BGE 130 III 393 | |||
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49. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. und Mitb. (Berufung) |
5C.189/2003 vom 3. Mai 2004 | |
Regeste |
Löschung einer Dienstbarkeit (Art. 736 Abs. 1 ZGB). | |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 5 | |
5.1 Gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB kann der Belastete die Löschung einer Dienstbarkeit verlangen, wenn sie für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat. Fehlendes Interesse im Zeitpunkt des Einreichens des Aufhebungsbegehrens führt indessen nicht in jedem Fall zur Löschung der Dienstbarkeit, ist doch zu beachten, dass das Interesse durch eine Veränderung der Gegebenheiten wieder aufleben kann (vgl. BGE 81 II 189 E. 2 S. 194). Allerdings müssen mit einer gewissen Intensität Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung vorhanden sein. So hält PETER LIVER (Zürcher Kommentar, N. 65 zu Art. 736 ZGB) dafür, dass eine Möglichkeit künftiger Veränderung der Verhältnisse, für die nicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit bestehe, das erforderliche Interesse an der Dienstbarkeit nicht zu begründen vermöge und deshalb nicht zu berücksichtigen sei. Nach PAUL PIOTET (Dienstbarkeiten und Grundlasten, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 578) fällt eine Löschung gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB dann ausser Betracht, wenn eine einigermassen wahrscheinliche Möglichkeit besteht, dass die Servitut ihre Nützlichkeit in nicht allzu ferner Zukunft wieder erlangt. Ähnlich äussert sich PAUL-HENRI STEINAUER (Les droits réels, Bd. II, 3. Aufl., Rz. 2268), der erklärt, die Dienstbarkeit müsse eingetragen bleiben, falls das Interesse an ihr in einer voraussehbaren Zukunft ("dans un avenir prévisible") wieder aufleben könne. Alle diese Autoren lassen für das Aufrechterhalten des Eintrags einer Dienstbarkeit rein theoretische Möglichkeiten einer künftigen Veränderung der Verhältnisse somit nicht genügen.
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Ebenso geht aus verschiedenen Urteilen des Bundesgerichts hervor, dass für die Verweigerung der Löschung das blosse Nicht-Ausgeschlossensein eines künftigen Wiederauflebens des Interesses an der Dienstbarkeit nicht ausreicht: In BGE 81 II 189 ff. war es um ein nicht mehr ausgeübtes Wegrecht gegangen, bei dem die Möglichkeit eines Wiederauflebens des Interesses für den Berechtigten mit dem Hinweis auf den Bau einer immerhin im kommunalen Nutzungsplan vorgesehenen neuen Strasse bejaht worden ist (E. 2 S. 194 f.). Dem Urteil 5C.21/1993 vom 24. September 1993 hatte ein Wegrecht zu Grunde gelegen, das wegen baulicher Veränderungen und der Möglichkeit der Benützung einer provisorischen Zufahrt über eine Weiheraufschüttung zur fraglichen Zeit nicht ausgeübt worden war. Unter Hinweis auf den Umstand, dass für die Aufschüttung noch keine Baubewilligung vorliege und die Verhältnisse in dieser Hinsicht somit unklar seien, hielt das Bundesgericht mit der kantonalen Instanz dafür, es könne von einem für die Löschung erforderlichen Verlust jeden Interesses am Fortbestand der Grunddienstbarkeit nicht gesprochen werden. Umgekehrt hat das Bundesgericht mit dem in BGE 89 II 370 ff. veröffentlichten Urteil eine Klage auf Löschung eines Wasserfassungsrechts zum Betrieb einer Mühle geschützt mit der Begründung, angesichts der gegebenen Verhältnisse - Absinken des Wasserspiegels als Folge einer Gewässerkorrektur - sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den allgemeinen Erfahrungen anzunehmen, dass in voraussehbarer Zukunft der in Frage stehende (vom Wasser der Maggia ge spiesene) Kanal seine Funktionstüchtigkeit nicht wieder werde erlangen und die Dienstbarkeit somit nicht wieder werde ausgeübt werden können (E. 3 S. 383).
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5.3 Die Auffassung des Obergerichts steht mit der Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, nicht in Einklang. Wie oben dargelegt, geht es nicht an, die Löschung einer Dienstbarkeit mit der blossen Begründung zu verweigern, eine Veränderung der die Ausübung der Dienstbarkeit verunmöglichenden Verhältnisse sei nicht völlig ausgeschlossen. Die Vorinstanz durfte demnach insbesondere die Frage der derzeitigen Überbaubarkeit des klägerischen Grundstücks Nr. 2 nicht ungeprüft lassen. In diesem Punkt ist der angefochtene Entscheid deshalb aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Dieses wird im Lichte des in E. 5.1 Ausgeführten abzuklären haben, ob hinreichend konkrete Anhaltspunkte die Annahme erlaubten, die massgebenden Umstände könnten sich mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit verändern und das Interesse des Klägers am strittigen Wegrecht könnte dadurch wieder aufleben. Die Vorinstanz wird alsdann (...) über die Anträge der Parteien neu zu entscheiden haben. Ob und inwiefern neue Vorbringen und Beweismittel der Parteien, insbesondere etwa der (Eventual-)Antrag der Beklagten, einen Amtsbericht zur Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks Nr. 2 einzuholen, zulässig sein werden, beurteilt sich nach dem kantonalen Prozessrecht (vgl. Art. 66 Abs. 1 OG; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 1.2 zu Art. 66 OG, S. 594).
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