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107. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. P. gegen X. und Y. sowie Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
5A.5/2003 vom 25. August 2003 | |
Regeste |
Vorkaufsrecht des Pächters; Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden zum Entscheid über privatrechtliche Fragen; Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes; Berücksichtigung von zugepachtetem Land; Art. 7 und 47 BGBB. |
Begriff des Eigentums an einem landwirtschaftlichen Gewerbe als Voraussetzung des Vorkaufsrechts des Pächters hinsichtlich eines landwirtschaftlichen Grundstücks gemäss Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB, keine Berücksichtigung von zugepachtetem Land (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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P. ist Pächter dieses Grundstücks. In dieser Eigenschaft übte er gestützt auf das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) das gesetzliche Vorkaufsrecht aus. Das Grundbuchamt Z. nahm den entsprechenden Eintrag ins Tagebuch vor.
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Auf Aufforderung des Grundbuchinspektorates des Kantons Graubünden hin ersuchte das Grundbuchamt Z. um Feststellung, dass P. Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 47 Abs. 2 BGBB sei. Daraufhin entschied das Grundbuchinspektorat, dass P. mangels eines hinreichenden Eigenlandanteils nicht über ein landwirtschaftliches Gewerbe verfüge und die Voraussetzungen für die Ausübung des Pächtervorkaufsrechts nicht erfülle.
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Aufgrund einer Beschwerde von P. stellte die Landwirtschaftskommission des Kantons Graubünden fest, dass dieser über ein landwirtschaftliches Gewerbe verfüge, und ordnete die Massnahmen zum Eintrag des entsprechenden Geschäfts ins Grundbuch an. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hielt schliesslich auf Beschwerde des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden hin fest, dass P. bezüglich der umstrittenen Parzelle über kein gesetzliches Vorkaufsrecht verfüge und demnach die entsprechende Grundbuchanmeldung abzuweisen sei.
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Gegen den Verwaltungsgerichtsentscheid hat P. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und um Feststellung ersucht, dass er angesichts seines Eigentums von 3,8 ha sowie des zugepachteten Landes im Ausmasse von rund 15 ha über ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB verfüge.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und stellt fest, dass P. über kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 7 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB verfügte.
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Diese Rüge erweist sich als begründet. Das Bundesgericht hat entschieden, dass sich die Feststellungsverfügungen gemäss Art. 84 BGBB vorab auf die in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgezählten Gegenstände im Bereich der öffentlichrechtlichen Beschränkungen des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken (Art. 58 ff. BGBB) beziehen. Zudem können die Begriffsbestimmungen der Art. 6-10 BGBB zum Gegenstand einer Feststellungsverfügung gemacht werden (BGE 129 III 186 E. 2.1 S. 189). Dagegen sind zivilrechtliche Fragen, wie diejenige, ob ein Vorkaufsfall vorliege oder ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts erfüllt seien, einzig vom Zivilrichter zu entscheiden und können nicht Gegenstand einer Feststellungsverfügung sein (BGE 129 III 186 E. 2.1 S. 189 f.). Der angefochtene Entscheid ist daher ohne weiteres aufzuheben, soweit er sich verbindlich zum Vorkaufsrecht äussert. Dazu sind ausschliesslich die Zivilgerichte zuständig.
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4. Der Beschwerdeführer bringt zu Recht vor, für den Zivilstreit sei vorfrageweise entscheidend, ob die ihm gehörenden Grundstücke zusammen mit den auf längere Dauer zugepachteten Grundstücken ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB bildeten. Er ersucht daher um Feststellung, dass er angesichts der ihm selber gehörenden Grundstücke mit Landwirtschaftsland, Bauten und Anlagen von 3,8 ha sowie mit seinem zugepachteten Land von rund 19 ha über ein landwirtschaftliches Gewerbe verfüge. Wie ausgeführt, können zwar nicht die in Art. 47 BGBB geordneten zivilrechtlichen Verhältnisse, aber immerhin die Begriffsbestimmungen der Art. 6-10 BGBB in Verbindung mit Art. 47 BGBB zum Gegenstand einer Feststellungsverfügung gemacht werden. Da das Eigentum bzw. die wirtschaftliche Berechtigung an einem landwirtschaftlichen Gewerbe nach Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB eine der ![]() | 9 |
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Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes, weil der Kern des Gewerbes mit Wohnhaus, Ökonomiegebäuden und Land in seinem Eigentum stehe und er noch über hinreichendes auf längere Dauer zugepachtetes Land verfüge, so dass insgesamt die Voraussetzungen von Art. 7 BGBB und damit insoweit auch jene von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB erfüllt seien. Eine andere Betrachtungsweise werde Sinn und Zweck der privatrechtlichen Bestimmungen des BGBB, die eng aufeinander und auf den Gewerbebegriff nach Art. 7 BGBB abgestimmt seien, nicht gerecht. Es gehe nicht an, beim Vorkaufsrecht des Pächters das in Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB ausdrücklich erwähnte Zupachtland einfach unberücksichtigt zu lassen.
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Die Vorinstanz und das Bundesamt für Justiz gehen demgegenüber davon aus, dass nur die im Eigentum des das Vorkaufsrecht beanspruchenden Pächters befindlichen Grundstücke zu berücksichtigen seien.
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Dem Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes kommt demnach in zahlreichen und sehr unterschiedlichen Konstellationen rechtliche Bedeutung zu. Sein Sinn im Einzelnen ist im entsprechenden Sachzusammenhang zu ermitteln.
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5.3 Im bundesrätlichen Entwurf zum BGBB (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 19. Oktober 1988 [im Folgenden: BGBB-Botschaft], BBl 1988 III 953, S. 1108) wurde das landwirtschaftliche Gewerbe in Art. 7 umschrieben als Einheit von landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen, die als Grundlage für einen Haupterwerbsbetrieb der landwirtschaftlichen Produktion oder des produzierenden Gartenbaus dient. Einerseits beschränkte der Bundesrat den Begriff der landwirtschaftlichen Gewerbe ein auf die Haupterwerbsbetriebe, für deren Bewirtschaftung mehr als 50 Prozent des Familienarbeitspotentials und die Erzielung eines Erwerbseinkommens für eine bäuerliche Familie von mehr als 50 Prozent genügen; andererseits präzisierte ![]() | 16 |
In der parlamentarischen Beratung ist in der Folge die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieb gestrichen und sind die Anforderungen an ein landwirtschaftliches Gewerbe anders umschrieben worden (mindestens die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie). Zudem ist Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB eingefügt worden, wonach die für längere Dauer zugepachteten Grundstücke mitzuberücksichtigen sind. In der parlamentarischen Debatte wurde die Frage einlässlich erörtert, ob nur Haupterwerbsbetriebe oder auch Nebenerwerbsbetriebe als landwirtschaftliche Gewerbe anerkannt werden sollen und welche Mindestgrösse diese aufweisen müssten. Die Frage, ob bei der Bestimmung der halben Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie die zugepachteten Grundstücke mitzuberücksichtigen seien, wurde demgegenüber kaum diskutiert (vgl. allgemein zur Entstehungsgeschichte BGE 121 III 274 E. 2d S. 276; AB 1990 S 204 ff. und S. 218 ff., 1991 N 86 ff. und S. 99 ff. [insb. Votum Nussbaumer, S. 106], 1991 S 139 ff., 1991 N 1696). Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB wurde nach der ausgiebigen Debatte zu Art. 7 Abs. 1 BGBB diskussionslos angenommen. Aus dieser Beratung ist zu schliessen, dass Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB als Spezialbestimmung im Zusammenhang mit der Diskussion um die erforderliche Betriebsgrösse zu verstehen ist. Sie ist für die Bestimmung der Frage, ![]() | 17 |
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Begrifflich gehört das Zupachtland nicht zum Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe. Vielmehr muss die vom Gesetz geforderte Gesamtheit von Grundstücken, Bauten und Anlagen grundsätzlich in gemeinsamem Eigentum vorhanden sein und eine räumliche und nutzungsmässige Einheit bilden (HOFER, a.a.O., N. 13, 15 und 21 zu Art. 7 BGBB; Das bäuerliche Bodenrecht, Praktische Hinweise zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, herausgegeben vom Schweiz. Bauernverband, Brugg 1996, S. 15).
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Wie dargetan, kann das Zupachtland lediglich als Kriterium für die Bestimmung beitragen, ob die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie erreicht wird. Dagegen wird das Zupachtland zum Beispiel bei der Ertragswertschätzung eines landwirtschaftlichen Gewerbes nach Art. 10 BGBB nicht berücksichtigt (vgl. Art. 2 Abs. 3 VBB [SR 211.412.110] und HOFER, a.a.O., N. 15 zu Art. 7 BGBB). Ebenso wenig werden die zugepachteten Grundstücke bei der Prüfung, ob das landwirtschaftliche Gewerbe auch nach einer Aufteilung eine gute landwirtschaftliche Existenz bietet, in die Berechnung einbezogen (Art. 60 Abs. 1 lit. b BGBB; BGE 127 III 90 E. 6 S. 98). Jedenfalls ist dort, wo das Gesetz selber ausdrücklich Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe verlangt, davon auszugehen, ![]() | 20 |
Eine andere Betrachtung würde beim Pächtervorkaufsrecht gemäss Art. 47 Abs. 2 BGBB zu vom Gesetzgeber nicht erwünschten Auswirkungen führen. Diese Bestimmung bezweckt insbesondere die Förderung des bäuerlichen Grundeigentums und die Strukturverbesserung von landwirtschaftlichen Betrieben (vgl. DONZALLAZ, a.a.O., N. 445 zu Art. 47 BGBB). Wie dargetan, dient das BGBB allgemein der Weiterexistenz und Förderung von landwirtschaftlichen Gewerben (oben E. 5.2). Mit diesen Zielen wäre es nicht vereinbar, zugepachtete Grundstücke im Rahmen von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB einzubeziehen. Insbesondere wären Manipulationen und Umgehungen möglich. Zupachtland steht jeweils nur für sechs Jahre gesichert zur Verfügung, und eine solche beschränkte Vertragsdauer kann die angestrebte langfristige Sicherung der Strukturen nicht gewährleisten. Landwirtschaftliche Betriebe mit einem kleinen Eigenlandanteil wie jener des Beschwerdeführers unterliegen nach der Auflösung der Pachtverträge für das Zupachtland nicht dem in Art. 58 Abs. 1 BGBB statuierten Realteilungsverbot, so dass die Grundstücke jederzeit wieder verkauft werden könnten. Bewirtschaftern mit wenig Eigenland für die gepachteten Grundstücke ein Vorkaufsrecht zuzugestehen hiesse, solchen Pächtern gegenüber dem Verkäufer und andern Kaufswilligen durch die Ziele des Gesetzes nicht gerechtfertigte Vorteile zu verschaffen. Daraus ergibt sich gesamthaft, dass im Hinblick auf die Frage, wer Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB ist, das zugepachtete Land nicht mitzuberücksichtigen ist.
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5.5 Gemäss der genannten Bestimmung von Art. 47 Abs. 2 lit. b BGBB hat der Pächter auch ein Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Grundstücke, wenn er wirtschaftlich über ein landwirtschaftliches Gewerbe verfügt. Dem Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe wird die wirtschaftliche Verfügung über ein solches gleichgestellt. Zur wirtschaftlichen Verfügung verhilft namentlich eine Mehrheitsbeteiligung an einer juristischen Person, deren Hauptaktivum ein landwirtschaftliches Gewerbe bildet (Art. 4 Abs. 2 BGBB; vgl. Das bäuerliche Bodenrecht, a.a.O., S. 15). Nicht als wirtschaftliche Verfügung gilt dagegen die Pacht eines landwirtschaftlichen Gewerbes (BGBB-Botschaft, a.a.O., S. 1001; DONZALLAZ, ![]() | 22 |
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