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110. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. und Schweizerische Interpretengesellschaft SIG gegen B. Film AG und C. Werbeagentur AG (Berufung) |
4C.138/2003 vom 25. August 2003 | |
Regeste |
Art. 34 und 62 URG; Aktivlegitimation eines Filmschauspielers zur Geltendmachung von Ansprüchen aus verwandten Schutzrechten. |
Art. 28 f. ZGB, Art. 41 und 49 OR, Art. 33 f. und 62 URG; Ansprüche aus Persönlichkeitsverletzung wegen unbefugter Verwendung von Filmaufnahmen. |
Die Persönlichkeitsrechte der Künstler werden verletzt, wenn ihre Darbietung ohne Einwilligung zu Werbezwecken verwendet wird (E. 4.1). Die spezialgesetzlichen Normen des URG schliessen in ihrem Geltungsbereich Ansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus. Dies betrifft Ansprüche auf Schadenersatz, nicht aber solche auf Genugtuung (E. 4.2 und 4.3). Verneinung einer schweren, eine Genugtuung rechtfertigenden Persönlichkeitsverletzung (E. 4.4). | |
Sachverhalt | |
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Die E. Anstalt, stellt Fleischprodukte der Marke "Malbuner" her und wirbt für diese regelmässig mit Werbespots. Die C. Werbeagentur AG (Beklagte 2) hat in deren Auftrag Spots konzipiert, in denen Szenen aus alten Filmen derart verändert werden, dass sie auf die Frage eines Beteiligten hinauslaufen, wo der "Malbuner" bleibe. Die B. Film AG (Beklagte 1) hat die Werbespots hergestellt. Unter anderem haben die Beklagten eine Szene aus dem Film "Bäckerei Zürrer" verwendet, in der auch der Kläger 1 auftritt. Die Beklagten holten ![]() | 2 |
B.- Am 18. Oktober 2000 gelangten die Kläger mit verschiedenen Begehren an das Obergericht des Kantons Zürich. Sie beantragten im Wesentlichen, (1.) den Beklagten zu verbieten, einen die Darbietung des Klägers 1 enthaltenden Ausschnitt des Films "Bäckerei Zürrer" oder andere Darbietungen des Klägers 1 für Werbespots zu verwenden, (2.) festzustellen, dass die Beklagten für jede Übernahme von fixierten Darbietungen von Mitgliedern der Klägerin 2 zur Integration in Werbespots der Einwilligung der Klägerin 2 bedürften, und (3.) die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger 1 Schadenersatz in Höhe von Fr. 10'000.- sowie eine Genugtuungssumme von Fr. 10'000.- zu bezahlen. Eventualiter (3.b) seien die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger 1 sowie den weiteren Darstellern, die im für den beanstandeten Werbespot verwendeten Ausschnitt des Films "Bäckerei Zürrer" beteiligt waren, einen Schadenersatz und eine Genugtuung zu bezahlen, deren Höhe nach Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Ermessen des Gerichts festzulegen sei.
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Das Obergericht beschloss am 13. März 2003, auf das erst mit der Replik eventualiter erhobene Begehren (Ziffer 3.b), nebst dem Kläger 1 auch den weiteren Darstellern der für den umstrittenen Werbespot verwendeten Szene aus dem Film "Bäckerei Zürrer" Schadenersatz und Genugtuung zuzusprechen, aus prozessualen Gründen nicht einzutreten. Ferner beschloss es, auf die Unterlassungsklage gemäss Ziffer 1 des Rechtsbegehrens mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten, weil die Beklagten den Klägern wiederholt zugesichert hatten, die beanstandeten Werbespots würden nicht mehr ausgestrahlt. Im Übrigen wies das Obergericht die Klage mit Urteil vom gleichen Tag ab. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Klägerin 2 (Ziffer 2 der Klagebegehren) hielt das Gericht dafür, dass Art. 34 URG zur Ausübung der Schutzrechte, von Ausnahmefällen gemäss Abs. 2 und 3 der Bestimmung abgesehen, die Mitwirkung aller darbietenden Künstlerinnen und Künstler verlange, an der es hier fehle. Die Schadenersatzklage des Klägers 1 wies das Obergericht mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Vermögensverminderung nachgewiesen und verlange ausdrücklich Schadenersatz, nicht Gewinnherausgabe, für deren Geltendmachung ihm überdies die Aktivlegitimation fehlen würde. Die beantragte Genugtuung wies das Gericht schliesslich ab, weil der Persönlichkeitsverletzung das objektiv erforderliche Gewicht fehle.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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3.1 Der Kläger 1 hat beim Film "Bäckerei Zürrer" als Schauspieler mitgewirkt. Er ist damit an der künstlerischen Darbietung dieses Werks beteiligt und kann sich gegen eine unrechtmässige Verwertung der Darbietung auf die verwandten Schutzrechte nach Art. 33 ff. URG berufen (vgl. VON BÜREN/MARBACH, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Bern 2002, S. 70 f.). Haben mehrere Personen an einer Darbietung künstlerisch mitgewirkt, so steht ihnen das Schutzrecht nach Art. 34 Abs. 1 URG gemeinschaftlich zu. Diese Bestimmung ist in Anlehnung an Art. 7 Abs. 1 URG erlassen worden (Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 19. Juni 1989, BBl 1989 III 477, S. 550 betr. Art. 35 VE). Nach Art. 7 Abs. 2 URG bedarf die Verwendung des Gemeinschaftswerks mangels anderer Abrede der Zustimmung aller Miturheber, sofern sich der Beitrag eines einzelnen Urhebers vom Gesamtwerk nicht im Sinne von Art. 7 Abs. 4 URG trennen lässt und die gesonderte Verwertung des Beitrags die Verwertung des gemeinsamen Werkes nicht beeinträchtigt (vgl. VON BÜREN, Der Urheber, in: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, Basel 1995, S. 140 f.; vgl. auch BARRELET/EGLOFF, ![]() | 8 |
3.2 Nach Art. 7 URG bilden die Miturheberinnen und Miturheber aufgrund des Realakts gemeinsamer Schöpfung eine Gesamthandschaft sui generis (BGE 121 III 118 E. 2 S. 120; vgl. auch BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 2 zu Art. 7 URG; unklar DESSEMONTET, a.a.O., S. 250). Dies muss auch für die Leistungsschutzberechtigten gelten, die an der Darbietung eines Werkes im Sinne von Art. 33 URG mitwirken. Zwar verschafft das verwandte Schutzrecht den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern im Unterschied zum Urheberrecht kein spezifisches Persönlichkeitsrecht (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 14 zu Art. 33 URG und N. 4 zu Art. 38 URG; MOSIMANN, a.a.O., S. 307 f., 351; DESSEMONTET, a.a.O., S. 419 Rz. 579). Es fehlt dem verwandten Schutzrecht in der geltenden positiven Ausgestaltung daher die für Immaterialgüter charakteristische Verknüpfung von vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Elementen (vgl. MARBACH, Rechtsgemeinschaften an Immaterialgütern, Bern 1987, ![]() | 9 |
3.3 Steht ein Recht mehreren Personen zu gesamter Hand zu, so können sie dieses nur gemeinsam geltend machen; sie bilden im Prozess eine notwendige Streitgenossenschaft (GAUCH/SCHLUEP/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Zürich 1998, Rz. 3785 ff.; VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., Bern 2001, S. 143 f.). Da die verwandten Schutzrechte im Sinne von Art. 33 Abs. 2 URG den an der Darbietung eines Werkes künstlerisch mitwirkenden Personen zu gesamter Hand zustehen, können sie diese nur gemeinsam geltend machen. Sie können die Leistungsklagen nach Art. 62 URG notwendigerweise nur als Streitgenossen anbringen und insbesondere auch Schadenersatz im Sinne von Art. 62 Abs. 2 URG nur gemeinsam einfordern. Im Unterschied zu Art. 7 Abs. 3 URG sieht Art. 34 URG für die einzelnen Leistungsschutzberechtigten eine selbständige Prozessführungsbefugnis nicht vor. Einer analogen Anwendung von Art. 7 Abs. 3 URG steht entgegen, dass die Regelung von Art. 34 URG zwar ausdrücklich in Anlehnung an Art. 7 URG erlassen, die dort vorgesehene prozessstandschaftliche Vertretungsbefugnis jedoch gerade nicht übernommen worden ist. Auch die Analogieregelung von Art. 38 URG verweist nicht auf Art. 7 Abs. 3 URG (MOSIMANN, a.a.O., S. 351). Eine Person ist aber nur in Fällen befugt, den Prozess anstelle des Berechtigten in eigenem Namen zu führen, in denen dies gesetzlich vorgesehen ist (VOGEL/SPÜHLER, a.a.O., S. 141 f.; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., Basel 1990, Rz. 277; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, ![]() | 10 |
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Der Kläger 1 hält dafür, es genüge als Grundlage für den beanspruchten Schadenersatz, dass Persönlichkeitsverletzungen geeignet seien, neben dem immateriellen Schaden auch eine Vermögensbeeinträchtigung zu bewirken; ausserdem bringt er vor, die Vorinstanz habe die objektive Schwere der Persönlichkeitsverletzung zu Unrecht verneint.
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Eine Verletzung der Persönlichkeit liegt namentlich vor, wenn die Ehre einer Person beeinträchtigt wird, indem ihr berufliches oder gesellschaftliches Ansehen geschmälert wird (BGE 129 III 49 E. 2.2 S. 51; BGE 127 III 481 E. 2b/aa S. 487 mit Hinweisen). Indem der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz unter anderem auch das gesellschaftliche und berufliche Ansehen einer Person, also ihre "soziale Geltung" umfasst, schützt er die Ehre weitergehend als das Strafrecht, das nur die Geltung eines Menschen als sittliche Person gewährleistet, d.h. seinen Ruf, ein achtenswerter, ehrbarer Mensch zu sein (BGE 119 II 97 E. 4c S. 104; BGE 111 II 209 E. 2, je mit Hinweisen; MEILI, Basler Kommentar, N. 28 zu Art. 28 ZGB; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Bern 1999, Rz. 12.88 ff.; RIEMER, Personenrecht des ZGB, 2. Aufl., Bern 2002, S. 144; BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, Rz. 623 f.). Der Betroffene muss sich insbesondere ![]() | 16 |
Als weitere Erscheinungsform der Persönlichkeitsverletzung ist die Verletzung des Rechts am eigenen Bild zu nennen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine solche im Grundsatz bereits zu bejahen, wenn jemand ohne Zustimmung um seiner Person willen fotografiert oder eine bestehende Aufnahme ohne seine Einwilligung veröffentlicht wird (BGE 127 III 481 E. 3a/aa). Der entsprechende Schutz ist auch auf Filmaufnahmen anzuwenden (vgl. MEILI, a.a.O., N. 19 zu Art. 28 ZGB; BUCHER, a.a.O., Rz. 628; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, a.a.O., Rz. 13.48). Der Schutz des Rechts am eigenen Bild betrifft zunächst den Fall, in dem jemand dadurch in seiner Privatsphäre beeinträchtigt wird, dass er durch eine Veröffentlichung des Bildes ohne seine Einwilligung an die Öffentlichkeit gezerrt wird (vgl. BUCHER, a.a.O., Rz. 477 f.; GEISER, Die Persönlichkeitsverletzung - insbesondere durch Kunstwerke, Basel 1990, S. 41). Hat allerdings eine Person eingewilligt, sich vor einem verhältnismässig breiten Publikum zu äussern oder ein Werk aufzuführen, so kann die spätere Verbreitung dieser Leistung die Privatsphäre kaum beeinträchtigen, sondern allenfalls rein finanzielle Interessen berühren, deren Schutz nicht Art. 28 ZGB untersteht (BGE 110 II 411 E. 3 S. 417 ff.; BUCHER, a.a.O., Rz. 478; VANESSA LÉVY, Le droit à l'image, Diss. Lausanne 2001, S. 230). Eine Veröffentlichung ist in solchen Fällen nur dann geeignet, eine Persönlichkeitsverletzung zu bewirken, wenn sie nach den konkreten Umständen das berufliche und gesellschaftliche Ansehen des Betroffenen schmälern kann (BGE 110 II 417 E. 3b S. 419 mit Hinweisen; anscheinend a.A. GEISER, a.a.O., S. 41). Insoweit fällt der Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild mit demjenigen der Ehre zusammen. Davon zu unterscheiden ist indessen der Fall, in dem eine Aufnahme, die mit dem Einverständnis der abgebildeten Person gemacht wurde, ohne ![]() | 17 |
Die Vorinstanz hat insofern zutreffend eine Persönlichkeitsverletzung des Klägers 1 bejaht, weil die Beklagten die ihn zeigenden Filmaufnahmen, die als Werk der Kunst hergestellt wurden und für eine Weiterverbreitung als Kunst vorgesehen waren, ohne seine Einwilligung zu Werbezwecken für ein fremdes Produkt verwendet haben. Es ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz angenommen hat, das Vorgehen der Beklagten habe auch das berufliche Ansehen des Klägers 1 herabsetzen können. Die Verwendung seiner künstlerischen Darbietung für einen Werbespot bedarf nach dem Allgemeinwissen des Publikums des Einverständnisses des Schauspielers. In den Augen des Publikums entsteht daher der Eindruck, der Kläger 1 habe seine Darbietung für Werbezwecke zur Verfügung gestellt und damit ihren künstlerischen Wert relativiert, weil er entweder von den Produkten und der Art ihrer Bewerbung überzeugt oder auf beliebige Geldquellen angewiesen sei.
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4.2 Eine widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit begründet bei Verschulden die Ersatzpflicht für dadurch verursachten Schaden (vgl. Art. 28a Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 OR). Allerdings schliessen die spezialgesetzlichen Normen des URG im von ihnen erfassten Bereich die Ansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus (BGE 113 II 306 E. 4a S. 311; BGE 110 II 411 E. 3a; vgl. auch CHERPILLOD, Geltungsbereich, in: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, Basel 1995, S. 32; kritisch dazu LÉVY, a.a.O., S. 273). So regelt Art. 62 URG in Verbindung mit Art. 33 f. URG die Klagen und die Rechtszuständigkeit an Ansprüchen aus der unbefugten Verwendung von Leistungen, für die verwandte Schutzrechte bestehen, insoweit abschliessend, als vermögenswerte Ansprüche in Frage stehen. Soweit der Kläger 1 daher unter Berufung auf seine Persönlichkeitsverletzung in Lizenzanalogie bemessenen Schadenersatz für die Verwendung seiner künstlerischen Darbietung ![]() | 19 |
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Ob eine Persönlichkeitsverletzung hinreichend schwer wiegt, um die Zusprechung einer Geldsumme als Genugtuung zu rechtfertigen, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGE 125 III 412 E. 2a S. 417). Bei der Beurteilung der Frage, ob besondere Umstände eine Genugtuung rechtfertigen, steht dem Richter ein weites Ermessen zu (BGE 115 II 156 E. 1 mit Hinweis). Das Bundesgericht kann Ermessensentscheide im Berufungsverfahren frei überprüfen. Es übt dabei aber Zurückhaltung und greift nur ein, wenn das Sachgericht grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn es Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn es umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Ausserdem werden Ermessensentscheide aufgehoben, die sich als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382; BGE 126 III 209 E. 5b S. 217, je mit Hinweisen).
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