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99. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Uzan gegen Motorola Credit Corporation sowie Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer (staatsrechtliche Beschwerde) |
4P.86/2003 vom 30. Juli 2003 | |
Regeste |
Vollstreckung einer ausländischen vorsorglichen Sicherungsmassnahme; Lugano-Übereinkommen (LugÜ). | |
Sachverhalt | |
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Im Zusammenhang mit einem in New York angehobenen Zivilprozess erwirkte Motorola am 30. Mai 2002 beim High Court of Justice, Queens Bench Division, Commercial Court, in London gegen Murat Hakan Uzan eine Freezing Injunction, womit dessen Vermögenswerte bis zu einem Betrag von 200 Mio. US$ blockiert wurden.
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Anhang (Schedule) B. Ziff. 7 dieser Verfügung lautet:
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"The Applicant will not without the permission of the court seek to enforce this order in any country outside England and Wales or seek an order of a similar nature including orders conferring a charge or other security against the Respondent or the Respondent's assets."
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Am 12. November 2002 änderte der High Court die Injunction soweit hier von Interesse wie folgt ab:
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"The Applicant will not, without the permission of the Court, seek to enforce this Order in any country outside England and Wales; or (ii) seek an Order of a similar nature (including Orders confirming a charge or other security against the Respondent or the Respondent's assets) from any Court outside England and Wales other than - a) United States District Court for the Southern District of New York, (b) the District Court of Darmstadt, Germany, (c) the Royal Court of Guernsey, Guernsey, (d) the District Court of Zurich, Switzerland, (e) the Tribunal de ![]() | 6 |
B.- Mit Eingabe vom 12. November 2002 beantragte Motorola dem Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich, den Entscheid des High Court vom 30. Mai 2002 anzuerkennen und vollstreckbar zu erklären. Gleichzeitig stellte sie drei Vollstreckungsbegehren bzw. Begehren um sichernde Massnahmen der Vollstreckung. Mit zwei getrennten Verfügungen vom 20. November 2002 wies der Einzelrichter sämtliche Begehren ab.
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Auf Rekurs von Motorola hob das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, am 31. März 2003 die Verfügung des Einzelrichters betreffend Anerkennung und Vollstreckbarerklärung auf und erklärte die Freezing Injunction vom 30. Mai 2002 für vollstreckbar. Die weitergehenden Begehren, insbesondere diejenigen auf Anordnung sichernder Massnahmen, wies es ab.
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C.- Murat Hakan Uzan führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts insoweit aufzuheben, als die Freezing Injunction für vollstreckbar erklärt wurde.
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Motorola schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Ein Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Präsidialverfügung vom 4. Juni 2003 abgewiesen.
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Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die hier zu beurteilende Freezing Injunction sah Rechtswirkungen über England und Wales hinaus bereits in ihrer ursprünglichen Fassung vom 30. Mai 2002 vor. Mit der Änderung bzw. Ergänzung vom 12. November 2002 wurde sie entsprechend konkretisiert.
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Bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland prüft das Bundesgericht die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen nur unter dem beschränkten Blickwinkel der Willkür, die Rechtsanwendung dagegen frei (BGE 129 I 110). Dies schliesst nach zürcherischem Recht die Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine staatsvertragliche Rechtsanwendung aus (§ 285 Abs. 1 und 2 ZPO/ZH; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 16 ff. zu § 285). Insoweit ist somit der kantonale Instanzenzug erschöpft und auf die staatsrechtliche Beschwerde unter dem Aspekt ihrer relativen Subsidiarität einzutreten.
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(...)
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4. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wendet das Bundesgericht auch bei freier Kognition das Recht nicht umfassend von Amtes wegen an, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der rechtsgenüglich erhobenen und begründeten Rügen (BGE 129 I 113 E. 2.1, 185 E. 1.6; BGE 128 I 354 E. 6c; BGE 127 I 38 E. 3c). Entsprechend ![]() | 19 |
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Als Entscheid im Sinne von Art. 25 LugÜ hat im Grundsatz ebenfalls die englische Freezing Injunction zu gelten (ISAAK MEIER, Besondere Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen, in: Schwander [Hrsg.], Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen 1990, S. 157 ff., 181; STRAUB, a.a.O., S. 525 ff., 543; LAWRENCE COLLINS, Provisional and Protective Measures in International Litigation, in: Collected Courses of the Hague Academy of International Law, Bd. 234 [1992 III], S. 127; DANIEL STOLL, Die britische Mareva-Injunction als Gegenstand eines Vollstreckungsbegehrens unter dem Lugano-Übereinkommen, SJZ 92/1996 S. 104 ff.; YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. II, Bern 1997, Rz. 2448 ff., S. 264 f.; BERNET, a.a.O., S. 65; BLOCH/HESS, a.a.O., S. 177 f.; BERTI, a.a.O., S. 11). Davon geht zutreffend auch der Beschwerdeführer aus. Er bringt indessen vor, das Obergericht habe staatsvertragliche Vollstreckbarkeitshindernisse missachtet.
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Die Auslegung von Urteilssprüchen hat unter Beizug der Urteilsgründe zu erfolgen (BGE 116 II 614 E. 5a; BGE 115 II 187 E. 3c; BGE 101 II 374 E. 1; BGE 93 II 40 E. 4). Aus den Erwägungen des Obergerichts ergibt sich zweifelsfrei, dass es nicht allein auf die ursprüngliche Fassung der Freezing Injunction vom 30. Mai 2002 abstellte, sondern deren Abänderung vom 12. November 2002 mitberücksichtigte. Danach aber wurde eine Vollstreckung der Injunction in Zürich ausdrücklich zugelassen (lit. A hiervor). Der Einwand des Beschwerdeführers, ![]() | 23 |
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Nach der Rechtsprechung des EuGH sind gerichtliche Entscheidungen, durch welche einstweilige oder auf eine Sicherheit gerichtete Massnahmen angeordnet werden, dann nicht nach den Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn sie ohne Ladung des Schuldners ergangen sind oder ohne Zustellung an ihn vollstreckt werden sollen (grundlegend das Urteil vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 125/79, Denilauler gegen Couchet, Slg. 1980, S. 1553 ff.). Einstweilige Verfügungen, die lediglich auf Antrag einer Partei ergangen sind, ohne dass der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt wurde (so genannte ex parte Verfügungen oder Superprovisorien im Gegensatz zu den inter partes Verfügungen), sind nach dieser Rechtsprechung nicht gemäss Brüsseler Übereinkommen anerkennungspflichtig und müssen daher im Ausland nicht zur Vollstreckung zugelassen werden. Der Grund für diese Beschränkung liegt nach Auffassung des Gerichtshofs darin, dass nach Sinn und Zweck sowie der Systematik des Übereinkommens in allen Verfahren, die zu anerkennungs- und vollstreckungsfähigen ![]() | 26 |
Die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage wird in der Literatur kontrovers diskutiert (zustimmend oder unkritisch referierend etwa: KROPHOLLER, a.a.O., N. 22 zu Art. 31 EuGVO; PETER F. SCHLOSSER, EuGVÜ, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen mit Luganer Übereinkommen und den Haager Übereinkommen über Zustellung und Beweisaufnahme, München 1996, N. 6 zu Art. 25 EuGVÜ; MEIER, a.a.O., S. 177 f.; BERNET, a.a.O., S. 64; RAINER HAUSMANN, Zur Anerkennung und Vollstreckung von Massnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen des EG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, IPRax 1981 S. 79 ff.; STRAUB, a.a.O., S. 542 f.; BLOCH/HESS, a.a.O., S. 173 ff.; DIETMAR CZERNICH/STEFAN TIEFENTHALER, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Wien 1997, N. 6 zu Art. 24 und N. 9 zu Art. 25 EuGVÜ/LugÜ; GEROLD ZEILER, in: Bajons/Mayr/Zeiler [Hrsg.], Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano, Wien 1997, S. 241; eher kritischer dagegen derselbe, Europäische Sicherungsverfahren: Die Regelungen der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen über einstweilige Massnahmen, Österreichische Juristische Blätter [Jbl] 118/1996 S. 635 ff. mit weiteren Hinweisen; kritisch etwa: REINHOLD GEIMER, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, München 1995, S. 170 f.; REINHOLD GEIMER/ROLF A. SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, München 1997, N. 35 zu Art. 25 EuGVÜ/LugÜ mit Hinweisen; ANDREAS SCHMUTZ, Massnahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes im Lugano-Übereinkommen aus schweizerischer Sicht, Diss. Bern 1993, S. 125 ff.; differenziert etwa: DONZALLAZ, a.a.O., Bd. II, Rz. 2152 ff., S. 172 ff.; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 2. Aufl., Paris 1996, S. 231 f.).
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Ungeachtet der daran geübten Kritik ist die Rechtsprechung des EuGH indessen für die Gerichte der Mitgliedstaaten des EuGVÜ bzw. der EuGVO aufgrund der Vorabentscheidungsbefugnis des Gerichtshofs (Art. 68 Abs. 1 EuGVO in Verbindung mit Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]) verbindlich.
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"dass sie es für angezeigt halten, dass ihre Gerichte bei der Auslegung des Luganer Übereinkommens den Grundsätzen gebührend Rechnung tragen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ... zu denjenigen Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens ergeben, die in ihrem wesentlichen Gehalt in das Luganer Übereinkommen übernommen worden sind" (SR 0.275.11, [S. 40]).
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Die hier interessierenden Art. 24 und 25 stimmen im Lugano- und im Brüsseler Übereinkommen wörtlich überein (heute Art. 31 und 32 EuGVO, mit den einzigen Änderungen, dass an die Stelle des Begriffs des "Übereinkommens" derjenige der "Verordnung" getreten ist und in Art. 32 der Begriff des "Urkundsbeamten" durch denjenigen des "Gerichtsbediensteten" ersetzt wurde). Es besteht daher keine Veranlassung, in der hier zu beurteilenden Frage von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen. Die entspricht denn auch der zu dieser Frage herrschenden schweizerischen Auffassung (vgl. etwa VOLKEN, Das Lugano-Übereinkommen - Entstehungsgeschichte und Regelungsbereich, in: Schwander vgt., S. 37 ff., 54 ff; WALTER, a.a.O., S. 499; BERNET, a.a.O., S. 64; SCHMUTZ, a.a.O., S. 5 ff.; BERTI, a.a.O., S. 17/18; zurückhaltender DONZALLAZ, a.a.O., Bd. I).
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Sodann hält der Beschwerdeführer ebenfalls zu Recht fest, dass der nach der europäischen Rechtsprechung garantierte Gehörsanspruch nicht unbedingt vor Erlass der einstweiligen Verfügung gewährt werden muss. Der EuGH hat in diesem Sinne namentlich in zwei Entscheiden eine Vollstreckbarerklärung zugelassen, auch wenn der Betroffene erst nach Erlass der Verfügung die Möglichkeit hatte, sich in einem Anfechtungsverfahren dagegen zur Wehr zu setzen. In der einen Entscheidung (vom 16. Juni 1981 in der Rechtssache 166/80, Klomps gegen Michel, Slg. 1981, S. 1593 ff.) wurde die Zulässigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs ex post durch die Erhebung eines Widerspruchs gegen einen im deutschen Mahnverfahren ergangenen Zahlungsbefehl bejaht (dazu HEINRICH NAGEL, IPRax 1982 S. 5 ff.), in der andern (vom 27. November 1984 in der Rechtssache 258/83, Brennero gegen Wendel, Slg. 1984, S. 3971 ff.) wurde ein italienischer Arrest ohne weiteres als in Deutschland vollstreckbar erachtet, obgleich er vorerst bloss auf einseitigen Antrag angeordnet, nach Anhörung des Gegners jedoch bestätigt wurde (dazu PETER SCHLOSSER, IPRax 1985 S. 321 ff.). Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Massgabe des Lugano-Übereinkommens nicht verletzt ist, wenn einstweilige Massnahmen ohne vorherige Anhörung des Gegners ergehen, vorausgesetzt, dass die Sicherung gefährdeter Interessen dies rechtfertigt und der Gegner dadurch gesichert ist, dass er die erlassene Massnahme angreifen kann (ZEILER, Jbl, a.a.O., S. 641 unter Hinweis auf ANKE EILERS, Massnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen Zivilrechtsverkehr, Bielefeld 1991, S. 284).
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"This Order was made without notice to the Defendants, who have a right to apply to the Court to vary or discharge this Order (see paragraph 4 below)."
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Damit wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH hinreichend gewahrt. Aus der Sicht des schweizerischen Rechts besteht kein Anlass zu einem weitergehenden Schutz dieses Anspruchs.
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Eine im Ausland ergangene Entscheidung kann in der Schweiz grundsätzlich keine weitergehende Wirkung entfalten als im Urteilsstaat (BGE 120 II 83 E. 3a/bb mit Hinweisen), denn die Anerkennung kann nur Wirkungen erstrecken, nicht aber neue schaffen (WALTER, a.a.O., S. 355). Ob die Vollstreckbarerklärung ebenfalls im schweizerischen Recht eine weitergehende, konstitutive Wirkungsverleihung in dem Sinne zeitigt, dass die inländische Vollstreckbarkeit aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann bestehen bleibt, wenn sie im Urteilsstaat, beispielsweise durch Aufhebung des Urteils, verloren geht, kann hier offen bleiben (so die herrschende Auffassung zum deutschen Recht; vgl. GEIMER/SCHÜTZE, a.a.O., N. 2 zu Art. 31 EuGVÜ/LugÜ; GEIMER, a.a.O., S. 163; zum schweizerischen Recht TEDDY SVATOPLUK STOJAN, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in Handelssachen, Diss. Zürich 1986, S. 7 ff. und 178 ff.). Die vorsorglichen Massnahmen, insbesondere die auf Sicherung gerichteten, sind ihrem Wesen nach befristet und bezwecken keine endgültige Bereinigung einer Rechtslage. Grundsätzlich fallen sie mit der Rechtskraft des Endentscheids dahin und können, weil sie selbst nicht der Rechtskraft fähig sind, im Allgemeinen auch jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden (MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 574 ff.; VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., Bern ![]() | 39 |
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Der EuGH hat mit Urteil vom 17. November 1998 zu Art. 24 EuGVÜ soweit hier von Interesse Folgendes erkannt: Einmal setze die auto nome Anwendung der Bestimmung voraus, dass zwischen dem Gegenstand dieser Massnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des angerufenen ![]() | 43 |
Im vorliegenden Verfahren steht keine Leistungsverfügung zur Beurteilung. Der Beschwerdeführer macht indessen geltend, der Vollstreckbarerklärung über die Freezing Injunction stehe die Rechtsprechung des EuGH deshalb entgegen, weil die erforderliche reale Verknüpfung zwischen der gebietsbezogenen englischen Zuständigkeit und den blockierten Vermögenswerten fehle, soweit diese ausserhalb von England und Wales lägen.
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Das Obergericht hält dafür, die Entscheidungen Van Uden und Mietz könnten nicht unbesehen herangezogen werden, weil Gegenstand der Vollstreckbarerklärung nicht vorsorgliche Leistungsmassnahmen seien. Zwar ist richtig, dass die beiden Entscheidungen im Zusammenhang mit Leistungsverfügungen ergingen und auch auf solche ausgerichtet sind (vgl. BGE 125 III 451 E. 3b; BERNET, a.a.O., S. 65 ff.), doch beschränken sie sich inhaltlich jedenfalls nicht ausdrücklich darauf, sondern enthalten allgemeine Aussagen zu Begriff und Freizügigkeit einstweiliger Massnahmen. Das Hauptanliegen des Gerichtshofs liegt nach den allerdings weiterhin Fragen offen lassenden Entscheidungen (vgl. MONIQUE JAMETTI GREINER, Grundsätzliche Probleme des vorsorglichen Rechtsschutzes aus internationaler Sicht, in: Spühler [Hrsg.], Vorsorgliche Massnahmen aus internationaler Sicht, Zürich 2000, S. 11 ff., 27 ff.; BURKHARD HESS/GREGOR VOLLKOMMER, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Massnahmen nach Art. 24 EuGVÜ, IPRax 1999 S. 220 ff., 225) augenfällig darin zu verhindern, dass über die weitgefasste Verweisungsnorm von Art. 24 EuGVÜ die vertragseigene Zuständigkeitsordnung durch nationale Gerichtsstände, namentlich die exorbitanten Gerichtsstände gemäss Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ, unterlaufen und - insbesondere im Recht der Leistungsurteile - ein staatsvertragswidriges "forum-shopping" ermöglicht wird (Entscheidungen Van Uden Randnr. 46 und Mietz Randnr. 47; JAMETTI GREINER, a.a.O.; WALTER, a.a.O., S. 501; HESS/VOLLKOMMER, a.a.O., S. 222; HESS, Die ![]() | 45 |
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Das bedeutet, dass auch unter der jüngeren Rechtsprechung des EuGH grenzüberschreitende Unterlassungsverfügungen im Sinne der englischen world-wide Mareva (Freezing) Injunction gegenüber in einem Vertragsstaat domizilierten Personen von einem nach Art. 2 oder 5-18 LugÜ zuständigen Hauptsachengericht mit transnationalem Vollstreckbarkeitsanspruch erlassen werden können, unbesehen ![]() | 47 |
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Der Beschwerdeführer beansprucht keinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat. Er kann sich daher nicht auf die Garantien nach der Van Uden- und der Mietz-Rechtsprechung des EuGH berufen, wenn diese - wie dargelegt - teleologisch darauf ausgerichtet sind, der Zuständigkeitsordnung des Lugano-Übereinkommens für Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat bestmöglich zum Durchbruch zu verhelfen (E. 5.3.2 hiervor). Die beanspruchte "reale Verknüpfung" ist daher für Personen ohne Wohnsitz in einem Vertragsstaat nicht Voraussetzung einer Vollstreckbarerklärung.
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Hinzu kommt, dass der englische Richter, welcher die Freezing Injunction vom 30. Mai 2002 am 22. Juli 2002 in Abweisung eines Aufhebungsantrags des Beschwerdeführers und dreier Streitgenossen bestätigte, ausdrücklich die staatsvertragliche Zuständigkeit aus dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft bejahte (Art. 6 Ziff. 1 LugÜ), weil einer der Streitgenossen Wohnsitz und Vermögen in England und ein anderer dort ebenfalls Vermögen präsent hatte. Diese virtuelle Hauptsachenzuständigkeit aber begründet nach dem Gesagten voraussetzungslos auch die Eilzuständigkeit.
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Damit entfällt gegenüber dem Beschwerdeführer so oder anders das Erfordernis der "realen Verknüpfung" von territorialer Zuständigkeit und Vermögen für die Vollstreckbarerklärung der Freezing Injunction und erweist sich die entsprechende Rüge als unbegründet.
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Im Übrigen ist die Rüge unbegründet. Die beanstandeten Bestimmungen in Ziff. 11 Abs. 1 und 2 der Injunction, lautend
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"(1) This order does not prohibit the Respondent from spending £ 10,000 a week towards his ordinary living expenses and also a reasonable sum a week on legal advice and representation. But before spending any money the Respondent must tell the Applicant's legal representatives where the money is to come from.
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(2) This order does not prohibit the Respondent from dealing with or disposing of any of his assets in the ordinary and proper course of business." sind hinreichend klar, um im Rahmen der Gesamtverfügung vollstreckbar erklärt zu werden, sind aber, wie das Obergericht festgehalten hat, allenfalls inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, um eine Grundlage für sichernde Massnahmen im Sinne von Art. 39 Abs. 2 LugÜ und eine damit verbundene Strafandrohung (Art. 292 StGB) abzugeben. Solche Massnahmen sind indessen im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu beurteilen.
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