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9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. AG gegen B. AG (Berufung) |
4C.207/2004 vom 8. Oktober 2004 | |
Regeste |
Unterlassungsbegehren in Patentstreitigkeiten; Voraussetzungen einer hinreichend bestimmten Formulierung des Verletzungsgegenstandes. |
Der Verletzungsprozess dient nicht einer allgemeinen Definition des Schutzbereichs des Patents, sondern hat eine oder mehrere konkrete Verletzungen zum Gegenstand (E. 3.5). |
Zu umfassend formulierte Begehren auf Unterlassung können nur insoweit auf das zulässige Mass eingeschränkt werden, als sie hinreichend klar formuliert sind (E. 3.6). | |
Sachverhalt | |
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Mit Urteil vom 5. November 2003 trat das Kantonsgericht Nidwalden, Grosse Kammer II, auf die Klage nicht ein. Zur Begründung führte das Gericht aus, das klägerische Rechtsbegehren auf Unterlassung sei mangels ausreichender Umschreibung des Verletzungsgegenstandes unzulässig. Ausserdem kam das Gericht zum Schluss, auf die Klage sei auch wegen doppelter Rechtshängigkeit nicht einzutreten.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Es sei der Beklagten unter Androhung der Straffolgen von Art. 292 StGB zu verbieten,
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Sammelhefter, namentlich die mit den Bezeichnungen X., Y. und Z. gekennzeichneten Sammelhefter, in der Schweiz herzustellen, in der Schweiz oder von der Schweiz aus feilzuhalten, zu verkaufen oder in Verkehr zu bringen und/oder an solchen Handlungen in irgendeiner Form mitzuwirken,
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wobei diese Sammelhefter die nachstehenden Merkmale aufweisen
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mehrere Anlegestationen, die im Maschinentakt angetrieben sind
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die Anlegestationen sind an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf abgelegten Druckbogen angeordnet
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die Sammelstrecke ist längs der Auflage mit Mitnehmern versehen, welche die Druckbogen zum Heftapparat führen
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parallel zur Sammelstrecke sind weitere Sammelstrecken mit Mitnehmern vorhanden, wobei alle Sammelstrecken achssymmetrisch und drehbar um eine Achse angeordnet sind
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mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen jeweils eine der sich nacheinander folgenden Sammelstrecken mit Druckbogen."
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"Sammelhefter mit Anlegestation, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf abgelegten Druckbogen angeordnet sind, welche Sammelstrecke ![]() | 16 |
Der abgeleitete Anspruch 3 umschreibt einen Sammelhefter nach Anspruch 1 als
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"dadurch gekennzeichnet, dass die Sammelstrecken achssymmetrisch und drehbar um eine Achse angeordnet sind".
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Die Klägerin bringt vor, von einer blossen Wiedergabe von Patentanspruch 1 könne keine Rede sein; ihr Unterlassungsbegehren enthalte - nebst dem abweichenden Wortlaut - im Vergleich zu Patentanspruch 1 insbesondere Typenbezeichnungen und eine zusätzliche Umschreibung der kennzeichnenden Merkmale "Sammelstrecke mit Mitnehmern" (entsprechend Patentanspruch 3 "achssymmetrisch und drehbar um eine Achse) sowie "mit jedem Maschinentakt ... nacheinander" (präzisierend "jeweils eine der sich nacheinander folgenden Sammelstrecken"). Die Klägerin hält dafür, sie habe bei der Formulierung ihres Begehrens eine Kombination von konkreter und abstrakter Umschreibung des Verletzungsgegenstandes gewählt und sei damit bewährter Lehre und Rechtsprechung gefolgt; sie verweist unter anderem auf BLUMER (Patentverletzungsprozess, in: Bertschinger/Münch/Geiser [Hrsg.], Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Rz. 17.92), DIGGELMANN (Unterlassungsansprüche im Immaterialgüterrecht, SJZ 88/1992 S. 29), PEDRAZZINI (Patent- und Lizenzvertragsrecht, 2. Aufl., S. 167 f.) und HEINRICH (Kommentar PatG/EPÜ, Zürich 1998, N. 72.12).
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3.3 Unterlassungsklagen müssen auf das Verbot eines genau umschriebenen Verhaltens gerichtet sein (BGE 97 II 92 S. 93, mit Hinweisen). Die verpflichtete Partei soll erfahren, was sie nicht mehr tun darf, und die Vollstreckungs- oder Strafbehörden müssen wissen, welche Handlungen sie zu verhindern oder mit Strafe zu belegen haben (BGE 88 II 209 E. III/2 mit Hinweisen). Werden diese Behörden mit der Behauptung angerufen, der Beklagte habe eine ihm untersagte Handlung trotz des Verbots des Zivilrichters erneut begangen, haben sie einzig zu prüfen, ob die tatsächliche Voraussetzung erfüllt ist; dagegen haben sie das Verhalten nicht rechtlich zu qualifizieren (BGE 84 II 450 E. 6). Wird insbesondere das Verbot patentverletzender Handlungen beantragt, so kann die ![]() | 20 |
3.4 Der Klägerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie davon ausgeht, es könne nicht entscheidend sein, wie konstruktive Einzelheiten bei den angegriffenen Verletzungsformen gelöst würden, nachdem der Anspruch 1 des Streitpatentes diese konstruktiven Einzelheiten dem Fachmann überlasse. Zwar trifft zu, dass es für eine Verletzung genügt, wenn die entscheidenden Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind (BGE 125 III 29 E. 3b) und dass ein Urteilsdispositiv im Lichte der Erwägungen zu verstehen ist (BGE 115 II 187 E. 3c S. 192). Ob die entscheidenden Merkmale des Patentanspruchs konkret verwirklicht sind, bildet aber gerade Gegenstand des Verletzungsprozesses; denn dass ein gültiges Patent als solches nicht benutzt werden darf, steht auch ohne Prozess fest und ergibt sich bereits aus Art. 66 PatG (SR 232.14). Gegenstand des Verletzungsverfahrens bildet die Streitfrage, ob die angegriffene Ausführung mit den konkret benutzten konstruktiven Einzelheiten die technische Lehre des Patents ausführt. Das - allenfalls durch Beizug der Erwägungen auszulegende - Urteilsdispositiv hat daher konkret darzustellen, welche Merkmale ![]() | 21 |
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3.6 An der zu unbestimmten Formulierung der Unterlassungsklage ändert auch nichts, dass die Klägerin drei Typenbezeichnungen genannt hat, durch die sie ihr Patent als verletzt ansieht. Durch welche technischen Merkmale diese Typen konkret charakterisiert sein sollen, ist dem - zu allgemein formulierten - Rechtsbegehren nicht ![]() | 23 |
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