BGE 131 III 33 | |||
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4. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A.C. und B.C. gegen D. und E. (Berufung) |
4C.248/2004 vom 14. September 2004 | |
Regeste |
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR; Kündigungsschutz während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. | |
Sachverhalt | |
D. und E. (Beklagte) wohnen seit dem Juni 2002 als Mieter in dem ihnen von A.C. und B.C. (Kläger) vermieteten 8-Zimmer-Einfamilienhaus in X. Der Mietzins beträgt Fr. 2'500.- pro Monat. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit amtlichem Formular vom 28. August 2002 ausserordentlich auf den 30. November 2002 unter Berufung auf wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g Abs. 1 OR. Mit Eingabe vom 11. September 2002 beantragten die Beklagten hierauf der Schlichtungsbehörde die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, eventuell deren Ungültigerklärung.
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Mit amtlichem Formular vom 5. November 2002 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ordentlich auf den 31. März 2003. Auch diese Kündigung fochten die Beklagten bei der Schlichtungsbehörde an. Diese stellte mit Beschluss vom 16. Dezember 2002 die Ungültigkeit der beiden Kündigungen fest, weil die Voraussetzungen von Art. 266g Abs. 1 OR nicht erfüllt seien. Das hierauf von den Klägern angerufene Mietgericht des Bezirks Meilen schrieb in seinem Urteil vom 21. November 2003 das Verfahren betreffend die beantragte Feststellung der Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung vom 28. August 2002 und betreffend Feststellung der einseitigen Unverbindlichkeit des Mietvertrages als durch Rückzug erledigt ab. Sodann stellte es die Gültigkeit der ordentlichen Kündigung vom 5. November 2002 fest und erstreckte das Mietverhältnis bis 30. September 2004. Das Mietgericht kam zum Schluss, dass das von den Beklagten eingeleitete Schlichtungsverfahren an sich geeignet sei, eine Sperrfrist im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR auszulösen. Es hielt die Kündigung vom 5. November 2002 aber dennoch für gültig, weil es die Berufung der Beklagten auf die Sperrfrist als rechtsmissbräuchlich betrachtete.
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Die Beklagten zogen das Urteil des Bezirksgerichts an das Obergericht des Kantons Zürich weiter, das mit Beschluss vom 10. Mai 2004 in Gutheissung der Berufung die Ungültigkeit der ordentlichen Kündigung vom 5. November 2002 auf den 31. März 2003 feststellte. Das Obergericht teilte die Ansicht des Bezirksgerichts, wonach das Schlichtungsverfahren eine Sperrfrist ausgelöst habe, hielt jedoch im Gegensatz zum Bezirksgericht die Berufung der Beklagten auf diese Sperrfrist nicht für rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB.
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Die Kläger führen eidgenössische Berufung mit dem Antrag, die ordentliche Kündigung der Kläger vom 5. November 2002 auf den 31. März 2003 als gültig zu erklären und das Mietverhältnis endgültig bis zum 30. September 2004 zu erstrecken.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Die Kläger kritisieren mit der Berufung die Auslegung von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR durch die Vorinstanz. Sie bringen vor, die Vorinstanz habe sich ausschliesslich auf den Gesetzeswortlaut abgestützt und sei auf diese Weise zu einem sinn- und zweckwidrigen, vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis gelangt. Sie schildern die Entstehungsgeschichte der Norm und legen dar, dass diese ursprünglich als "Flankenschutz des Mieters vor einer unfairen und zweckfremden Kündigung in einem Verfahren betreffend Mietzinsanfechtung" gedacht gewesen sei, weshalb Art. 24 BMM (BB vom 30. Juni 1972 über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen; AS 1972 II 1502), die Vorläuferbestimmung des Art. 271a Abs. 1 lit. d OR, die Nichtigkeit der Vermieterkündigung während der Dauer des Schlichtungs- und des gerichtlichen Verfahrens vorgesehen habe. Auch wenn in Art. 271a Abs. 1 OR nur noch davon die Rede sei, unter bestimmten Voraussetzungen sei eine Kündigung anfechtbar, sei damit lediglich die missbräuchliche Kündigung gemeint und keine Ausdehnung der Vermieterkündigung auf nicht missbräuchliche Vermieterkündigungen beabsichtigt gewesen, wie denn auch sämtliche anfechtbaren Vermieterkündigungen nach Art. 271 und 271a OR vom Gesetzgeber als missbräuchlich identifiziert seien. Der Wortlaut von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ("mit dem Mietverhältnis zusammenhängend") sei somit nicht derart eindeutig, dass er nicht historischer, geltungszeitlicher und teleologischer Auslegung bedürfte, was die Vorinstanz verkannt habe.
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2. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.). Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen (BGE 102 II 401 E. 3a S. 405).
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Erwägung 3 | |
3.1 Nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ist eine durch den Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar, wenn sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Lehre gilt dieser Anfechtungsgrund für alle Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, selbst Schiedsgerichtsverfahren, sofern sie mit der Mietsache zusammenhängen (Urteil 4C.39/1995 vom 28. Dezember 1995, E. 4b mit Hinweisen; SVIT-Kommentar Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 1998, N. 29 zu Art. 271a OR; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 236-245 zu Art. 271a OR). Ausgenommen sind bloss die in Art. 271a Abs. 3 OR ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Dass die wegen des zeitlichen Kündigungsschutzes als missbräuchlich vermutete Kündigung auch tatsächlich missbräuchlich zu sein hat, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Wenn die Vorinstanz diesen insoweit als klar erachtete, ist ihr ohne Weiteres beizupflichten.
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3.4 Dieses Ergebnis wird durch die Systematik des Gesetzes untermauert. Der Gesetzgeber listet in Art. 271a Abs. 1 und 2 OR jene Fälle auf, in denen die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu vermuten ist. Alsdann zählt er in Art. 271a Abs. 3 OR jene Fälle abschliessend auf, bei deren Vorliegen die gesetzlichen Vermutungen des zeitlichen Kündigungsschutzes widerlegt werden (LACHAT, Commentaire Romand, N. 1 zu Art. 271a OR; HIGI, a.a.O., N. 184 zu Art. 271a OR). Ob dabei statt von Gründen für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung gestützt auf den Gesetzeswortlaut ("nicht anwendbar") von Ausnahmen gesprochen wird, die den zeitlichen Kündigungsschutz einschränken, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang (vgl. die diesbezügliche Kritik bei HIGI, a.a.O., N. 183 zu Art. 271a OR). Wesentlich ist, dass das Gesetz abschliessend aufzählt, unter welchen Bedingungen die Folgen der nach Art. 271a Abs. 1 lit. d oder e OR vermutungsweise missbräuchlichen Vermieterkündigung nicht einzutreten haben. Es sind dies dringender Eigenbedarf des Vermieters (lit. a), Zahlungsrückstand des Mieters (lit. b), schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (lit. c), Veräusserung der Sache (lit. d), wichtige Gründe (lit. e) oder Konkurs des Mieters (lit. f). Damit ist den berechtigten Interessen der Vermieterschaft hinreichend Rechnung getragen. Für eine weitere Beschränkung des zeitlichen Kündigungsschutzes entgegen dem Gesetzeswortlaut bleibt kein Raum. Dass eine wortgetreue Auslegung des Gesetzes zu einem stossenden Ergebnis führen würde und deshalb eine unechte Gesetzeslücke vorliegt, wie sie die Kläger festgestellt haben wollen, trifft nicht zu (vgl. dazu DÜRR, Zürcher Kommentar, N. 95 zu Art. 1 ZGB).
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3.6 An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der Kläger, die zweite Kündigung stelle einen Teilrückzug der ersten dar, nichts zu ändern. Die ursprüngliche Kündigung als Gestaltungsrecht hat entweder unmittelbar zur Auflösung des Mietvertrages geführt oder sie blieb wirkungslos. Die zweite Kündigung strebt eine neue, anders geartete Gestaltung der Rechtslage an, nämlich die Beendigung des Mietvertrages auf ein späteres Datum. Ihre Zulässigkeit ist nach den im Zeitpunkt ihrer Vornahme herrschenden Umständen zu prüfen. Stehen ihr rechtliche Hindernisse - etwa ein Verbot wegen eines hängigen Verfahrens über die Gültigkeit der ersten Kündigung - entgegen, ist dem nicht durch Umdeutung in einen "Teilrückzug" beizukommen. Damit würde genau das erreicht, wovor der Gesetzgeber die Mieterschaft mit dem zeitlichen Kündigungsverbot bewahren wollte, nämlich die Beendigung des Vertragsverhältnisses bzw. des Verfahrens betreffend die Anfechtung der (ersten) Kündigung (SVIT-Kommentar, N. 27 zu Art. 271a OR). Schon aus diesem Grunde kann dem klägerischen Konzept eines Teilrückzuges der Kündigung kein Erfolg beschieden sein, abgesehen davon, dass es sich mit der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungsrecht wie dargelegt nicht vereinbaren liesse. Die Vorinstanz ist daher zu Recht der in der Lehre vertretenen Gegenmeinung nicht gefolgt (vgl. dazu SVIT-Kommentar, N. 31 zu Art. 271a OR mit Hinweis; ZIHLMANN, a.a.O., S. 220 N. 5.7).
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3.7 Die Kläger betonen auch im Berufungsverfahren vor Bundesgericht, dass sie die ordentliche Kündigung, deren Gültigkeit sie beanspruchen, aus den gleichen Gründen wie die erste (ausserordentliche) ausgesprochen haben. Sie berufen sich somit auf keinen der in Art. 271a Abs. 3 OR aufgeführten Gründe, mit denen sie die Missbrauchsvermutung zu Fall bringen könnten. Damit hat es insoweit bei der Ungültigkeit der (ordentlichen) Kündigung sein Bewenden.
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