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38. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. R.S. gegen A.S. (Berufung) |
5C.212/2004 vom 11. Februar 2005 | |
Regeste |
Art. 15, 63 und 64 IPRG; Art. 122 und 123 ZGB; Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils. | |
Sachverhalt | |
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Dagegen gelangte A.S. an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Die Referentin ordnete von Amtes wegen den Beizug von Unterlagen des Scheidungsverfahrens an, aus welchen sich die Begründung der unter dem Titel "prestation compensatoire" von A.S. geforderten Leistung ergeben sollte, welchem Begehren das Tribunal de Grande Instance de Mulhouse sowie die Anwältin von A.S. in Frankreich keine Folge leisteten. Das Appellationsgericht hiess die Klage am 17. März 2004 gut und wies die Pensionskasse Petroplus an, die Hälfte der während der Dauer der Ehe der Parteien vom 20. Januar 1983 bis 4. Juli 2001 geäufneten Austrittsleistung von R.S. von Fr. 233'492.92 auf das Freizügigkeitskonto von A.S. bei der Credit Suisse Freizügigkeitsstiftung 2. Säule zu überweisen.
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R.S. ist mit Berufung an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.5 In der Lehre wird verschiedentlich vorgebracht, dass der Vorsorgeausgleich nur durch die Anwendung des Vorsorgestatuts ![]() | 7 |
Gerade so komplexe Materien wie der Vorsorgeausgleich sollten bei internationalen Verhältnissen nicht von vornherein dem Vorsorgestatut unterstellt werden. Hingegen erlaubt die grundsätzliche Zuordnung dieser Frage unter das Scheidungsstatut und die anschliessende Prüfung der Ausnahmeklausel festzustellen, mit welchem Recht ein Sachverhalt in einem geringem bzw. einem engeren Zusammenhang steht. Diese differenzierte Lösung wird denn auch von der Lehre grösstenteils unterstützt (BOPP/GROLIMUND, a.a.O., S. 518; SUTTER-SOMM, a.a.O., S. 98; SCHWANDER, Die Anwendung des neuen Scheidungsrechts in internationaler und intertemporaler Hinsicht, AJP 1999 S.1651).
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2.6 Gemäss Art. 15 Abs. 2 IPRG ist die Ausnahmeklausel nicht anwendbar, wenn eine Rechtswahl vorliegt. Nach dem Willen des Gesetzgebers geht die Parteiautonomie dem engen Zusammenhang vor (KELLER/GIRSBERGER, a.a.O., N. 51 zu Art. 15 IPRG). Der Berufungskläger bringt vor, durch die Einreichung der Scheidungsklage in Frankreich habe die Berufungsbeklagte eine Rechtswahl getroffen. Ob eine Partei im Scheidungsverfahren überhaupt ohne Einverständnis der andern eine Rechtswahl treffen kann, scheint mehr als fraglich. Auf jeden Fall hat eine Rechtswahl immer eindeutig zu erfolgen (KELLER/KREN-KOSTKIEWICZ, Zürcher Kommentar zum IPRG, N. 48 zu Art. 116 IPRG). Allein aus der Klageeinreichung in einem bestimmten Land darf so wenig auf eine Rechtswahl geschlossen werden wie aus dem blossen Abschluss einer ![]() | 9 |
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Der Berufungskläger bringt demgegenüber vor, dass die Teilung der Austrittsleistung erst ab 1. Januar 2000 gelte und während der Dauer der intakten Ehe kaum Erwartungen auf eine Beteiligung des nichtverdienenden Ehegatten am Altersguthaben des andern bestünden. Damit übergeht er jedoch, dass mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes am 1. Januar 1995 bereits im Rahmen von Art. 151 Abs. 1 und Art. 152 aZGB unter gewissen ![]() | 11 |
2.8 Damit bleibt zu prüfen, ob das Scheidungsurteil des Tribunal de Grande Instance de Mulhouse vom 28. November 2000 ergänzt werden muss. Eine ausdrückliche Regelung bezüglich der bei der schweizerischen Vorsorgestiftung liegenden Gelder findet sich darin nicht. Das Gericht hat hingegen den von der Berufungsbeklagten in der Höhe von FF 480'000.- geltend gemachten Anspruch auf eine "prestation compensatoire" nach Art. 270 ff. CCfr. abgewiesen. Da es der Vorinstanz trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, die Scheidungsakten in Frankreich zu edieren oder wenigstens von der seinerzeitigen Anwältin der Berufungsbeklagten Näheres über den genannten Anspruch zu erfahren, bleibt letztlich offen, auf welcher Grundlage dieser vor dem französischen Gericht geltend gemacht und wie er im Einzelnen begründet worden ist. Dem Urteil lässt sich lediglich entnehmen, dass die Scheidung der Parteien aufgrund des ausschliesslichen Verschuldens der Berufungsbeklagten ausgesprochen worden ist. In einem solchen Fall bestehe gemäss Art. 280 Abs. 1 CCfr. kein Anspruch auf eine "prestation compensatoire". Ausnahmsweise werde eine solche angesichts der Dauer des Zusammenlebens der Ehegatten und des Beitrages des einen an die berufliche Tätigkeit des andern gewährt, um offensichtliche Härten zu vermeiden. Die ![]() | 12 |
In allgemeiner Weise kann gesagt werden, dass die Ausrichtung einer "prestation compensatoire" die Ungleichheiten beseitigen soll, welche die Auflösung der Ehe in den jeweiligen Lebensbedingungen der Ehegatten schafft. Ihr kommt sowohl entschädigungsrechtlicher wie unterhaltsrechtlicher Charakter zu. In der Regel wird sie unabhängig von einem Verschulden festgelegt (CANDRIAN, a.a.O., S. 206, S. 214 mit Hinweisen). Diese Hinweise und die Ausführungen im Urteil zeigen immerhin bereits, dass es sich bei der "prestation compensatoire" um einen Anspruch handelt, der nach den Regeln der Billigkeit scheidungsbedingte Härten jeder Art und Weise beim betroffenen Ehegatten ausgleichen soll.
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Das schweizerische System des Vorsorgeausgleichs hingegen ist - anders als die französische "prestation compensatoire" - nicht in Anlehnung an unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte konzipiert worden (SUTTER-SOMM, a.a.O., S. 93 mit Hinweisen). Es geht bei der auf Grund von Art. 122 ZGB zu teilenden Austrittsleistung ausschliesslich um die güterstands- und verschuldensunabhängige Teilhabe des einen Ehegatten an der Vorsorge des andern. Ein Teil der wirtschaftlichen Folgen der Scheidung, nämlich die Versorgungslücke des nicht oder nur teilweise erwerbstätigen Ehegatten, soll damit vermindert werden (SUTTER/FREIBURGHAUS, N. 10 Vorb. Art. 122-124/141-142 ZGB). Entsteht indes die Versorgungslücke erst nach der Scheidung, etwa weil sich die berufliche Eingliederung eines Ehegatten nicht bewerkstelligen lässt, so ist diesem Umstand bei der Festlegung des Unterhaltsbeitrages Rechnung zu tragen (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 8 ZGB). Im Gegensatz zur "prestation compensatoire" entsteht bei der Teilung der Austrittsleistung kein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages. Die Austrittsleistung wird nach Art. 22 Abs. 2 FZG berechnet und an die Vorsorgeeinrichtung des berechtigten Ehegatten, allenfalls an eine Freizügigkeitseinrichtung oder schliesslich an eine Auffangeinrichtung überwiesen. Nur in Ausnahmefällen kann der Versicherte von seiner Versicherung die Barauszahlung verlangen (Art. 3 ff. FZG).
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2.9 Die Gegenüberstellung der beiden Rechtsinstitute der "prestation compensatoire" nach französischem Recht und der Teilung der Austrittsleistung nach schweizerischem Recht zeigt ![]() | 15 |
2.10 Die Vorinstanz hat in Anwendung von Art. 122 ZGB die während der Dauer der Ehe vom Berufungskläger geäufnete Austrittsleistung halbiert und die der Berufungsbeklagten auf ihr Freizügigkeitskonto zu überweisende Leistung festgelegt. Dagegen sind - wie bereits im kantonalen Verfahren - keine Einwendungen seitens des Berufungsklägers erfolgt. Im angefochtenen Urteil finden sich denn auch keine Anhaltspunkte, dass die Berufungsbeklagte auf ihren Anspruch nach Art. 122 ZGB verzichtet hätte. Ebenso wenig besteht Anlass zur Annahme, dass im vorliegenden Fall die Teilung der Austrittsleistung angesichts der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung als offensichtlich unbillig zu qualifizieren wäre (Art. 123 ZGB). Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch in diesem Punkt als bundesrechtskonform.
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