BGE 132 III 257 | |||
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30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. AG (Berufung) |
4C.354/2005 vom 8. Februar 2006 | |
Regeste |
Art. 328 OR, Art. 6 ArG; Fürsorgepflicht des Arbeitgebers; Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers. |
Der Arbeitgeber verletzt seine Fürsorgepflicht, wenn er das zum Schutze der Gesundheit des Arbeitnehmers Notwendige nicht vorkehrt, obwohl dies nach dem Stand der Technik möglich und dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der gesamten Umstände billigerweise zumutbar wäre (E. 6). | |
Sachverhalt | |
A. A. (Kläger) arbeitete seit dem 1. Oktober 2001 für die B. AG (Beklagte) als Versuchsmechaniker. Am 7. April 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "ordentlich per 30. Juni 2003". Auf Verlangen des Klägers begründete sie am 2. Juni 2003 die Kündigung damit, dass sie für die Stelle des Klägers einen besser geeigneten Arbeitnehmer gefunden habe.
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B. Der Kläger, der an einer schweren Rauchallergie leidet, hatte bereits vor der Kündigung mit Klage vom 17. Februar 2003 beim Arbeitsgericht Zürich die Durchsetzung eines umfassenden Rauchverbotes in allen Räumen seiner Arbeitsumgebung verlangt. Nachdem ihm die Kündigung zugegangen war, änderte er mit Eingabe vom 17. Juni 2003 seine Begehren und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung gemäss Art. 336a OR im Umfang von Fr. 10'800.-, entsprechend zwei Monatslöhnen. Das Arbeitsgericht wies die Klage am 19. April 2005 ab. Gleich entschied auf Berufung des Klägers das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 5. September 2005.
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C. Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Fr. 10'800.- zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte stellt den Antrag, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell diese abzuweisen und den angefochtenen Beschluss des Obergerichts zu bestätigen.
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Nach Auffassung der kantonalen Instanzen war die Kündigung nicht missbräuchlich, da die Beklagte ihren Fürsorgepflichten hinreichend nachgekommen sei, indem in allen Räumen, die der Kläger während der Arbeit aufsuchen musste, mit Ausnahme des Sitzungszimmers ausserhalb der Sitzungen und der Gänge ein Rauchverbot galt. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Streitsache zurück, da nicht feststeht, ob ein generelles Rauchverbot in den Gängen und dem Sitzungszimmer die durch die Rauchallergie bedingten Absenzen des Klägers verhindert hätte und der Beklagten zuzumuten gewesen wäre.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 5 | |
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5.3 Aus dieser allgemeinen Fürsorgepflicht wurde bereits vor Einführung spezifischer Vorschriften zum Schutze vor Passivrauchen in der Lehre abgeleitet, Arbeitnehmer, welche die nicht mehr bestreitbare Gesundheitsschädigung durch Passivrauchen nicht auf sich nehmen wollten, hätten aus Art. 328 OR gegenüber dem Arbeitgeber den Anspruch, dass dieser sie auch dann durch ein Rauchverbot im Betrieb schützt, wenn ein solches aus betrieblichen Gründen nicht erforderlich ist (REHBINDER, a.a.O., N. 7 zu Art. 328 OR, mit Hinweisen; ERICH JANUTIN, Gesundheit im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1991, S. 181).
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5.4.2 Der Bereich, wo Rauchen erlaubt ist, ist unter Berücksichtigung der Lüftungs- und Belüftungsmöglichkeiten so anzuordnen, dass der Rauch ohne Belästigung für Nichtraucher und Nichtraucherinnen abgezogen werden kann. Auf Verlangen betroffener nichtrauchender Arbeitnehmer ist unter Umständen ein geeignetes Rauchverbot zu erlassen (vgl. TOBIAS JAAG/MARKUS RÜSSLI, Schutz vor Passivrauchen: verfassungsrechtliche Aspekte, in: AJP 2006 S. 21 ff., 22; seco, Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, 319-1).
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5.4.5 Soweit die öffentlichrechtlichen Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind und dem Arbeitnehmer konkrete Schutzrechte gewähren, die Inhalt eines Einzelarbeitsvertrages sein könnten, begründen sie für den Arbeitnehmer nach Art. 342 Abs. 2 OR einen zivilrechtlichen Anspruch. Ein Teil der Lehre leitet aus dem beidseitig zwingenden Charakter (Art. 361 OR) von Art. 342 Abs. 2 OR ab, zu Lasten des Arbeitgebers könnten im Anwendungsbereich der öffentlichrechtlichen Bestimmungen keine weitergehenden Schutzmassnahmen vereinbart oder aus Art. 328 Abs. 2 OR abgeleitet werden (REHBINDER, a.a.O., N. 18 zu Art. 328 OR; REHBINDER/ PORTMANN, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2003, N. 9 und 10 zu Art. 328 OR). Indessen umfasst Art. 342 Abs. 2 OR nach seinem Wortlaut nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch dem Arbeitnehmer auferlegte öffentlichrechtliche Pflichten. Durch die beidseitig zwingende Ausgestaltung wird lediglich sichergestellt, dass auch der Arbeitgeber allfälligen öffentlichrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers Nachachtung verschaffen kann. Damit ist mit Blick auf den mit den öffentlichrechtlichen Normen verfolgten Zweck durchaus vereinbar, dass sich der Arbeitgeber zu Schutzmassnahmen verpflichtet, die über die öffentlichrechtlichen Schutzvorschriften hinausgehen. Ebenso ist nicht auszuschliessen dass Art. 328 Abs. 2 OR zu einem weiterrechenden Schutz als das öffentliche Recht verpflichtet (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., N. 6 zu Art. 328 OR; STAEHELIN, a.a.O., N. 52 zu Art. 328 OR).
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6.1 Diese Rechtslage hat die Vorinstanz verkannt, indem sie annahm, die Beklagte sei mit den angeordneten Rauchverboten ihrer Fürsorgepflicht hinlänglich nachgekommen, obwohl feststeht, dass der Kläger als Allergiker wegen der verbleibenden Rauchimmissionen gesundheitlich derart beeinträchtigt war, dass er verschiedentlich der Arbeit fernbleiben musste. Das kann nur bedeuten, dass die getroffenen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers objektiv nicht genügten. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte bereits vergleichsweise ausgedehnte Massnahmen zum Schutz des Klägers ergriffen hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob mit zusätzlichen der Beklagten zumutbaren Massnahmen eine Beeinträchtigung der Gesundheit und damit der Arbeitsfähigkeit des Klägers hätte vermieden werden können.
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6.3 Da die tatsächlichen Feststellungen keinen Aufschluss darüber geben, ob das zum Schutze des Arbeitnehmers Notwendige der Beklagten zumutbar gewesen wäre, lässt sich nicht beurteilen, ob die Vorinstanz mit ihrer Rechtsauffassung, die Beklagte habe "die ihr im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zumutbaren Massnahmen ergriffen", Bundesrecht verletzt. Der Beschluss der Vorinstanz ist daher in Gutheissung des Eventualantrags des Klägers aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts im Sinne der Erwägungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG).
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