Aktienrechtliche Verantwortlichkeit; Einrede der Einwilligung des Verletzten.
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Sachverhalt
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 A. Die X. AG wurde 1960 gegründet und von S.W. bis zu seinem Tod im Jahr 1997 als Alleinaktionär geführt. 1978 gründete S.W. gemeinsam mit seinem Sohn C.W. und seiner Tochter D.W. die Kollektivgesellschaft W. & Co. Im Jahr 1984 trat S.W. aus der Kollektivgesellschaft aus. Am 17. Januar 1986 wurden C.W. und D.W. in den Verwaltungsrat der X. AG gewählt.
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Am 5. August 1978 wurde zwischen der X. AG und der W. & Co. ein als "Mietvertrag für gewerbliche Räume" betitelter Vertrag zur Benutzung eines Teils einer der X. AG gehörenden Liegenschaft abgeschlossen. Am 8. Dezember 1992 wurde dieser Vertrag erneuert. Im zweiten Untergeschoss der betreffenden Liegenschaft befindet sich eine Autoeinstellhalle. Von den dortigen Parkplätzen sind 33 mit Parkuhren versehen. Mit Wirkung per 1. Januar 1995 vermietete die X. AG der W. & Co. die erwähnten 33 Parkingmeterparkplätze. Der Mietzins wurde zunächst auf Fr. 80.- pro Monat und Parkplatz festgelegt, was einem jährlichen Entgelt von Fr. 31'680.- entspricht. In den Jahren 1995 und 1996 flossen der X. AG unter dem Titel "Mietzinseinnahmen Parkuhren" je Fr. 31'680.- zu. Ab 1997 wurde das Entgelt auf Fr. 85.- pro Monat und Parkplatz erhöht, womit sich die Jahresmiete neu auf Fr. 33'660.- belief. Im hier interessierenden Zeitraum von 1995 bis 2000 wurden somit Zahlungen von insgesamt Fr. 198'000.- geleistet. In der gleichen Zeit von 1995 bis 2000 sollen sich aber die Einnahmen der W. & Co. aus der Parkuhrenbewirtschaftung nach Darstellung der Kläger auf insgesamt Fr. 470'478.20 belaufen haben.
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B. Nach dem Tod von S.W. im Jahre 1997, dem seinerzeitigen Alleinaktionär der X. AG, entstand zwischen dessen Nachkommen A.W. und B.W. einerseits (Kläger) und ihren Geschwistern  C.W. und D.W. anderseits (Beklagte) Streit darüber, ob die von den Beklagten betriebene W. & Co. durch die Verwaltung der Parkplätze zu Lasten der X. AG ungerechtfertigt bereichert wurde. Konkret machen die Kläger geltend, in der Differenz zwischen dem abgelieferten Entgelt für die 33 Parkplätze von insgesamt Fr. 198'000.- und dem bezüglich dieser Parkplätze durch Parkingmetergebühren effektiv erzielten Einnahmen von Fr. 470'478.20 liege eine verdeckte Gewinnausschüttung in der Höhe von Fr. 272'478.20 zugunsten der W. & Co. Am 25. April 2003 beantragten die Kläger dem Handelsgericht des Kantons Aargau zunächst, die Beklagten seien zu verpflichten, der X. AG unter Vorbehalt der Nachklage den Betrag von Fr. 264'978.- zuzüglich Zinsen zu bezahlen. Mit Urteil vom 14. Januar 2005 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage ab.
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Das Bundesgericht weist eine von den Klägern dagegen erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen:
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3. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob durch die Verpachtung der 33 Parkingmeterparkplätze die X. AG als Verpächterin benachteiligt und die Kollektivgesellschaft W. & Co. als Pächterin unzulässig begünstigt wurde. Die Kläger sehen eine solche unzulässige Begünstigung darin, dass die Kollektivgesellschaft in der Zeit von 1995 bis 2000 nur einen Pachtzins von Fr. 198'000.- für die betreffenden Parkplätze bezahlt habe, während sich die Einnahmen aus der Parkuhrenbewirtschaftung im gleichen Zeitraum auf Fr. 470'478.20 belaufen hätten. In Bezug auf die Differenz von Fr. 272'478.20 sei von einer verdeckten Gewinnausschüttung zugunsten der von den Beklagten gebildeten Kollektivgesellschaft auszugehen. Diese Gewinnausschüttung sei den Beklagten, die gleichzeitig Verwaltungsräte der X. AG seien, als Pflichtverletzung anzulasten, so dass diese aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit verpflichtet seien, der X. AG den von ihnen verursachten Schaden in der Höhe von Fr. 272'478.20 zurückzuerstatten. Das Handelsgericht hat dazu ausgeführt, der umstrittene Pachtvertrag sei seitens der X. AG von S.W. abgeschlossen worden, der damals - abgesehen von je einer fiduziarisch gehaltenen Aktie der beklagten Verwaltungsräte - "Alleinaktionärsstellung" gehabt habe. Als Alleinaktionär der X. AG sei er berechtigt gewesen, die Gesellschaft auch in einer für sie allenfalls weniger vorteilhaften  Weise vertraglich zu binden. Gegen daraus hergeleitete Verantwortlichkeitsansprüche könnten die Organe die haftungsbefreiende Einrede "volenti non fit iniuria" (Einwilligung des Verletzten) erheben. Bei diesem Ergebnis könne offen bleiben, ob die X. AG durch das ab dem 1. Januar 1995 praktizierte Pachtverhältnis zur Kollektivgesellschaft effektiv zu Schaden gekommen sei.
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4.1 Im vorliegenden Fall drängen sich zunächst einige Bemerkungen zur Aktivlegitimation der Kläger auf. Die Kläger führen gestützt auf Art. 756 Abs. 1 OR eine Verantwortlichkeitsklage. Die beklagten Verwaltungsräte sollen damit verpflichtet werden, der X. AG den Schaden zu ersetzen, welcher dieser durch den angeblich nachteiligen Pachtvertrag mit der Kollektivgesellschaft W. & Co. entstanden sein soll. Die Aktivlegitimation der Aktionäre, mit Verantwortlichkeitsklage Schadenersatz für die geschädigte Gesellschaft einzuklagen, ist grundsätzlich gegeben (BGE 131 III 306 E 3.1.1 S. 310 f.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des umstrittenen Pachtvertrages - Ende 1994 - noch nicht Aktionäre der X. AG gewesen waren, sondern erst mit dem Tod von S.W. im Jahr 1997 zunächst mit den anderen Erben Gesamteigentümer und nach der Teilung im Jahr 2001 Alleineigentümer der Aktien geworden sind. Zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Gesellschaftsschaden reicht es, wenn dem für die Gesellschaft klagenden Aktionär die Aktionärseigenschaft im Zeitpunkt der Klageanhebung zukommt (WIDMER/BANZ, Basler Kommentar, OR II, 2. Aufl., Basel 2002, N. 5 zu Art. 756 OR). Die Aktivlegitimation der Kläger wurde daher zu Recht bejaht.
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4.2.1 Nach der Rechtsprechung fällt eine Verantwortlichkeit ausser Betracht, wenn die ins Recht gefasste Organperson nachzuweisen vermag, dass sie mit dem Einverständnis des Geschädigten gehandelt hat. So kann sich die betreffende Organperson gegenüber der auf Schadenersatz klagenden Gesellschaft auf die haftungsbefreiende Einrede "volenti non fit iniuria" berufen, wenn sie im ausdrücklichem oder stillschweigenden Einverständnis aller Aktionäre gehandelt hat oder einen gesetzeskonform gefassten und unangefochten gebliebenen Beschluss der Generalversammlung vollzieht. Ferner sind Schadenersatzansprüche der Gesellschaft auch ausgeschlossen, wenn die Generalversammlung den verantwortlichen Organen gemäss Art. 758 Abs. 1 OR die Décharge erteilt hat. Analog entfällt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft, wenn diese bzw. deren Alleinaktionär in Kenntnis der Verhältnisse Organhandlungen toleriert, die normalerweise Schadenersatzansprüche im Sinn von Art. 754 OR begründen würden (Urteil 4C.397/1998 vom 15. Juni 1999, E. 2b/bb mit Hinweisen, publ. in: SZW 2000 S. 197 ff. und SJ 1999 S. 481). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestossen (URS BERTSCHINGER, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit: Weisungen des Alleinaktionärs an die Verwaltungsräte schliessen Anspruch der Gesellschaft aus, in: SZW 2000 S. 197 ff.).
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 4.2.3 Wenn aber eine Haftung gegenüber der Gesellschaft entfällt, weil diese selbst bzw. ihr Alleinaktionär die umstrittenen Organhandlungen - Abschluss des Pachtvertrages mit der Kollektivgesellschaft - toleriert haben, sind auch die Aktionäre, die für die Gesellschaft klagen, mit den geltend gemachten Verantwortlichkeitsansprüchen ausgeschlossen. Im Übrigen können die Aktionäre auch keine eigenen Ansprüche geltend machen, weil sie die Aktien durch Erbgang vom seinerzeitigen Alleinaktionär erworben haben und dessen Zustimmung folglich auch ihnen entgegengehalten werden kann. Unter diesen Umständen muss die von den Klägern geltend gemachte Verletzung von Kapitalschutzvorschriften nicht abgehandelt werden. Die Gesellschaft, welche eine allfällige Verletzung dieser Vorschriften toleriert hat, kann sich nicht später auf die Verletzung eben dieser Vorschriften berufen. Einer solchen Gesellschaftsklage läge ein widersprüchliches Verhalten zu Grunde, das keinen Rechtsschutz verdient (Art. 2 Abs. 2 ZGB; BERTSCHINGER, a.a.O., S. 199).
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