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94. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. S. AG gegen L. AG (Berufung) |
4C.69/2003 vom 21. Juli 2003 | |
Regeste |
Teilnahme an einer Patentverletzung (Art. 66 lit. d PatG). | |
Sachverhalt | |
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Die L. AG (Beklagte) mit Sitz in D. ist ebenfalls im Stickmaschinenbau tätig.
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Mit Schreiben vom 12. Juni 1997 warf die Klägerin der Beklagten vor, ihre Stickmaschinen mit einer dem EP 0 666 351 entsprechenden positiven Fadenzufuhr auszurüsten. Mit diesem Maschinenbetrieb verletze die Beklagte das klägerische Patent. Die Beklagte wurde um Abgabe einer Unterlassungserklärung ersucht.
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Die Beklagte bestritt die ihr vorgeworfenen Patentverletzungen. Namentlich machte sie geltend, ihre Vorrichtungen sähen im Gegensatz zum angerufenen Patent keine positive Fadenzufuhr vor.
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B.- Am 1. April 1998 reichte die S. AG dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen eine Verletzungsklage auf Unterlassung patentverletzender Handlungen und auf Gewinnherausgabe ein.
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Mit Entscheid vom 2. Dezember 2002 wies das Handelsgericht die Klage ab. Es liess die Frage der einredeweise geltend gemachten Nichtigkeit des Streitpatents offen, kam aber gestützt auf die Ausführungen seiner Experten zum Schluss, die Maschinen der Beklagten arbeiteten nicht nach der Lehre des Streitpatents, so dass eine Patentverletzung nicht nachgewiesen sei.
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Das Bundesgericht weist die von der Klägerin gegen den Entscheid des Handelsgerichts erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Klägerin wirft der Beklagten nicht vor, selbst Erzeugnisse (Stickereien) in Verletzung ihres Verfahrenspatents herzustellen. Sie sieht jedoch eine Patentverletzung darin, dass die Beklagte Maschinen anbietet und vertreibt, welche durch die Abnehmer patentverletzend betrieben werden können. Prozessgegenstand ist damit nicht eine unmittelbare Patentverletzung, sondern eine Teilnahme daran im Sinne von Art. 66 lit. d PatG.
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Anstifter ist, wer einen andern schuldhaft zu einer objektiv rechtswidrigen Handlung veranlasst (BREHM, Berner Kommentar, N. 24 zu Art. 50 OR), beispielsweise dadurch, dass er Gegenstände, die unter kein Schutzrecht fallen, ausdrücklich für eine immaterialgüterrechtsverletzende Verwendung anpreist (HESS-BLUMER, a.a.O., S. 103; Handelsgericht ZH in: SMI 1984 S. 235 ff., 238, in welchem Entscheid das Anpreisen allerdings als Begünstigung gewertet wird). Eine Begünstigung oder Erleichterung im Sinne von Art. 66 lit. d PatG liegt vor, wenn der Täter der Begehung der Patentverletzung Vorschub leistet, sie auf irgendeine Art fördert. Auch hier nimmt der Täter nicht selbst patentverletzende Handlungen vor, ermöglicht aber solche Dritter, indem er ihnen z.B. zur Ausübung der Erfindung notwendige Stoffe, Werkzeuge usw. liefert (Handelsgericht ZH in: ![]() | 12 |
Nach herrschender schweizerischer Auffassung sind die Teilnahmebestimmungen von Art. 66 lit. d PatG als zweistufige oder akzessorische zu verstehen, d.h. sie stellen keine unabhängigen Gefährdungstatbestände dar wie beispielsweise die mittelbaren Patentverletzungen nach § 10 DPatG, sondern setzen eine rechtswidrige Haupttat voraus, wobei für einen Unterlassungsanspruch gegen den Teilnehmer genügt, dass eine unmittelbare Patentverletzung droht (BLUM/PEDRAZZINI, Das Schweizerische Patentrecht, Bd. III, 2. Aufl., Bern 1975, Anm. 3 zu Art. 66 PatG; HESS-BLUMER, a.a.O., S. 97 f. und 101; STIEGER, a.a.O., S. 409 Rz. 11.157). Die in der Lehre nicht einmütig beantwortete Frage, ob als "Haupttat" auch eine nicht gewerbsmässige Handlung ausreicht, kann im vorliegenden Fall offen bleiben (bejahend PETER HEINRICH, Kommentar zu PatG/EPÜ, N. 66.07 zu Art. 66 PatG; kritisch STIEGER, a.a.O., S. 409 Rz. 11.158, ablehnend HESS-BLUMER, a.a.O., S. 102).
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Teilnahmehandlungen sind namentlich gegeben, wenn an sich patentfreie Erzeugnisse ausdrücklich zur Verwendung für den patentierten Zweck angepriesen werden (Handelsgericht ZH in: SMI 1984 S. 235 ff.) oder wenn sie keinem andern als dem patentrechtlich erfassten Gebrauch dienen können (Handelsgericht ZH in: SMI 1984 S. 238 ff., 244; HESS-BLUMER, a.a.O., S. 103). Schwieriger sind die Fälle zu erfassen, in welchen eine patentfreie Vorrichtung sowohl in einem patentverletzenden wie in einem nicht patentverletzenden Verfahren eingesetzt werden kann. Geht es um das Anbieten oder Inverkehrbringen allgemein im Handel erhältlicher Erzeugnisse, wird diesfalls im Allgemeinen aus dem Erfordernis eines adäquaten Kausalzusammenhangs eine patentrechtsrelevante Teilnahmehandlung zu verneinen sein, es sei denn, die Waren würden ausdrücklich ![]() | 14 |
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Die Lehre der klägerischen Verfahrenspatentansprüche beansprucht Vorrichtungsmerkmale, bei denen die für die Stichbildung notwendige Fadenmenge durch eine Steuerung positiv, unabhängig von der Fadenspannung geliefert wird, und zwar durch ein aktives Liefersystem in Form einer angetriebenen Fadenliefereinheit, welche durch eine Steuereinheit gesteuert wird. Der Erfindungsgedanke scheint in der Antriebsvorrichtung für den Nadelfaden im Zweifadensystem (Nadel- und Schiffchenfaden) auf. Der Fadenleiter und die Liefereinheit stellen den Nadeln die genau benötigte Fadenmenge zur Verfügung, wobei durch den mit dem Hauptantrieb der Stickmaschine ![]() | 16 |
Nach den Feststellungen des Handelsgerichts wird auch bei den Stickmaschinen der Beklagten eine Reduktion der Spannungsspitzen des Nadelfadens erreicht, im Gegensatz zur Lehre nach dem Streitpatent aber dadurch, dass ein unterstützender Antrieb über ein Differentialgetriebe auf die Fadenwalze wirkt, wobei das System des Differentialgetriebes von der Zugkraft des Nadelfadens bzw. vom daraus resultierenden Drehmoment an der Fadenwalzenwelle her geregelt wird. Die von der Beklagten angewandte Lehre arbeitet nach diesen Feststellungen mit Fadenspannung, und es hängt von dem durch den Fadenleiter verursachten Fadenzug ab, wie viel Faden von der Walze abgezogen wird. Dieses Verfahren verletzt nach unwidersprochener Auffassung der Vorinstanz das Klagepatent nicht.
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Die Möglichkeit eines patentverletzenden Verfahrens erblickt die Klägerin in einer Einstellung der beklagtischen Maschinen, wonach das Differentialgetriebe nicht mehr als solches wirkt, sondern nur als Getriebe mit festem Übersetzungsverhältnis. Dies wäre nach den Feststellungen der im Vorverfahren beigezogenen Gerichtsexperten dadurch zu erreichen, dass die Bremse der Ausgleichsscheibe des Differentialgetriebes so stark eingestellt wird, dass sie nie Schlupf hat. Dann würde die Ausgleichsscheibe stillstehen und das Differentialgetriebe zu einem "normalen" Planetengetriebe mit fixem Übersetzungsverhältnis. Dies bedingte, dass der Motor, der sich bei solcher Einstellung direkt auf die Drehzahl der Fadenwalzenwelle auswirken würde, so ausgelegt wäre, dass er dynamisch in der Lage ist, mit der vom Stickprozess her geforderten Genauigkeit die Fadenmenge zu fördern. Die Experten bezweifeln eine entsprechende Dynamik des eingebauten Motors.
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Nach den einleuchtenden und auch von der Klägerin nicht überzeugend in Frage gestellten technischen Feststellungen der Vorinstanz und ihrer Experten ist damit davon auszugehen, dass von einem patentverletzenden Verfahren, soweit hier von Interesse, nur dann auszugehen wäre, wenn die Maschinen der Beklagten so eingestellt würden, dass die genaue Steuerung der Fadenlieferung in Funktion des Drehwinkels der Hauptantriebswelle erfolgte, was indessen nur möglich wäre, wenn die Ausgleichsscheibe blockiert würde, so dass das Differentialgetriebe nicht als solches, sondern als normales Getriebe wirkte.
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4.3.3 Diese Feststellungen der Vorinstanz, welche im Wesentlichen den schlichten Sachverhalt betreffen und für das Verständnis des patentgemässen Verfahrens und seiner Nachahmung nicht zu hinterfragen sind, binden nach dem Gesagten das Bundesgericht (Art. 63 Abs. 2 OG). Der Wahrheitsgehalt dieser Feststellungen ist daher im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen. Rügen formeller und materieller Rechtsverweigerungen im Beweisverfahren sind von diesem Verfahren ohnehin ausgeschlossen (Art. 43 Abs. 1 OG).
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