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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. gegen Y. AG (Berufung) |
4C.117/2003 vom 5. September 2003 | |
Regeste |
Urheberrechtsschutz für eine Fotografie (Art. 2 URG). | |
Sachverhalt | |
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Das beschriebene Foto wurde von X. unter Umständen, die zwischen den Parteien streitig sind, der Keystone Press AG übergeben und bei deren Niederlassung in London archiviert. Nachdem die Londoner Niederlassung von "The Hulton-Deutsch Collection" übernommen worden war, überliess diese das Foto der Y. AG mit Sitz im Kanton Zürich zur Herstellung von Postern.
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B. Im September 2000 erhob X. beim Obergericht des Kantons Zürich Klage gegen die Y. AG mit verschiedenen auf das Urheberrecht abgestützten Begehren.
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Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie erhob verschiedene rechtliche und tatsächliche Einwände sowie die Einrede der Verjährung. Mit Urteil vom 13. März 2003 wies das Obergericht die Klage ab. In der Urteilsbegründung erklärte es die Einrede der Verjährung für unbegründet und nahm zu den rechtlichen Einwänden der Beklagten insoweit Stellung, als es sich deren Auffassung anschloss, dass dem Foto des Klägers keine Werkqualität im Sinne von Art. 2 URG (SR 231.1) zukomme.
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C. Mit Berufung beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur Behandlung der gestellten Rechtsbegehren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Gemäss Art. 2 URG sind Werke geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben, wobei es auf deren Wert und Zweck nicht ankommt (Abs. 1). Zu diesen Werken gehören gemäss Gesetz insbesondere auch fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke (Abs. 2 ![]() | 7 |
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4.2 In der Lehre bildete das Aufkommen der modernen Kunst Anlass, die in der Rechtsprechung und in der damaligen schweizerischen Literatur verwendete Definition des urheberrechtlich geschützten Werkes in bestimmten Teilen in Frage zu stellen. Kritisiert wurde vor allem die Voraussetzung der "eigenartigen Schöpfung" ![]() | 9 |
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Demgegenüber wurde, ebenfalls unter Bezugnahme auf das Kriterium der statistischen Einmaligkeit, in einem St. Galler Entscheid die Werkqualität einer Porträtfotografie bejaht. Nach diesem Urteil ist die statistische Einmaligkeit bei einer Fotografie anhand der gestalterischen Elemente wie spezifische Beleuchtung, Kontraste, Tiefenschärfe, Motivwahl, Lichtführung, Wahl des Ausschnittes oder der Perspektive, Wahl oder Zusammenstellung einzelner abgebildeter Objekte oder Verhältnis zwischen Lichtkontrasten zu ![]() | 11 |
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4.5 Wesensmerkmal des urheberrechtlich geschützten Werkes ist neben dem individuellen Charakter das Vorliegen einer geistigen Schöpfung der Literatur oder Kunst. Als geistige Schöpfung muss das Werk auf menschlichem Willen beruhen; es muss Ausdruck ![]() ![]() | 13 |
Erwägung 5 | |
5.1 Wie bereits festgehalten wurde, ist die Vorinstanz zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger die an sich bestehenden fotografischen Gestaltungsmittel nicht in einmaliger Weise eingesetzt hat. Nach ihrer Auffassung ist für die Erzielung eines guten Ergebnisses nicht mehr als die Fertigkeit eines geübten Fotografen erforderlich gewesen. Damit hat die Vorinstanz indessen nur eine von mehreren nach der vorangehenden Erwägung gegebenen Möglichkeiten in Betracht gezogen, der Fotografie individuellen Charakter zu verleihen. Welche fototechnischen Mittel zur Gestaltung der Fotografie eingesetzt worden sind, kann nicht allein entscheidend sein. Massgebend ist das erzielte Ergebnis, das für sich selbst der Anforderung gerecht werden muss, Ausdruck einer Gedankenäusserung mit individuellem Charakter zu sein. Soweit in der Lehre die Gestaltungsmöglichkeiten anhand der fototechnischen Mittel exemplifiziert werden (oben E. 4.5), ist das nicht anders zu verstehen. Die Benutzung einer bestimmten Technik führt nicht automatisch zum Urheberrechtsschutz. Andererseits gilt aber auch, dass eine Fotografie nicht grundsätzlich vom Schutz ausgenommen werden darf, weil keine besonderen fototechnischen Mittel verwendet worden sind, wie am Beispiel des Schnappschusses bereits erörtert worden ist. Dass es dem Kläger als gewöhnlichem Zuschauer und Zuhörer des Konzertes von Bob Marley nicht möglich war, die fotografischen Aufnahmen mit diesem zu inszenieren, kann sich deshalb nicht zu Ungunsten des Klägers auswirken. Übertriebene Anforderungen stellt die Vorinstanz schliesslich auch, wenn ![]() | 14 |
5.2 In anderer Hinsicht ist dem Obergericht dagegen zuzustimmen. Es hält fest, dass die Fotografie von Bob Marley ansprechend und interessant sei, und bezeichnet als Grund dafür die besondere Mimik und Haltung des Abgebildeten, vor allem die fliegenden Rasta-Locken und ihre an eine Skulptur gemahnenden Formen, wobei ein besonderer Akzent durch den Schatten gesetzt werde, den eine horizontal fliegende Locke auf das Gesicht werfe. Damit hat das Obergericht selbst gerade die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet, welche der Fotografie des Klägers individuellen Charakter verleihen. Anzufügen ist noch, dass auch die Anordnung der einzelnen Bildkomponenten und der jeweilige Raum, den sie im Verhältnis zueinander ausfüllen, ebenso wie die Verteilung von Licht und Schatten zur individuellen Gestaltung der Fotografie beitragen. Dazu kommt schliesslich, dass auch die Schutzvoraussetzung des Wirkens eines menschlichen Gestaltungswillens erkennbar ist. Dieser manifestiert sich in der Wahl des Bildausschnittes und dem Zeitpunkt des Auslösens der Bildaufnahme während eines bestimmten Bewegungsablaufs des Sängers. Aus diesen Gründen ist die vom Kläger aufgenommene Fotografie als urheberrechtlich geschütztes Werk, als geistige Schöpfung der Kunst mit individuellem Charakter im Sinne von Art. 2 URG zu beurteilen. Das angefochtene Urteil, das zum gegenteiligen Ergebnis kam, ist aufzuheben.
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