BGE 131 III 106 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. G.F. gegen Erben des H.B. (Berufung) |
5C.49/2004 vom 27. Oktober 2004 | |
Regeste |
Auslegung eines Testaments. |
Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). |
Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin ihren zum Universalerben eingesetzten Ehemann als "Vorerbe" bezeichnet hat, eine Bestimmung über Nacherben jedoch fehlt (E. 3 und 4). | |
Sachverhalt | |
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"Ich, die Unterzeichnete, A.B., geboren am 20. Juni 1920, von Z., bestimme hiermit bezüglich meines Nachlasses, was folgt:
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1. Ich setze meinen Ehegatten, H.B. ... als meinen Universalerben ein.
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2. Mein Ehegatte ist als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit.
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4. Wer dieses Testament und Entscheidungen des Testamentsvollstreckers anficht, wird auf den Pflichtteil gesetzt, soweit ein solcher besteht, sonst ganz von der Erbschaft ausgeschlossen.
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Zürich, den 1. März 1979 A.B."
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In dem vom Notariat X. errichteten Nacherbschaftsinventar vom 8. Oktober 1979 wurde als Hauptaktivum der (Erb-)Anteil von 13/32 an der aus dem väterlichen Nachlass stammenden Liegenschaft an der Strasse Z. in Y. aufgeführt.
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Am 3. Februar 1982 starb die Mutter der Erblasserin. Deren einzige Erbin war ihre ältere Tochter, E.F. In der Folge wurden im Grundbuch bezüglich der Liegenschaft an der Strasse Z. in Y. E.F. und H.B. als "Gesamteigentümer infolge Erbengemeinschaft" eingetragen.
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Am 14. Oktober 1997 starb E.F., die als einzigen Erben ihren Sohn G.F. hinterliess. Einen Tag danach, am 15. Oktober 1997, starb auch H.B. Er hinterliess zahlreiche gesetzliche Erben. Eine letztwillige Verfügung von ihm ist nicht vorhanden.
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Im Zeitpunkt des Ablebens von H.B. war aus dem Nachlass seiner vorverstorbenen Ehefrau, A.B. (Erblasserin), einzig noch deren Anteil an der Liegenschaft an der Strasse Z. vorhanden.
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Mit Eingabe vom 22. Februar 1999 erhob G.F. beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die Erben von H.B. Er verlangte, es sei festzustellen, dass er Nacherbe und damit Alleinerbe im Nachlass von A.B. sei, und das Grundbuchamt X. sei anzuweisen, ihn als Eigentümer der Liegenschaft Z. in Y. einzutragen.
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Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage.
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Nachdem das Bezirksgericht die Klage in einem ersten Urteil abgewiesen hatte und die Sache vom Obergericht des Kantons Zürich zurückgewiesen worden war, erkannte es in seinem neuen Urteil vom 1. November 2002, dass das Grundbuchamt X. in Gutheissung der Klage angewiesen werde, H.B. als Gesamteigentümer der Parzelle an der Strasse Z. in Y. zu löschen und den Kläger an dessen Stelle als Gesamteigentümer einzutragen.
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Das Obergericht hiess am 18. November 2003 eine Berufung der Beklagten gut und wies die Klage ab.
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Das Bundesgericht weist die vom Kläger erhobene Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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1.2 Auf Grund der Vorstellung, dass der Erklärende das geschriebene Wort dem allgemeinen Sprachgebrauch (Verkehrssprache, Rechtssprache) entsprechend versteht, gilt die Vermutung, dass Gewolltes und Erklärtes übereinstimmen (NICCOLÒ RASELLI, Erklärter oder wirklicher Wille des Erblassers?, in: AJP 1999 S. 1263 Ziff. II/3). Indessen kann die vom Erklärenden verwendete Bezeichnung oder Ausdrucksweise sich als missverständlich oder als unrichtig erweisen, sei es wegen eines blossen Verschriebs, sei es deshalb, weil Ausdrücke in einer von der Verkehrs- oder Rechtssprache abweichenden Bedeutung verwendet wurden. Nach der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 18 Abs. 1 OR, die bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen sinngemäss heranzuziehen ist (Art. 7 ZGB), ist der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen (dazu RASELLI, a.a.O., S. 1267 Ziff. VII mit Hinweisen; PETER BREITSCHMID, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 22 zu Art. 469 ZGB).
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Erwägung 3 | |
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3.2 In Ziffer 2 ihrer letztwilligen Verfügung legte die Erblasserin fest, dass ihr Ehemann als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit sei. Der Text ist in diesem Punkt insofern lückenhaft, als der Ehemann nicht zunächst förmlich in den Status eines Vorerben eingesetzt wurde und keine Nacherben bezeichnet wurden. Es ist indessen Sache des Erblassers, und nicht des Vorerben, die Nacherben zu bestimmen, sind doch diese die Rechtsnachfolger des Erblassers, und nicht des Vorerben (dazu EUGEN SPIRIG, Nacherbeneinsetzung und Nachvermächtnis, in: ZBGR 58/1977 S. 202). Angesichts der dargelegten Lückenhaftigkeit dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden.
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Das Obergericht hält sodann fest, dass K.L. einen für H.B. erstellten Testamentsentwurf eingereicht habe, und zwar sowohl in einer handschriftlichen als auch in einer maschinengeschriebenen Version. Letztere trage das Datum vom 8. Mai 1978 sowie die Initialen des Zeugen. Dieser habe darauf hingewiesen, dass der Entwurf als Vorlage für Testamente beider Ehegatten hätte dienen sollen; deshalb finde sich im Entwurf die Formulierung "ich, der/die Unterzeichnete". K.L. habe weiter ausgesagt, er habe sich nie mit der konkreten Formulierung des Testaments der Erblasserin befasst. Auf Vorhalt der letztwilligen Verfügung der Erblasserin habe er jedoch erklärt, er nehme an, dass die Formulierung einen Teil seines Entwurfs vom 8. Mai 1978 darstelle. Nach Auffassung des Obergerichts ist dies offensichtlich so: Ziffer 1 des Testaments der Erblasserin (Universalerbeneinsetzung) entspreche exakt dem Entwurf von K.L. Gleiches gelte für die Schlussbestimmung, mit der die Erben hätten davon abgehalten werden sollen, das Testament sowie Handlungen des Willensvollstreckers anzufechten. Auch der im vorliegenden Prozess interessierende Passus betreffend die Befreiung des Vorerben von der Sicherstellungspflicht stamme wörtlich aus dem Entwurf des Zeugen. Ziffer 2 des Entwurfs sei von der Erblasserin allerdings nur als Torso übernommen worden. Der erste Absatz, mit dem die Nacherbeneinsetzung ausdrücklich hätte verfügt werden sollen und der auch die namentliche Bezeichnung der Nacherben vorgesehen habe, sei nämlich von der Erblasserin weggelassen worden.
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Die Vorinstanz weist des Weitern auf die Erklärung von K.L. hin, anlässlich der Beratung im Jahre 1978 sei sicher über "Nacherben" gesprochen worden: "Deshalb auch die Ziffer 2". Ob in diesem Zusammenhang der Name des Klägers genannt worden sei, könne er nicht mehr sagen. Er meine, dass der Kläger im Zusammenhang mit Ziffer 3 des Entwurfs, wonach "meinem Göttikind" ein Legat hätte vermacht werden sollen, erwähnt worden sein könnte. Im Übrigen sei ihm, dem Zeugen, gegenüber der Name des Klägers sicher Jahre später, anlässlich einer andern Besprechung, erwähnt worden.
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3.2.2 In Würdigung der Aussagen von K.L. und der von diesem vorgelegten Unterlagen stellt das Obergericht alsdann fest, es seien neue wesentliche Aspekte zu Tage gefördert worden. Aufgedeckt worden sei, wie die Erblasserin zu den in ihrer letztwilligen Verfügung gewählten Formulierungen gekommen sei. Es stehe auf Grund der Aussagen von K.L. fest, dass die Erblasserin offensichtlich den Entwurf des Zeugen als Vorlage für die Abfassung ihres Testaments benutzt habe. Der Entwurf habe in Ziffer 2 eine Nacherbeneinsetzung unter Nennung der Nacherben und Angabe ihrer Quoten vorgesehen. Die Erblasserin habe ihre Formulierung sorgfältig an die Vorlage angelehnt. Beim Abschreiben habe sie den ersten Absatz von Ziffer 2 betreffend Nacherbeneinsetzung einfach weggelassen und sich mit dem zweiten Absatz betreffend Befreiung des Vorerben von der Sicherstellungspflicht begnügt. Bei der Übernahme von Ziffer 4 der Vorlage ("Als meinen Testamentsvollstrecker auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft ernenne ich Herrn lic. iur. K.L. und bei dessen Verhinderung die S. AG ...") habe sie - nebst der Ersatztestamentsvollstreckerin - die Worte "auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft" ausgelassen. Sie habe sich darauf beschränkt, ihren als "Universalerben" eingesetzten Ehemann "als Vorerben" von jeglicher Sicherstellungspflicht zu befreien.
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Erwägung 4 | |
4.1 Für die Annahme, die von der Erblasserin am 1. März 1979 errichtete letztwillige Verfügung enthalte eine Nacherbeneinsetzung, bleibt angesichts der vom Obergericht festgehaltenen tatsächlichen Gegebenheiten kein Raum. Auf Grund der Aussagen des Zeugen K.L. und der von diesem vorgelegten Schriftstücke kann das Testament in seiner Gesamtheit betrachtet nur so verstanden werden, dass die Erblasserin ihren Ehegatten als Universalerben einsetzen und keine Nacherbeneinsetzung vornehmen wollte. Soweit die Erblasserin den vom Zeugen verfassten Testamentsentwurf übernommen hat, hat sie ihn Wort für Wort abgeschrieben. Auf den (Haupt-)Teil der Ziffer 2, der von der Nacherbeneinsetzung und von der Bestimmung der Quoten handelte, hat sie indessen verzichtet und damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Nacherbeneinsetzung wollte. Sie hat lediglich den letzten Satz von Ziffer 2 übernommen und damit den Willen geäussert, dass ihr Ehegatte von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit sein solle. Freilich hat die Erblasserin ihren Ehegatten - entsprechend der Vorlage mit einem Begriff der Rechtssprache - als Vorerbe bezeichnet. Es kann indessen nicht davon ausgegangen werden, dass sie als juristische Laie genau wusste, was ein Vorerbe sei und dass die Bestimmung eines Vorerben eine Nacherbeneinsetzung voraussetze. Werden Vorlage und Testament miteinander verglichen, drängt sich die Annahme auf, die Erblasserin habe diesen Begriff lediglich deshalb gewählt, weil er in der Vorlage so stand und sie habe vermeiden wollen, dass ihr Ehemann zu irgendwelchen Sicherheitsleistungen herangezogen werden könnte.
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Auch daraus, dass die Erblasserin - unter Ziffer 3 der letztwilligen Verfügung - Ziffer 4 der Vorlage nur teilweise übernahm, ergibt sich, dass es der Erblasserin nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft gegangen war. Sie setzte zwar den Zeugen K.L. als ihren Testamentsvollstrecker ein, jedoch nicht auch bezüglich einer Nacherbschaft, wie es im Entwurf formuliert worden war. Diese Streichung kann nicht anders verstanden werden, denn als Bestätigung des Verzichts auf die Nacherbeneinsetzung.
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Ausserdem hat die Erblasserin auf die Übernahme von Ziffer 3 der Vorlage verzichtet, worin für das Göttikind, das in ihrem Fall der Kläger gewesen wäre, die Festsetzung eines Legats vorgesehen war. Auch daraus ergibt sich, dass der Ehegatte ohne irgendeine Einschränkung als Erbe eingesetzt werden sollte. Die erwähnte Weglassung widerlegt die Vermutung mehrerer Zeugen, dass die Erblasserin den Kläger habe begünstigen wollen. Schliesslich bestätigt auch der Umstand, dass die Erblasserin - unter Ziffer 4 - die rechtstechnisch abgefasste Schlussbestimmung (Ziffer 5) wörtlich wiedergab, ihren Willen, der Vorlage genau zu folgen, soweit sie mit deren Inhalt einverstanden war, und lediglich die Passagen wegzulassen, die sie nicht in ihr Testament aufnehmen wollte.
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Unter den dargelegten Umständen kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht gesagt werden, das Testament enthalte wegen der missglückten und überflüssigen Verwendung des Rechtsbegriffs "Vorerbe" in Ziffer 2 eine Lücke bezüglich der Nacherbeneinsetzung. Die Überlegungen zur Frage, wie eine Lücke in einem Testament zu füllen sei, stossen daher ins Leere.
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