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41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen X. und Mitb. (Berufung) |
4C.111/2004 vom 9. November 2004 | |
Regeste |
Art. 752 und 754 ff. OR; Prospekthaftung; aktienrechtliche Verantwortlichkeit. |
Der mittelbar geschädigte Aktionär bzw. Gesellschaftsgläubiger kann keine eigenen Verantwortlichkeitsansprüche geltend machen. Grundsätzlich unbeschränkt kann hingegen ein direkter Schaden eingeklagt werden. Im Konkurs der Gesellschaft ist die Klagebefugnis jedoch dann eingeschränkt, wenn auch die Konkursverwaltung gegenüber den verantwortlichen Organen den Gesellschaftsschaden geltend macht (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Im Zeitraum zwischen dem 25. November 1994 und dem 28. November 1995 erwarb A. (Kläger) an verschiedenen Daten insgesamt 3'500 Namenaktien der Biber Holding AG zum Preis von insgesamt Fr. 89'461.10. Im Einzelnen wurden die Aktien am 25. November 1994 (200 Aktien), am 23. Juni 1995 (300 Aktien), am 13. Oktober 1995 (1'000 Aktien), am 27. November 1995 (1'000 Aktien) und am 28. November 1995 (1'000 Aktien) gekauft. Nachdem der Kläger aufgrund des Konkurses der Biber Holding AG zu Verlust gekommen war, machte er beim Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt Verantwortlichkeitsansprüche gegen drei Mitglieder des Verwaltungsrates (Beklagte) geltend und beantragte, diese seien solidarisch zu verpflichten, ihm den für den damaligen Aktienkauf aufgewendeten Betrag von insgesamt Fr. 89'461.10 zuzüglich 5 % Zins seit 28. November 1995 zu ersetzen. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 7. März 2000 wurde das Verfahren vorerst auf die Frage der Aktivlegitimation beschränkt. Mit Urteil vom 30. November 2000 wies das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation des Klägers ab. Am 15. Dezember 2000 appellierte der Kläger gegen dieses Urteil. Mit Urteil vom 13./26. Januar 2004 wies auch das Obergericht des Kantons Solothurn die Verantwortlichkeitsklage ab.
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Das Bundesgericht weist eine dagegen erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Das Gesetz statuiert eine Verantwortlichkeit derjenigen Personen, die im Zusammenhang mit der Ausgabe von Wertpapieren unrichtige oder unvollständige Angaben machen bzw. solche Falschangaben verbreiten (Art. 752 OR). Aktivlegitimiert ist nach dem Gesetzestext der "Erwerber" der Titel, dem durch die Falschangaben ein Schaden verursacht worden ist. Gemeint sind damit die Ersterwerber der neu ausgegebenen Titel. Nach Rechtsprechung und Lehre ist jedoch nicht nur der Zeichner während der Angebotsfrist, sondern auch der spätere Käufer klageberechtigt, sofern ![]() | 5 |
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2.3 Aus diesen Gründen kann einerseits aufgrund der zeitlichen Verhältnisse und andrerseits aufgrund der von der Vorinstanz festgestellten Gründe für den Kauf der Aktien keine Rede davon sein, dass die Angaben im Prospekt kausal für den Kaufentschluss ![]() | 7 |
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3.1.1 Nach den Grundsätzen des Haftpflichtrechtes ist nur derjenige geschädigt, dem ein direkter Schaden in seinem Vermögen zugefügt worden ist. Der Dritte, der nur aufgrund einer besonderen Beziehung zum Direktgeschädigten einen Reflexschaden - bzw. mittelbaren Schaden - erleidet, besitzt grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Schadensverursacher (BGE 127 III 403 E. 4b/ aa S. 407; BGE 112 II 118 E. 5c S. 125; ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 2. Aufl., Bern 1998, Rz. 19 f. zu Art. 41 OR; FRANZ WERRO, Commentaire romand, CO I, Genf 2003, N. 15 zu Art. 41 OR; je mit Hinweisen). Wie im Haftpflichtrecht treten auch im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit Fälle der bloss mittelbaren Schädigung der Betroffenen auf. Denkbar ist beispielsweise der Fall, dass ein Gläubiger im Gesellschaftskonkurs feststellen muss, dass seine Konkursdividende dadurch vermindert wurde, dass ein Organ der Gesellschaft einen Schaden verursacht hat. Möglich ist auch, dass ein Aktionär aufgrund eines Wertverlustes seiner Aktien einen Schaden erleidet, welcher mittelbar daraus resultiert, dass der Gesellschaft durch Pflichtverletzungen seitens der Organe ein Schaden verursacht wurde (FRANÇOIS CHAUDET, Droit suisse des affaires, 2. Aufl., Basel 2004, S. 150, Rz. 733; BÖCKLI, a.a.O., Rz. 226, S. 2083). In diesen Situationen ist entsprechend den haftpflichtrechtlichen Grundsätzen in erster Linie die Gesellschaft als direkt Geschädigte aktivlegitimiert, Schadenersatz gegenüber den verantwortlichen Organmitgliedern zu verlangen. Für die mittelbar geschädigten Aktionäre und Gläubiger gibt es keine Möglichkeiten, ihren eigenen Reflexschaden mittels Individualklage geltend zu machen. Ausserhalb des Konkurses steht dem Aktionär - nicht aber dem Gesellschaftsgläubiger (BGE 117 II 432 E. 1b/ dd S. 439) - immerhin die Möglichkeit offen, mittels ![]() | 10 |
3.1.2 Wenn der durch die Organe verursachte Schaden nicht im Vermögen der Gesellschaft, sondern unmittelbar im Vermögen der Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger eingetreten ist, können diese direkt gegenüber den verantwortlichen Organen die Leistung von Schadenersatz einklagen (CHAUDET, a.a.O., Rz. 734 und 752). Diese Klagemöglichkeit ist keiner Beschränkung unterworfen, solange kein Konkurs über die Gesellschaft eröffnet ist. Das Gleiche gilt grundsätzlich auch nach der Eröffnung des Konkurses, wenn ausschliesslich Aktionäre bzw. Gesellschaftsgläubiger geschädigt worden sind (Urteil 4C.200/2002 vom 13. November 2002, Urteil 4C.200/2002 vom 13. November 2002, E. 3 nicht publ. in BGE 129 III 129 ff; CHAUDET, a.a.O., S. 154, Rz. 745). Wenn hingegen nebst den Aktionären und Gesellschaftsgläubigern auch die konkursite Gesellschaft direkt geschädigt ist, kann die Individualklage der Aktionäre und Gläubiger in Konkurrenz zu den Ansprüchen der Gesellschaft treten. Nur für diesen Fall hat die Rechtsprechung die Klagebefugnis der Aktionäre und Gläubiger zur Verhinderung eines Wettlaufs zwischen der Konkursverwaltung und den direkt klagenden Gläubigern bzw. Aktionären zur Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen eingeschränkt. Danach können die Aktionäre bzw. Gläubiger ihren direkten Schaden nur ausnahmsweise geltend machen, wenn das Verhalten eines Gesellschaftsorgans gegen aktienrechtliche Bestimmungen verstösst, die ausschliesslich dem Gläubiger- bzw. Aktionärsschutz dienen oder die Schadenersatzpflicht auf einem anderen widerrechtlichen Verhalten des Organs im Sinn von Art. 41 OR oder einem Tatbestand der culpa in contrahendo gründet (BGE 128 III 180 E. 2c S. 182 f.; BGE 127 III 374 E. 3b S. 377; BGE 125 III 86 E. 3a S. 88 f.; BGE 122 III 176 E. 7 S. 189 f.). Der Anwendungsbereich der erwähnten Rechtsprechung ist in diesem Sinn zu präzisieren.
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3.2.2 Weiter begründet der Kläger eine Vermögensschädigung damit, dass in den Prospekten und sonstigen von den Beklagten zu verantwortenden Mitteilungen unwahre oder unvollständige Angaben über den Zustand der Biber Holding AG verbreitet worden seien, so dass die Aktien bereits im Zeitpunkt des Aktienkaufs bedeutend weniger wert gewesen seien, als der damalige Börsenwert betragen habe. Diesbezüglich sei den Beklagten ein widerrechtliches Verhalten im Sinn von Art. 41 OR in Verbindung mit Art. 152 StGB vorzuwerfen. Dazu ist zu bemerken, dass sich der Vorwurf der "unwahren oder unvollständigen Angaben" (Art. 152 StGB) im Wesentlichen mit dem Vorwurf der "unrichtigen, irreführenden ![]() | 14 |
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