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33. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. B. & Co. gegen C. (Berufung) |
4C.198/2003 vom 13. November 2003 | |
Regeste |
Art. 39 Abs. 1 CISG; Anforderungen an den Inhalt einer Anzeige von Vertragswidrigkeiten; Beweislast bezüglich der Vertragskonformität der gelieferten Ware. |
Nach der Übernahme der Ware durch den Käufer hat er deren Vertragswidrigkeit nachzuweisen, soweit er daraus Rechte ableitet (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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"Wie im Schreiben vom 28.[recte: 26.]08.1996 sowie div. Telefongesprächen mit Ihnen wissen Sie, dass die gelieferte Maschine nicht brauchbar ist.
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Ihr Besuch am 29.08.1996 mit unserer Frau D. und gemäss telefonischer Informationen zwischen Ihnen und unserem Hr. D. hat ergeben, dass das Maschinen-Destillationssystem nicht funktioniert.
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Sie bestätigen, dass bei der Lieferung einiges vergessen wurde und Sie verpflichtet sind, dies zu vervollständigen.
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Gerne geben wir nochmals die defekten Mängel an.
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a. Der Destillationsregler (Schwimmkopf) ist defekt und die Folgen sind: Die Destillation schaltet nicht automatisch ab und zieht Luft ins System, [was] wiederum weitere Folgeschäden mit sich bringt.
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b. Der Nierosterbehälter für die Leichtsieder rinnt. (Die Folgen: Überschwemmung am Boden mit KWL.).
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c. Das Kondenswasser wird nicht abgetrennt.
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d. Die Reinigungsverstärkerpumpe wurde nicht angeschlossen und eingestellt.
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e. Die Imprägnierpumpe wurde nicht geliefert. (...)
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(...)
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Die Pumpe haben wir bis heute noch nicht erhalten.
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(...)
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Unsere Abklärung beim Rechtsdienst hat ergeben, dass wir sofort vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn diese Garantiearbeiten nicht innert 10 Tagen erledigt werden.
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Von diesem Recht werden wir Gebrauch machen, sollte es nicht anders lösbar sein. Die ganze Rechnung verrechnen wir zurück, da die gelieferten Maschinenkomponenten nicht funktionieren.
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(...)
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Wir geben ihnen 10 Tage Zeit, sämtliche Missstände zu beheben, ansonsten wir gezwungen wären, rechtliche Schritte einzuleiten."
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Am 6. September 1996 trat die Verkäuferin ihre Kaufpreisforderung an C. mit Wohnsitz in Deutschland ab. Am 9. September 1996 wurde über die Verkäuferin der Konkurs eröffnet.
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In ihrem Schreiben vom 18. September 1996 teilte die Käuferin der Verkäuferin sinngemäss mit, sie mache auf Grund der unterlassenen Reparatur der Maschine eine Schadenersatzforderung in der Höhe von DEM 59'600.- geltend, welche innert 30 Tagen zu ![]() | 19 |
C. verlangte mit Schreiben vom 27. September 1996 von der Käuferin die Begleichung der an ihn abgetretenen Kaufpreisforderung bis zum 4. Oktober 1996.
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Am 16. April 1998 klagte C. beim Amtsgericht Luzern-Land gegen Herrn D. auf Bezahlung des Kaufpreises. Die Klage wurde am 21. Januar 1999 wegen fehlender Passivlegitimation des Beklagten kostenfällig abgewiesen.
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B. Am 2. August 1999 erhob C. beim Amtsgericht Luzern-Stadt Klage gegen die Käuferin auf Zahlung des Kaufpreises von DEM 55'600.- zuzüglich Verzugszins zu 4 % seit dem 30. Juli 1996. Zudem machte der Kläger eine Schadenersatzforderung in der Höhe von Fr. 12'902.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 21. Januar 1999 geltend. Die Käuferin schloss auf Abweisung der Klage, wobei sie insbesondere geltend machte, sie sei auf Grund der Mangelhaftigkeit der gelieferten Maschine vom Kaufvertrag zurückgetreten.
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Die Beklagte wurde auf den 31. Dezember 2000 liquidiert und im Handelsregister gelöscht. Die Löschung wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt am 25. April 2001 publiziert.
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Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 6. April 2001 ab. Dagegen appellierte der Kläger beim Obergericht des Kantons Luzern. Dieses nahm an, die Beklagte könne auf Grund der gegen sie erhobenen Forderung nicht als liquidiert gelten, weshalb sie unabhängig von ihrer Löschung im Handelsregister weiterbestehe und damit auch parteifähig sei. Mit Verfügung vom 30. November 2001 gab das Obergericht eine Expertise zur Abklärung der Mängel der gelieferten Maschine in Auftrag, welche dem Gericht am 27. August 2002 eingereicht wurde. Am 12. Mai 2003 hob das Obergericht das Urteil des Amtsgerichts auf, hiess die Klage im Umfang von DEM 55'600.- nebst 4 % Zins seit 14. April 1999 gut und wies die Schadenersatzforderung ab.
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C. Die Beklagte erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts vom 12. Mai 2003 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zudem sei der Kläger anzuweisen, die gelieferte Maschine bei der Beklagten abzuholen. Eventuell sei der ![]() | 25 |
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
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4.3 Das UN-Kaufrecht wurde auf Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Chinesisch verfasst. Es wurde u.a. ins Deutsche übersetzt. Bei Unklarheiten über den Wortlaut ist auf die Originaltexte abzustellen, wobei der englischen und sekundär der französischen Fassung eine erhöhte Bedeutung zukommt, da Englisch und Französisch die offiziellen Konferenzsprachen waren und die Verhandlungen hauptsächlich auf Englisch geführt wurden (WITZ, in: International Einheitliches Kaufrecht, Praktiker-Kommentar und Vertragsgestaltung zum CISG von Witz/Salger/Lorenz, ![]() ![]() | 30 |
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Erwägung 5 | |
5.1 Alsdann führte das Obergericht aus, das eingeholte Gutachten ergebe zusammengefasst, dass mit Ausnahme der fehlenden Imprägnierpumpe bezüglich der im Schreiben vom 5. September 1996 gerügten Mängel weder für das Bestehen noch für deren Nichtbestehen ein Beweis vorliege. Da diese Mängel innerhalb der Frist von Art. 39 CISG gerügt worden seien, müsse grundsätzlich der Verkäufer beweisen, dass diese Vertragswidrigkeiten im massgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht bestanden. Im vorliegenden Fall habe ![]() | 32 |
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5.3 Die Verteilung der Beweislast gehört gemäss der herrschenden Lehre zu den im UN-Kaufrecht geregelten Gegenständen (SIEHR, in: Honsell [Hrsg.], Kommentar zum UN-Kaufrecht, N. 10 zu Art. 4 CISG; MAGNUS, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Wiener UN-Kaufrecht [CISG], 13. Bearbeitung, N. 63 zu Art. 4 CISG; FERRARI, a.a.O., N. 49 zu Art. 4 CISG, mit weiteren Hinweisen). Fehlt im UN-Kaufrecht eine ausdrückliche Beweislastregel, so ist diese Lücke nach den allgemeinen Grundsätzen zu schliessen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen (Art. 7 Abs. 2 CISG; SCHNYDER/STRAUB, in: Honsell [Hrsg.], Kommentar zum UN-Kaufrecht, N. 68 zu Art. 45 CISG). Als solcher Grundsatz ist anerkannt, dass in der Regel jede Partei für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Norm beweispflichtig ist (MAGNUS, a.a.O., N. 67 zu Art. 4 CISG; FERRARI, a.a.O., N. 52 zu Art. 4 CISG; ACHILLES, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen [CISG], N. 15 zu Art. 4 CISG; WITZ, a.a.O., N. 93 zu Art. 7 CISG). Weiter hat die Partei, welche sich auf eine Ausnahmeregel beruft, grundsätzlich deren tatsächliche Voraussetzungen zu beweisen (MAGNUS, a.a.O., N. 68 zu Art. 4 CISG; FERRARI, a.a.O., N. 50 zu Art. 4 CISG, mit weiteren Hinweisen; vgl. auch SCHNYDER/STRAUB, a.a.O., N. 68 zu Art. 45 CISG, welche insoweit zwischen Grund- und Gegentatbestand unterscheiden). Schliesslich wird als Grundsatz anerkannt, dass Tatsachen aus einem Bereich, welcher einer Partei deutlich besser bekannt ist als der anderen, diejenige Partei nachweisen muss, welche die Herrschaft über ![]() | 34 |
Nach dem Prinzip, dass die Partei die Voraussetzungen einer für sie günstigen Norm nachweisen muss, hat der Verkäufer, der den Kaufpreis verlangt, die vertragskonforme Lieferung zu beweisen und der Käufer, der aus der Vertragswidrigkeit der Ware Gegenansprüche (z.B. auf Rücktritt vom Vertrag oder auf Minderung) ableitet, die Vertragswidrigkeit nachzuweisen. Damit sind nach dem genannten Grundsatz beide Parteien bezüglich der Vertragskonformität beweispflichtig, soweit sie aus deren Vorliegen bzw. Fehlen Rechte ableiten. Da insoweit keine Ausnahmeregel vorliegt, ist die Abgrenzung der Beweislast bezüglich der Vertragswidrigkeit der Ware unter Berücksichtigung der Beweisnähe zu bestimmen. Diesem Prinzip folgend ist auf den Übergang der Ware in den Herrschaftsbereich des Käufers abzustellen. Dem entspricht, dass nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) der Käufer nach der rügelosen Abnahme der Ware deren Vertragswidrigkeit zu beweisen hat, wobei unter der Abnahme gemäss Art. 60 lit. d CISG die körperliche Übernahme der Ware verstanden wird (Urteil des BGH vom 8. März 1995, BGHZ 129 S. 75 ff., 81, CISG-online Nr. 144, E. 1b/aa; vgl. auch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juni 1991, NJW 1991 S. 3102, CISG-online Nr. 23; im Ergebnis ebenso: Urteil der Cour d'Appel, Mons [Belgien] vom 8. März 2001 [R.G.1999/242]; zustimmend: ACHILLES, a.a.O., N. 15 zu Art. 4 CISG; FERRARI, a.a.O., N. 52 zu Art. 4 CISG; BURGHARD PILTZ, Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht, NJW 2003 S. 2056 ff., 2061; im Ergebnis ebenso: SCHNYDER/ STRAUB, a.a.O., N. 58 zu Art. 50 CISG; BIANCA, in: Commentary on the International Sales Law, the 1980 Vienna Sales Convention, Bianca/Bonell [Hrsg.], N. 3.1 zu Art. 36 CISG). Demgegenüber wird auch die Auffassung vertreten, eine rügelose Abnahme sei erst nach unbenutztem Ablauf der Frist zur Untersuchung der Ware und Anzeige von Vertragswidrigkeiten anzunehmen. Würden während dieser Frist Mängel angezeigt, so habe der Verkäufer deren Nichtbestehen im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs zu beweisen (HUBER, in: Schlechtriem [Hrsg.], Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, ![]() | 35 |
5.4 Aus dem Gesagten folgt, dass die Beklagte, welche die gelieferte Maschine übernommen und in Besitz genommen hat, deren Vertragswidrigkeit beweisen muss, soweit sie daraus das Recht auf Vertragsrücktritt oder Minderung ableitet. Das Obergericht hat daher im Ergebnis die Beweislast bundesrechtskonform verteilt. Unbedeutend ist jedoch, dass die Maschine von der Beklagten demontiert wurde, da diese damit ihre eigene Beweisführung und nicht diejenige des Klägers erschwerte (vgl. Urteil des BGH vom 25. Juni 1997, NJW 1997 S. 3311 ff., CISG-online Nr. 277, E. 2). Unerheblich ist auch, ob die Verkäuferin Schaltpläne geliefert hat, da die Beklagte das Fehlen solcher Pläne nicht rechtzeitig gerügt hat und sie deshalb daraus auch in beweisrechtlicher Hinsicht keine Rechte ableiten kann.
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