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86. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. AG gegen Y. AG (Berufung) |
4C.121/2003 vom 14. Juli 2003 | |
Regeste |
Art. 52 Abs. 1, Art. 33, Art. 9 und Art. 35 Abs. 1 lit. a DesG. |
Art. 8 DesG; Schutzbereich des Designs. |
Methodik und Massstab der Beurteilung, ob eine angebliche "Verletzungsform" den gleichen Gesamteindruck wie ein bereits eingetragenes Design erweckt (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.
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B.a Am 12. November 2001 gelangte die Klägerin an das Obergericht des Kantons Luzern und beantragte, es sei festzustellen, dass sie die Rechte der Beklagten aus der schweizerischen Modellhinterlegung 1 durch Herstellung und Vertrieb einer Knoblauchpresse der folgenden Form nicht verletze:
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Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Begehren, es sei der Klägerin mit sofortiger Wirkung zu verbieten, in der Schweiz die Knoblauchpresse "Pelikan", wie sie im Rechtsbegehren der Klägerin beschrieben ist, herzustellen, zu benutzen, anzupreisen, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst wie in Verkehr zu bringen und bei entsprechenden Handlungen Dritter in irgendeiner Weise mitzuwirken.
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B.b Das Obergericht hiess das Rechtsbegehren der Klägerin mit Urteil vom 5. Februar 2003 gut und stellte fest, dass diese durch die Herstellung und den Vertrieb einer Knoblauchpresse in der folgenden Form
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C.- Die Beklagte stellt mit Berufung vom 25. April 2001 den Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, die Klage vollumfänglich abzuweisen und in Gutheissung der Widerklage sei der Klägerin mit sofortiger Wirkung und unter Androhung der Bestrafung ihrer verantwortlichen Organe gemäss Art. 292 StGB zu verbieten, in der Schweiz ihre Knoblauchpresse "Pelikan", wie sie im Rechtsbegehren der Klage vom 12. November 2001 beschrieben ist, herzustellen, zu benutzen, anzupreisen, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst wie in Verkehr zu bringen oder bei entsprechenden Handlungen Dritter in irgendeiner Weise mitzuwirken. Sie rügt unter anderem, die Vorinstanz habe Art. 8 DesG verletzt, indem sie den Gesamteindruck anhand eines synoptischen Vergleichs statt des Erinnerungsbildes beurteilt habe und indem sie verneint habe, dass die Knoblauchpresse der Klägerin den gleichen Gesamteindruck erwecke wie ihr eingetragenes Design.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Gemäss Art. 33 DesG kann, wer ein rechtliches Interesse nachweist, gerichtlich feststellen lassen, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis nach dem Gesetz besteht oder nicht besteht. Die Klägerin ![]() | 13 |
Das Designrecht verleiht der Rechtsinhaberin das Recht, andern zu verbieten, das Design zu gewerblichen Zwecken zu gebrauchen (Art. 9 DesG). Wird sie in ihren Rechten verletzt oder gefährdet, kann sie vom Gericht insbesondere verlangen, die drohende Verletzung zu verbieten (Art. 35 Abs. 1 lit. a DesG). Auch die Widerklage, an der die Beklagte in der Berufung festhält, ist zulässig.
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2. Nach Art. 8 DesG erstreckt sich der Schutz des Designrechts auf Designs, welche die gleichen wesentlichen Merkmale aufweisen und dadurch den gleichen Gesamteindruck erwecken wie ein bereits eingetragenes Design. Mit dieser Umschreibung ist der Schutzbereich gegenüber dem früheren Art. 24 des Bundesgesetzes vom 30. März 1900 betreffend die gewerblichen Muster und Modelle (MMG [BS 2 S. 873]; aufgehoben durch Ziff. I des Anhangs zum DesG, AS 2002 S. 1469) erweitert worden. Denn nach dieser Bestimmung war die Nachahmung eines hinterlegten Modells widerrechtlich, wenn eine Verschiedenheit nur bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen werden konnte (vgl. BGE 104 II 322 E. 4 S. 329; BGE 83 II 475 E. 3 S. 480). Art. 24 MMG wurde in der Rechtsprechung so ausgelegt, dass eine Nachahmung nicht schon durch geringfügige, bei näherer Betrachtung ersichtliche Unterschiede ausgeschlossen wurde, weil es nicht auf die Abweichungen, sondern auf die Übereinstimmungen und damit auf den Gesamteindruck ankomme, den die miteinander zu vergleichenden Muster oder Modelle insbesondere beim letzten Abnehmer hinterliessen. Da das MMG von einem engeren Begriff der Nachahmung ausging als das Marken- oder Wettbewerbsrecht, wurde für den Vergleich des angeblich widerrechtlich hergestellten mit dem hinterlegten Modell verlangt, dass sie nebeneinander zu halten und gleichzeitig zu betrachten waren; auf das blosse Erinnerungsbild durfte nicht abgestellt werden (BGE 104 II 322 E. 3 S. 330). Die Vorinstanz hat nicht nach der Erinnerung des massgebenden Adressaten beurteilt, ob das Designrecht der Beklagten verletzt ist, sondern aufgrund eines direkten gleichzeitigen Vergleichs des hinterlegten Designs mit der angeblichen Verletzungsform. Insofern hat sie die Praxis zum altrechtlichen Art. 24 MMG weitergeführt. Die Beklagte hält dafür, die Vorinstanz habe ![]() | 15 |
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2.2 In der Lehre wird aus der Neuformulierung von Art. 8 DesG und aus den dargestellten Materialien teilweise abgeleitet, dass nun entsprechend dem kennzeichenrechtlichen Vorgehen zu beurteilen sei, ob die zu vergleichenden Designs nach ihrem Gesamteindruck in der Erinnerung der Verbraucher unterschiedlich haften bleiben (JÜRG MÜLLER, Zum Schutzbereich des Designs, sic! 1/2001 S. 13, 16 f.; JÜRG SIMON, Formmarke und Design, in: Baudenbacher/Simon ![]() | 17 |
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Nach der hinterlegten Abbildung der Seitenansicht der Knoblauchpresse der Beklagten wird die Gestaltung einerseits von der Form des unteren Hebelarms (Haltearm) geprägt, in den das dreieckige Pressgehäuse zur Aufnahme des Knoblauchs integriert ist. Prägend wirkt andererseits auch die Form des gleich langen oberen Hebelarms, der zur Ausführung der Pressbewegung durch ein Gelenk ![]() | 20 |
2.5 Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Knoblauchpresse der Klägerin insgesamt nicht denselben Eindruck erweckt wie das Design der Beklagten. Sie hat dabei der von der Seite her gesehen dreieckigen Form des Pressgehäuses im Design der Beklagten kein entscheidendes Gewicht verliehen, obwohl darin ein den Gesamteindruck durchaus prägendes Element gesehen werden kann. Dies ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass sich auch die Presse der Beklagten nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Art. 63 Abs. 2 OG) nicht erheblich von damals bekannten Designs unterscheidet. Dass das Element der Drei-Ecks-Form der Presskammer neu gewesen wäre, behauptet denn auch die Beklagte nicht. Soweit im Übrigen die Form der Presskammer funktional bedingt ist, vermag das registrierte Design ohnehin nur einen eher geringeren Schutzbereich zu entfalten (vgl. Art. 4 lit. c DesG). Die Vorinstanz hat die prägenden Hauptelemente der zu vergleichenden Gestaltungen insgesamt zutreffend primär auf die Übereinstimmungen untersucht. Sodann hat sie aufgrund der unterschiedlichen Gestaltung der oberen Hebelarme richtig erkannt, dass sich die Presse der Klägerin und das Design der Beklagten im für die Kaufinteressenten massgebenden Gesamteindruck deutlich unterscheiden. Der obere Hebelarm ist bei der Presse der Klägerin im Bereich des Pressgehäuses deutlich ausgebildet, während er beim ![]() | 21 |
2.6 Die Vorinstanz hat die Übereinstimmungen und Unterschiede in den prägenden Hauptelementen zur Ermittlung des massgebenden Gesamteindrucks im Sinne von Art. 8 DesG aufgrund der hinterlegten Abbildung des Gebrauchsgegenstands einerseits und aufgrund der dargestellten angeblichen Verletzungsform anderseits zutreffend ermittelt. Für die Beurteilung des Gesamteindrucks nach Art. 8 DesG ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Kaufinteressent als Adressat der Gestaltungen die Gebrauchsgegenstände gleichzeitig nebeneinander hält, sondern dass er den Gesamteindruck in kurzfristiger Erinnerung behält. Am entsprechenden Erinnerungsbild ist der massgebende Eindruck zu messen. Den Gesamteindruck bildet sich der Kaufinteressent aus der Wahrnehmung der prägenden Elemente, deren Übereinstimmung und wesentliche Verschiedenheiten ihm im Gedächtnis haften bleiben. Diese sind anhand eines direkten Vergleichs der hinterlegten Abbildung des registrierten Designs mit der behaupteten Verletzungsform zu ermitteln. Dem Vorgehen der Vorinstanz kann insofern auch methodisch gefolgt werden. Die Rüge der Verletzung von Art. 8 DesG ist unbegründet.
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