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68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Ecofin Holding AG, Ecofin Research and Consulting AG, Ecofin Data Model AG und Ecofin Investment Consulting AG gegen Scholand (Berufung) |
4C.329/2005 vom 5. Mai 2006 | |
Regeste |
Markenrecht; unlauterer Wettbewerb; örtliche Zuständigkeit; Art. 16 Ziff. 4 LugÜ. | |
Sachverhalt | |
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Markus Scholand, Meschede/D (Beklagter und Berufungsbeklagter), ist Dozent am Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung ![]() | 2 |
B. Am 5. Juli 2004 gelangten die Klägerinnen an das Handelsgericht des Kantons St. Gallen und stellten folgende Rechtsbegehren:
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"1. Es sei der Beklagte zu verpflichten, die Schweizerische Marke ECOFIN Nr. 481763, hinterlegt beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum am 23. Mai 2000, bezüglich folgender Waren und Dienstleistungen löschen zu lassen:
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9: Geräte zur Aufzeichnung, Speicherung und Verarbeitung von Daten, Bildern sowie Tönen, Rechenmaschinen und Datenverarbeitungsgeräten nebst Zubehör; alle vorgenannten Waren soweit in Klasse 9 enthalten.
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35: Unterstützung beim Betrieb oder bei der Geschäftsführung eines Unternehmens, Unternehmensverwaltung, Wertermittlung und Wirtschaftsprognosen in Geschäftsangelegenheiten, Aufstellung, Systematisierung und Auswertung von Mitteilungen, Aufzeichnungen oder Daten, Marketingforschung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit.
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36: Finanzdienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen von Kreditinstituten, Investmentgesellschaften, Maklern oder Treuhandgesellschaften; Finanzanalysen, Finanzauskünfte, Finanzierungen, Finanzinformation und -beratung; Schätzung, Vermittlung und Verwaltung von Vermögenswerten, insbesondere Grundstücken, Immobilien, Fonds und Beteiligungen; Dienstleistungen im Bezug auf den Abschluss von Finanzgeschäften.
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42: Wissenschaftliche sowie industrielle Analysen und Forschung, Konzeption, Erstellung und Aktualisierung von Software für die Datenverarbeitung.
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2. Es sei dem Beklagten unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB für den Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten, das Wort ECOFIN in Alleinstellung oder in einer nicht ![]() | 9 |
3. Der Beklagte sei zur Zahlung von SFR 10'000.- nebst Zins zu 5 % seit der Klageeinleitung vom 5. Juli 2004 an die Klägerinnen zu verurteilen [...]."
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Die Klägerinnen stützten ihre Ansprüche auf das UWG und begründeten die Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen mit Art. 5 Ziff. 3 LugÜ.
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Der Beklagte beantragte Nichteintreten auf die Klage. Das Handelsgericht führte zur Einrede der Unzuständigkeit einen Schriftenwechsel durch. Die Klägerinnen beriefen sich zusätzlich auf die Zuständigkeit nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ.
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C. Mit Entscheid vom 16. August 2005 trat das Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf die Klage nicht ein. Mit beiden Parteien ging das Gericht davon aus, dass angesichts des Wohnsitzes des Beklagten in Deutschland ein internationaler Sachverhalt vorliege und das Lugano-Übereinkommen (LugÜ; SR 0.275.11) anwendbar sei. Die Zuständigkeit des Deliktsorts gemäss Art. 5 Ziff. 3 LugÜ verneinte das Gericht im Wesentlichen mit der Begründung, ein Erfolgsort sei im Kanton St. Gallen nicht gegeben, weil die Markeneintragung dafür nicht genüge und weil die Klägerinnen nicht behaupteten, es sei hier ein Schaden eingetreten; einen Handlungsort im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ im Kanton St. Gallen verneinte das Gericht, weil die Eintragung der Marke ECOFIN als mögliche relevante Handlung durch den vom Beklagten bestellten Vertreter vom Büro in Eschen (Fürstentum Liechtenstein) aus vorgenommen worden sei. Die Zuständigkeit nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ verneinte das Gericht, weil es nicht um eine markenrechtliche Bestandesklage gehe.
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Das Bundesgericht heisst die von den Klägerinnen gegen das Urteil des Handelsgerichts erhobene Berufung teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Im vorinstanzlichen Verfahren beantragten die Klägerinnen in Ziffer 1 ihrer Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, die ![]() | 15 |
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3.2 Die ausschliessliche und zwingende Zuständigkeit von Art. 16 Ziff. 4 LugÜ bezieht sich auf Bestandesklagen, die insbesondere die Feststellung der Nichtigkeit zum Gegenstand haben (BGE 124 III 509; vgl. auch Urteil 4C.159/2005 vom 19. August 2005, E. 2.1). Dagegen fallen Klagen über die Verletzung von Immaterialgüterrechten auch dann nicht in den Geltungsbereich der Bestimmung, wenn diese Rechte in einem (nationalen) Register eingetragen sind (GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl., 2002, S. 231; VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 22 f. zu Art. 109 IPRG; SIMON MÄDER, Die Anwendung des Lugano-Übereinkommens im gewerblichen Rechtsschutz, Bern 1999, S. 20 f.; KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Heidelberg 2002, N. 50 zu Art. 22 EuGVO; GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., München 2004, Rz. 226 zu Art. 22 EuGVO). Als Bestandesklagen gelten nach schweizerischem Verständnis Klagen, welche die materielle Gültigkeit oder die Zuständigkeit an Schutzrechten zum Gegenstand haben oder in Ausnahmefällen den Bestand einer lauterkeitsrechtlich geschützten ![]() | 17 |
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3.4 Die Lehre leitet aus dem zitierten Entscheid des EuGH ab, dass vertragliche Streitigkeiten über die Berechtigung an einem registrierten Recht allgemein nicht in die ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte am Registerort gemäss Art. 16 Ziff. 4 LugÜ bzw. dem entsprechenden Art. 22 Nr. 4 EuGVO fallen (GEIMER/SCHÜTZE, a.a.O., Rz. 227 zu Art. 22 EuGVO; KROPHOLLER, a.a.O., N. 50 zu Art. 22 EuGVO; GAUDEMET-TALLON, Compétence et exécution des jugements en Europe, 3. Aufl., Paris 2002, S. 82 f. N. 114). Teilweise wird ![]() | 19 |
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3.6 Wer ein rechtliches Interesse nachweist, kann nach Art. 52 MSchG (SR 232.11) vom Richter feststellen lassen, dass ein Recht ![]() | 21 |
3.7 Die Klägerinnen verlangen in Ziffer 1 ihrer Rechtsbegehren die Löschung der Marke des Beklagten in Bezug auf bestimmte Waren und Dienstleistungen im schweizerischen Markenregister. Sie bestreiten die Gültigkeit dieser Marke und damit deren Bestand. Sie behaupten, der Beklagte verhalte sich im Wettbewerb unlauter oder beabsichtige zumindest eine Wettbewerbsverletzung (Art. 9 UWG [SR 241]). Ihre angebliche bessere, prioritäre Berechtigung am strittigen Zeichen begründen sie nicht mit einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehung zum Beklagten, sondern allein mit dessen widerrechtlichen Anmassung des Zeichens. Der Streitfall ist insofern nicht vergleichbar mit der Auseinandersetzung über die Berechtigung an einer im arbeitsvertraglichen Verhältnis gemachten Erfindung, die im Patentregister eingetragen worden war und deren subjektive Zuständigkeit Gegenstand der zitierten Entscheidung des EuGH bildete (oben E. 3.3). Soweit die Lehre aus ![]() | 22 |
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