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26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. AG (Berufung) |
4C.258/2003 vom 9. Januar 2004 |
Art. 321a Abs. 1, Art. 717 Abs. 1 und Art. 663e Abs. 1 OR; Treuepflicht von geschäftsleitenden Organen einer Aktiengesellschaft im Arbeitsverhältnis. |
Art. 337 OR; fristlose Entlassung eines Arbeitnehmers im Konzern. | |
Sachverhalt | |
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A. (Beklagter) trat am 1. September 1978 in die Dienste der Klägerin ein. Seit Juli 1992 hatte er die Stelle als Direktor und Bereichsleiter Handel inne. Im Jahre 1996 wurde er Geschäftsführer mit Kollektivunterschrift.
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Im Herbst 1994 gelangte die E. GmbH, Deutschland, an den Beklagten und offerierte Schnittholz. Der Beklagte vermittelte die C. Ltd., als Käuferin und die F. AG als Verkäuferin, da die E. GmbH gegen aussen nicht als Verkäuferin auftreten wollte. Die F. AG gehörte G., der Ehefrau des Beklagten. Die F. AG erzielte durch dieses Geschäft (sog. "F.-Geschäft") einen Gewinn von DM 10'730.85. Die C. Ltd. erlitt hingegen zufolge schlechter Marktentwicklung beim Weiterverkauf einen Verlust von FF 226'198.69. Am 7. Dezember 1995 veranlasste der Beklagte die Ausstellung einer Gutschrift zu Gunsten der C. Ltd. und zu Lasten der Klägerin.
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Nachdem die Organe der Klägerin diese Belastung entdeckt hatten, entliessen sie den Beklagten am 16. Januar 1998 fristlos.
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Am 20. August 2001 hiess das Kantonsgericht die Klage gut. Die Klägerin verpflichtete es in teilweiser Gutheissung der Widerklage zur Bezahlung von Fr. 1'183.85.
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Mit Urteil vom 15. Juli 2003 reduzierte das Obergericht des Kantons Zug den der Klägerin geschuldeten Betrag in teilweiser Gutheissung einer kantonalrechtlichen Berufung des Beklagten auf EUR 34'483.77 nebst Zins. Es entschied abweichend vom Kantonsgericht, der Beklagte habe seine Treuepflicht gegenüber der Klägerin nicht verletzt, indem er das Holzgeschäft mit der C. Ltd. über die Firma seiner Ehefrau abgewickelt habe, und wies die Schadenersatzklage insoweit ab. Hingegen sei in der Gutschrift, die er zu Lasten der Klägerin und zu Gunsten einer anderen Konzerngesellschaft vorgenommen habe, eine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten zu erblicken. Die Klägerin habe durch diese Gutschrift einen Schaden erlitten, den ihr der Beklagte zu erstatten habe. Die Vertragsverletzung wiege so schwer, dass die fristlose Entlassung gerechtfertigt gewesen sei.
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C. Der Beklagte beantragt mit eidgenössischer Berufung, das obergerichtliche Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage gutgeheissen und seine Widerklage abgewiesen wurde. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen und die Sache zur Beurteilung der Höhe der Widerklageforderung an das Obergericht zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung des Rechtsmittels und Bestätigung des angefochtenen Entscheids.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das schweizerische Arbeitsvertragsrecht unterscheidet nicht nach verschiedenen Arbeitnehmerkategorien (vgl. dazu ALEXANDRE BERENSTEIN/PASCAL MAHON, Labour Law in Switzerland, Bern 2001, Rz. 148 ff. und 153). Die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag gelten grundsätzlich für alle Hierarchiestufen eines Unternehmens gleichermassen. Entscheidend ist immer nur die Frage, ob jemand Arbeitnehmer ist oder ob sein vertragliches Verhältnis in anderer Weise qualifiziert werden muss. In der Lehre ist umstritten, ob ein leitendes Organ einer Aktiengesellschaft zu dieser in einem Arbeitsverhältnis stehen kann. Wohl die Mehrheit der Lehre nimmt in der Regel für Mitglieder oder Delegierte des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft einen mandatsähnlichen Vertrag an (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 42 zu Art. 319 OR; FORSTMOSER/MEIER-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 28 N. 10; VON BÜREN, Der Konzern, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/6, Basel 1997, S. 81). Soweit allerdings die Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, zieht die Lehre auch einen Arbeitsvertrag in Betracht (STAEHELIN, a.a.O., N. 42 zu Art. 319 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 52 zu Art. 319 OR). Diese unterschiedlichen Betrachtungen spiegeln sich in der bundesgerichtlichen Praxis wider (vgl. zum Ganzen BGE 128 III 129 E. 1a/aa, insbesondere mit Hinweisen auf BGE 90 II 483 E. 1; 75 II 149 E. 2a und 53 II 408 E. 3a [Auftrag oder Arbeitsvertrag] sowie auf BGE 125 III 78 E. 4 [mandatsähnliches Verhältnis sui generis]). Richtigerweise hat die Beurteilung des Rechtsverhältnisses aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls zu erfolgen (BGE 128 III 129 E. 1a/aa S. 132). Entscheidend ist dabei, ob die betroffene Person in dem Sinne in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, dass sie Weisungen empfängt. Ist dies zu bejahen, liegt ein arbeits- und gesellschaftsrechtliches Doppelverhältnis vor (BGE 128 III 129 E. 1a; BGE 121 I 259 E. 3a S. 262; BGE 107 II 430 E. 1 S. 432; BGE 95 I 21 E. 5b S. 25; Urteil 4C.402/1998 vom 14. Dezember 1999, E. 2a, Pra 89/2000 Nr. 50 S. 285 ff.; WERNLI, Basler Kommentar, N. 25 zu Art. 707 OR; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, Der Verwaltungsrat, 2. Aufl., Zürich 1999, S. 57). Zum einen handelt es sich um eine vom Gesellschaftsrecht beherrschte Organstellung, zum andern um eine vertragliche ![]() | 12 |
Das schuld- und gesellschaftsrechtliche Doppelverhältnis hat zur Folge, dass das in einem Anstellungsverhältnis stehende Organ sich sowohl an die Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR) wie auch an die organschaftliche Treuepflicht des Verwaltungsrats- oder Direktionsmitglieds nach Art. 717 OR halten muss (GEISER/UHLIG, a.a.O., S. 786). Steht eine Verletzung der Treuepflicht zur Diskussion, ist somit getrennt zu prüfen, ob die eine oder die andere verletzt ist. Dabei erweist sich in der Regel, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht weiter geht als die arbeitsvertragsrechtliche.
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2.2.1 Ebenfalls im Konzern besteht in aller Regel das Arbeitsverhältnis nur mit einer Gesellschaft (vgl. GEISER/UHLIG, a.a.O., S. 764 f. und 767 ff.; DALLČVES, Problèmes de droit privé relatifs à la coopération et à la concentration des entreprises, ZSR 92/1973 II S. 559 ff., 616; RETO SCHILTKNECHT, Arbeitnehmer als Verwaltungsräte abhängiger Konzerngesellschaften, Diss. Bern 1997, S. 30). Die Besonderheit des Konzerns besteht aber gerade darin, dass mehrere juristisch selbständige Gesellschaften unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst werden (Art. 663e Abs. 1 OR; VON BÜREN, a.a.O., S. 5). Von daher fragt es sich, ob die arbeitsvertragsrechtliche Treuepflicht bloss gegenüber jener Gesellschaft besteht, die vertraglich als Arbeitgeberin auftritt, oder gegenüber dem ganzen Konzern. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nur die Vertragspartnerin aus der Treuepflicht berechtigt ist (THOMAS GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers, Diss. Basel 1982, S. 77). ![]() | 15 |
Mit der vorliegend streitigen Handlung hat der Beklagte zwar zweifellos seine Arbeitgeberin geschädigt. Er hat diese Handlung indessen zu Gunsten einer anderen Konzerngesellschaft vorgenommen. Von daher ist in keiner Weise ersichtlich, inwiefern er das übergeordnete Konzerninteresse verletzt haben könnte. Werden die durch die Treuepflicht geschützten Interessen konzernweit definiert, fehlt es somit an der für eine Haftung notwendigen Vertragsverletzung. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben, weil der Beklagte jedenfalls als Organ der Gesellschaft haftet.
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Vorliegend ist die Klägerin durch die zu Gunsten der Konzernschwester erfolgte Gutschrift geschädigt worden. Ob sie einen Rückvergütungsanspruch gegenüber der Begünstigten hat, ist zweifelhaft. Der Beklagte hat insoweit offensichtlich und für ihn erkennbar nicht im Interesse jener Gesellschaft gehandelt, deren Organ er ist. Er hat insoweit seine Treupflicht gegenüber der Klägerin schuldhaft verletzt. Die Voraussetzungen seiner Haftung nach Art. 754 OR sind damit erfüllt.
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Nach dem Ausgeführten wäre der Beklagte als Organ der Klägerin von Gesetzes wegen verpflichtet gewesen, allein deren Interessen und nicht diejenigen anderer Konzerngesellschaften zu wahren, und die vom Beklagten vorgenommene Handlung ist unter grundsätzlicher Verletzung dieser Pflicht erfolgt.
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2.3 Im Quantitativen ist der Schaden nicht bestritten. Soweit der Beklagte geltend macht, die Konzernverbundenheit habe zur Folge, dass gar kein Schaden entstanden sei, übersieht er, dass - wie dargelegt - für die Organhaftung nur auf die Interessen der einzelnen Gesellschaft abgestellt werden darf und nicht auf jene des ganzen Konzerns. Entsprechend fragt sich auch nur, ob der einzelnen Gesellschaft ein Schaden entstanden ist oder nicht. Dass ![]() | 20 |
Die Berufung erweist sich somit als unbegründet, soweit der Beklagte sich gegen die Zusprechung von Schadenersatz wendet.
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Eine fristlose Entlassung ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags ![]() | 24 |
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Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass im vorliegenden Konzern Umbuchungen von einer Gesellschaft auf eine andere üblich waren. Aus dem Urteil geht aber auch nicht hervor, dass eine Weisung bestanden hätte, solche Buchungen zu unterlassen, oder gar der Beklagte wegen entsprechender Vorkommnisse verwarnt worden wäre. Auch soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte sei für solche Buchungen überhaupt nicht zuständig gewesen und habe diese dementsprechend vertuschen wollen oder dass er daraus einen persönlichen Vorteil gezogen habe, fehlt es an jeglichen entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz. Die Beweislast für den wichtigen Grund trägt aber die ihn geltend machende Arbeitgeberin (BGE 128 III 271 E. 2a/aa).
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3.3 Die Gutschrift als solche kann unter den vorinstanzlich festgestellten Umständen nicht als genügend schwerer Vorfall angesehen werden, um ohne vorgängige Abmahnung und ohne Wiederholung eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dem Beklagten steht somit der Lohn während der Kündigungsfrist (Art. 337c Abs. 1 und 2 OR) sowie eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR zu. Die Vorinstanz hat über die Höhe dieses Anspruchs nicht befunden und dazu keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, weil sie die fristlose Entlassung als gerechtfertigt betrachtete. Nachdem sich dies ![]() | 27 |
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