert und angewandt.
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