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ˆ74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Bank X. gegen Bank Y. (Berufung) |
4C.149/2005 vom 3. Juli 2006 | |
Regeste |
Dokumentenakkreditiv; widersprüchliches Verhalten der eröffnenden Bank nach der Verweigerung der Aufnahme der Dokumente (Art. 14e Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive). | |
Sachverhalt | |
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Die Bank X. (Zürich; Beklagte) wurde von der Klägerin als Korrespondenzbank beauftragt, das Akkreditiv der Begünstigten B. Ltd. zu bestätigen sowie den Akkreditivbetrag bei Übereinstimmung der von der Begünstigten vorgewiesenen Dokumente mit den Akkreditivbedingungen auszuzahlen. Die Beklagte nahm den Auftrag an und bestätigte das Akkreditiv gegenüber der Begünstigten.
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A.a Mit Swift-Mitteilung vom 25. Oktober 2000 liess die Beklagte der Klägerin Dokumente zukommen und bat die Klägerin, bei der Käuferin als Akkreditivstellerin abzuklären, ob diese genehmigt werden könnten, da sie von den geforderten Akkreditivdokumenten abwichen. Die Klägerin antwortete darauf, dass sie die Akkreditivstellerin so schnell wie möglich kontaktieren werde.
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A.b Am 8. November 2000 gab die Beklagte der Klägerin bekannt, dass ihre Swift-Mitteilung vom 25. Oktober 2000 als gegenstandslos betrachtet werden könne, da nun die Dokumente in Übereinstimmung mit den Akkreditivbedingungen eingetroffen seien und der Betrag von USD 3'267'603.29 ausbezahlt worden sei. Gleichzeitig machte die Beklagte USD 8'366.71 für ihre eigenen ![]() | 4 |
A.c Die Klägerin beanstandete mit Swift vom 17. November 2000 mehrere Unvereinbarkeiten der von der Begünstigten vorgelegten Papiere mit den vereinbarten Akkreditivbedingungen. Sie forderte die Berichtigung des Saldos ihres Kontos bei der Beklagten mit der Begründung, diese habe die Summe des Akkreditivs in Höhe von USD 3'275'970.- zu Unrecht belastet. Die Klägerin vertrat die Ansicht, die Beklagte habe Art. 13 lit. b der Einheitlichen Richtlinien für Dokumentenakkreditive missachtet, wonach die Klägerin als das Akkreditiv eröffnende Bank die ihr von der Beklagten als bestätigender Zweitbank zugestellten Dokumente in angemessener Zeit prüfen und zurückweisen könne.
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A.d Die Beklagte war nicht bereit, die Kontobelastung rückgängig zu machen. Sie vertrat die Auffassung, die vorgelegten Dokumente stimmten mit den Akkreditivbedingungen überein und die Belastung des Kontos der Klägerin mit dem Akkreditivbetrag zuzüglich Kosten sei gerechtfertigt. Die Abweichungen in den vorgelegten Dokumenten gegenüber den Akkreditivbedingungen hielt sie für geringfügig, weshalb die Bezahlung der Akkreditivsumme an die Begünstigte zu Recht erfolgt sei.
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B. Mit Urteil vom 21. März 2005 hiess das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage vom 10. April 2002 gut und verpflichtete die Beklagte, den Betrag von USD 3'275'970.- zuzüglich 8 % Zins seit dem 8. November 2000 dem Konto der Klägerin Nr. 000 gutzuschreiben. Das Gericht hielt zunächst fest, dass die Parteien die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive gemäss Revision 1993, ICC-Publikation Nr. 500 Paris (im Folgenden: ERA 500), im Eröffnungsauftrag zum Vertragsinhalt erklärt hatten. Da eine Rechtswahl nicht erfolgt war, ist nach der Erwägung des Handelsgerichts gemäss Art. 117 IPRG schweizerisches Recht anwendbar und finden daher ergänzend die Normen über die Anweisung (Art. 466 ff. OR) Anwendung. Danach gelten die Grundsätze der Dokumentenstrenge und der Abstraktheit und kann die Beklagte keinen Auslagenersatz verlangen, wenn sie formell nicht korrekte Dokumente honoriert hat, was das Handelsgericht vorliegend für das Erfordernis "Gum Existent" im Qualitätszertifikat - wofür tatsächlich "Existent Gum washed" erwähnt war - sowie für das Erfordernis "signed and stamped" bejahte, das beim ![]() | 7 |
Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung angefochten. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und hebt das angefochtene Urteil auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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3.1 Nach Art. 14e ERA 500 kann die eröffnende Bank nicht geltend machen, dass die Dokumente nicht den Akkreditivbedingungen entsprechen, wenn sie die Dokumente weder zur Verfügung des Einreichers hält noch diesem zurücksendet. Diese Bestimmung beruht auf der Erwägung, dass sich die Akkreditivbank nach Erhalt der die Ware repräsentierenden Dokumente in Widerspruch zu sich selbst setzen würde, wenn sie die Dokumente zwar zurückweist, gleichzeitig aber auf die eine oder andere Weise über diese und damit über die Ware verfügt (SCHÜTZE, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 5. Aufl., Heidelberg 1999, Rz. 417 S. 168 f. mit Hinweisen). Der Gebrauch der Dokumente zur Verfügung über die Ware ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts als Genehmigung der Dokumente zu qualifizieren, wobei diese gleichzeitig den Verzicht auf eine allenfalls zunächst ausgesprochene Beanstandung bedeutet (BGE 90 II 302). Das Bundesgericht hat die grundsätzliche Bedeutung dieser Praxis für das Akkreditiv hervorgehoben. Denn das Akkreditiv erfüllt seinen Zweck zur Sicherung aller Parteien nur, wenn der Verkäufer auf die vollständige und unbeschwerte Rückgabe der Dokumente vertrauen kann, damit ihm die Verfügungsgewalt über die Ware erhalten bleibt, wenn die Akkreditivbank die Papiere aus irgendeinem Grund nicht aufnimmt. Der Zweck des Akkreditivs verlangt daher auch, dass jedes Verhalten der Bank, die dem Verkäufer die Verfügungsgewalt über die Ware nimmt, die gleichen Folgen hat wie die vorbehaltlose ![]() | 10 |
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3.3 Nach der Behauptung der Beklagten hat die Klägerin im vorliegenden Fall zwar die Aufnahme der Dokumente verweigert, aber gleichzeitig über diese und damit über die Ware verfügt. Trifft dies zu, so hat die Klägerin mit den Dokumenten über die Ware verfügt und damit auf ihre zunächst geäusserten Beanstandungen verzichtet, was nach der Rechtsprechung als Genehmigung der vorgelegten ![]() | 12 |
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