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67. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurs-kammer i.S. Billag AG, Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren gegen Aufsichtsbehörde in Betreibungs-und Konkurs- sachen für den Kanton Bern (Beschwerde) |
7B.76/2004 vom 29. Juni 2004 | |
Regeste |
Art. 81 Abs. 1 und 2 SchKG; Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG; Fortsetzung der Betreibung aufgrund eines ausserkantonalen Anerkennungsentscheids. | |
Sachverhalt | |
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A.a Am 13. Oktober 2003 verfügte die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren (Billag AG) gemäss Art. 55 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) in Verbindung mit Art. 48 der Radio- und Fernsehverordnung vom 6. Oktober 1997 (RTVV; SR 784.401), dass Z. für ausstehende Empfangsgebühren einen Betrag von Fr. 60.- schulde, und dass der Rechtsvorschlag in der gegen ihn laufenden Betreibung Nr. x des Betreibungs- und Konkursamtes Berner Oberland, Dienststelle Thun, aufgehoben werde. Gestützt auf die rechtskräftige Verfügung verlangte die Billag AG am 6. Januar 2004 bei der Dienststelle Thun die Fortsetzung der Betreibung. In der Folge setzte die Dienststelle Thun dem Schuldner am 21. Januar 2004 gestützt auf Art. 79 Abs. 2 SchKG eine Frist von 10 Tagen, um Einwendungen im Sinne von Art. 81 Abs. 2 SchKG zu erheben. Davon machte der Schuldner fristgerecht Gebrauch, worauf die Dienststelle Thun am 3. März 2004 das Fortsetzungsbegehren abwies.
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A.b Dagegen reichte die Billag AG am 12. März 2004 bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton ![]() | 3 |
B. Die Billag AG hat mit Eingabe vom 28. April 2004 die Sache an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Sie beantragt, der Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 13. April 2004 sei aufzuheben und diese bzw. das Betreibungsamt Berner Oberland, Dienststelle Thun, seien anzuweisen, die Betreibung Nr. x fortzusetzen.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Die Aufsichtsbehörde fährt fort, die Billag AG sei eine Swisscom-Tochtergesellschaft mit Sitz in Freiburg, welche als Aktiengesellschaft des privaten Rechts konstituiert sei. Sie biete so genannte Billing-Dienstleistungen (Rechnungsstellung, Inkasso und Datenbankverwaltung) an, wobei der Bund ihr grösster Auftraggeber sei. Das Know-how der Billag AG stehe aber auch privaten Unternehmen zur Verfügung (vgl. den Internetauftritt unter www.swisscom.com). ![]() | 6 |
Erwägung 1.2 | |
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1.2.2 Auch JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN führen als Bundesbehörden im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG die gleichen an wie diejenigen im angefochtenen Entscheid (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., Bd. I, S. 354); GILLIÉRON führt die Bundesbehörden nicht einzeln auf (Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, articles 1-88, N. 45 zu Art. 80 SchKG). Es fällt auf, dass die in den Kommentaren STAEHELIN (a.a.O.) und JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN (a.a.O.) wiedergegebenen Bundesbehörden sich mit den in Art. 1 Abs. 2 lit. a-d VwVG genannten Bundesbehörden decken; dazu kommen das Schweizerische Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht. Nicht berücksichtigt werden von diesen Autoren die anderen Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen (Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG). Eine ![]() | 8 |
Es ist vorliegend nicht bestritten, dass der Beschwerdeführerin eine öffentlichrechtliche Aufgabe des Bundes übertragen worden ist. Sie hat sich bereits in der BGE 128 III 39 E. 3b S. 42 zu Grunde liegenden Beschwerde darauf berufen, sie sei eine Verwaltungsbehörde im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG; dies war jedoch nicht zu entscheiden. Das Bundesgericht hat jedoch befunden, der Bundesrat habe die im RTVG enthaltene Gesetzesdelegation nicht überschritten, wenn er der schweizerischen Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren die Befugnis zum Erlass von Verfügungen zur Erhebung von Empfangsgebühren übertragen habe (E. 3 und 4).
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1.2.3 Gemäss Art. 79 SchKG setzt das Betreibungsamt im Falle eines rechtskräftigen Anerkennungsentscheides, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich beseitigt (Abs. 1) und der in einem anderen Kanton ergangen ist, dem Schuldner nach Eingang des Fortsetzungsbegehens eine Frist von 10 Tagen an, innert der er gegen den Entscheid die Einreden nach Art. 81 Abs. 2 SchKG erheben kann (Abs. 2). Eine Krankenkasse - als juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vom Eidg. Departement des Innern als Versicherer zugelassen (Art. 12 f. KVG [SR 832.10]) - ist keine Bundesbehörde, auch wenn sie gestützt auf Bundesrecht entscheidet und das Bundesrecht die entsprechende Verfügung als vollstreckbar erklärt (BGE 128 III 246 E. 2 S. 247/248). Die Rechtsprechung ging dabei - ohne dies näher zu begründen - davon aus, dass Krankenkassen und deren Verfügungen gleich wie die Rechtsmittelentscheide der kantonalen Verwaltungs- und Versicherungsgerichte den Kantonen zugehörten und erst das Urteil des eidgenössischen Versicherungsgerichts von einer Behörde des Bundes stamme (so ausdrücklich BGE 119 V 329 E. 5b S. 334). Die Rechtsprechung hat also bei der Anwendung von Art. 81 SchKG die Unterscheidung getroffen, ob der Rechtsmittelweg im Kanton oder ![]() | 10 |
Die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren ist zuständig, eine erstinstanzliche Verfügung zu erlassen (Art. 48 Abs. 2 lit. c RTVV). Bei der Ausübung dieser Funktion verfügt die Beschwerdeführerin - ähnlich einer Abteilung der Bundesverwaltung - in Anwendung des VwVG erstinstanzlich für das ganze Gebiet der Schweiz. Diese Verfügung kann beim BAKOM angefochten werden (Art. 50 Abs. 3 RTVV). Letztinstanzlich ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zulässig (BGE 128 III 39 E. 4b S. 44). Die Beschwerdeführerin ist somit vollumfänglich in das Verwaltungsverfahren des Bundes eingebettet und damit eine Bundesbehörde im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG. Das hat zur Folge, dass dem Schuldner die Einwendungen gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG versagt bleiben.
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