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85. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. und B. gegen C. und Mitb. (Berufung) |
4C.136/2006 vom 28. August 2006 | |
Regeste |
Art. 752 OR; Prospekthaftung; Kausalzusammenhang. | |
Sachverhalt | |
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Am 3. Dezember 1999 erwarb A. (Kläger 1) 50 Aktien der X. AG zum Kurs von Fr. 399.-. Der Kaufpreis betrug demzufolge inkl. Kommissionen und Abgaben total Fr. 20'076.75. Am 10. und 21. Februar 2000 kaufte B. (Kläger 2) je 20 Aktien zum Preis von Fr. 905.- bzw. Fr. 775.- pro Titel. Der entrichtete Kaufpreis betrug inkl. Kommissionen und Abgaben total Fr. 33'763.15.
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B. Nach dem Börsengang stieg der Aktienkurs zunächst steil an. Einen Höchststand erreichte der Kurs am 8. Februar 2000 mit Fr. 1'100.- pro Aktie. Die Höchstmarke von Fr. 1'100.- wurde nochmals am 2. März 2000 erreicht.
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Im Frühling/Sommer 2000 geriet die X. AG in einen Liquiditätsengpass. Der Versuch, in genügendem Ausmass Neukunden zu überzeugen, misslang. Am 26. Oktober 2000 musste der Geschäftsbetrieb eingestellt und am 6. November 2000 die Nachlassstundung beantragt werden. Die Software "Z." wurde am 15. November 2000 an die neu gegründete new X. AG verkauft. Auch die new X. AG musste ihren Geschäftsbetrieb im April 2001 einstellen.
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Der Kläger 2 verkaufte seine Aktien am 10. Mai 2000 zum Preis von Fr. 413.-. Daraus resultierte ein Erlös von Fr. 16'439.80. Ausgehend von einem Kaufpreis von Fr. 33'763.15 erlitt der Kläger 2 einen Verlust von Fr. 17'323.35.
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Der Kläger 1 verkaufte seine Titel zum Preis von Fr. 9.01 und löste dabei insgesamt noch Fr. 427.50. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von Fr. 20'076.75 erlitt er einen Verlust von Fr. 19'649.25.
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C. Am 13. Dezember 2004 gelangten die Kläger ans Handelsgericht des Kantons Bern und beantragten, die Beklagten 1 bis 4 sowie die Bank Y. seien unter solidarischer Haftung zu verpflichten, dem Kläger 1 den Betrag von Fr. 19'649.25 sowie dem Kläger 2 den Betrag von Fr. 17'323.35, je zuzüglich Zins von 5 % seit 18. Oktober 2004, zu bezahlen. Im Verlauf des Verfahrens vor dem Handelsgericht trafen die Kläger 1 und 2 mit der Bank Y. einen Vergleich.
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D. Mit Berufung vom 10. April 2006 beantragen die Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 15. November 2005 aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Handelsgericht des Kantons Bern verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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E. Mit Urteil vom heutigen Tag wies das Bundesgericht eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Kläger machen geltend, dass die im Emissionsprospekt gemachten Angaben in ihrer Gesamtheit irreführend und unvollständig gewesen seien. Insbesondere seien Mängel der Software "Z" und massive Probleme bei den Kunden verschwiegen worden. Wegen unrichtiger und irreführender Angaben verlangen die Kläger gestützt auf Art. 752 OR von den für die Erstellung des Emissionsprospektes verantwortlichen Beklagten Schadenersatz.
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Das Handelsgericht des Kantons Bern hat die Frage, ob der Emissionsprospekt täuschend war, vorerst offen gelassen und das ![]() | 16 |
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2.3 Nicht nur ein Handeln, sondern auch ein Unterlassen (z.B. Unterdrücken von relevanten Angaben im Emissionsprospekt) kann kausal für die Schädigung eines Anlegers sein. Grundsätzlich unterscheidet die Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang. Während bei Handlungen die wertenden Gesichtspunkte erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen diese Gesichtspunkte bei ![]() | 20 |
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3.1 Nach Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Nach dem bundesrechtlichen Regelbeweismass gilt ein Beweis als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Ausnahmen von diesem ![]() | 23 |
3.2 Nach ständiger Rechtsprechung gilt das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit namentlich für den Nachweis des natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276; BGE 121 III 358 E. 5 S. 363; BGE 107 II 269 E. 1b S. 273, je mit Hinweisen). Auch für die Verantwortlichkeit aus der Prospekthaftung gelten grundsätzlich die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen. Der Kläger hat daher grundsätzlich den Nachweis zu erbringen, dass zwischen der pflichtwidrigen Handlung und dem eingetretenen Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Dem Kläger obliegt der Beweis, dass er sich beim Kaufentscheid auf fehlerhafte Prospektangaben gestützt hat und mit besserem Wissen die Titel nicht oder nicht zu diesem Preis erworben hätte.
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3.2.1 Wie allgemein beim Kausalitätsnachweis ist auch im Bereich der Prospekthaftung der Nachweis der Kausalität schwer zu erbringen. Der klagende Anleger dürfte sich oft in "Beweisnot" befinden. Die Rechtsprechung sieht daher schon seit langem - in Einklang mit dem allgemeinen Schadenersatzrecht - eine ![]() | 25 |
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3.3.1.1 Gegen diese Begründung wendet der Kläger 1 ein, das Handelsgericht habe Art. 8 ZGB und Art. 752 OR verletzt, indem es für den Nachweis des Kausalzusammenhangs den vollen Beweis verlangt habe. Dieser Einwand ist unbegründet. Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die Beweisschwierigkeiten ausdrücklich festgehalten, dass vom Kläger kein absoluter Beweis verlangt werden könne. Wenn im angefochtenen Urteil für das geforderte Beweismass die Formulierung "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" anstatt die hier bevorzugte Formulierung der "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" verwendet wurde, lässt dies nicht auf eine Verletzung des bundesrechtlich geforderten Beweismasses schliessen. Entscheidend ist, dass das Handelsgericht mit aller Deutlichkeit ausgeführt hat, dass der Kläger mit Blick auf die erheblichen Beweisschwierigkeiten in den Genuss der bundesrechtlich geforderten Beweiserleichterung komme. Dass die Beweiswürdigung - auf der Grundlage des bundesrechtlich geforderten Wahrscheinlichkeitsbeweises - nicht willkürlich ist, wurde im Urteil zur staatsrechtlichen Beschwerde ausführlich dargetan.
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3.3.1.2 Weiter rügt der Kläger 1, dass für den Nachweis des Kausalzusammenhangs bei ihm das strengere Beweismass für Erwerber am Sekundärmarkt anstatt das Beweismass für Erwerber am Primärmarkt zur Anwendung gebracht wurde. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Wie erwähnt gilt nach der Rechtsprechung für den Nachweis der natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhang generell der Beweismassstab der überwiegenden ![]() | 31 |
3.3.1.3 Schliesslich wirft der Kläger 1 dem Handelsgericht eine bundesrechtswidrige Auslegung des Begriffs der natürlichen Kausalität vor. Effektiv wird an dieser Stelle jedoch beanstandet, dass die Vorinstanz die natürliche Kausalität des Prospektes für den Erwerb der Titel der X. AG zu Unrecht verneint habe. Damit kritisiert der Kläger 1 die auf Beweiswürdigung beruhenden Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, welche für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 63 Abs. 2 OG). Insoweit ist auf die Berufung nicht einzutreten.
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3.3.2 Weiter hat die Vorinstanz sowohl in Bezug auf den Kläger 1 als auch auf den Kläger 2 ausgeführt, dass die durch den Emissionsprospekt geschaffene Anlagestimmung im Zeitpunkt des Kaufs durch den Kläger 1 am 3. Dezember 1999 und durch den Kläger 2 am 10. und 21. Februar 2000 nicht massgebend gewesen sei. Vielmehr seien namentlich der Zukunftsglaube, die Risikobereitschaft und Spekulation der Anleger ausschlaggebend gewesen. Diesbezüglich kritisieren die Kläger nicht die Beweislastverteilung bzw. das von der Vorinstanz geforderte Beweismass. Vielmehr rügen sie die Annahme der Vorinstanz als bundesrechtswidrig, dass der Emissionsprospekt nicht - indirekt - kausal für ihren Kaufentscheid ![]() | 33 |
3.4 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass dem Handelsgericht im Zusammenhang mit seinen Feststellungen zum natürlichen Kausalzusammenhang keine Bundesrechtsverletzungen vorgeworfen werden können. Die Beweislast für den natürlichen oder hypothetischen Kausalzusammenhang wurde zutreffend den Klägern 1 und 2 auferlegt. Und zutreffend hat die Vorinstanz für den Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhangs das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verlangt. Die Beweiswürdigung in Bezug auf den natürlichen bzw. hypothetischen Kausalverlauf kann im Berufungsverfahren nicht überprüft werden. Darauf wurde ausführlich im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde eingegangen. Damit erübrigt es sich, auf die Kritik der Kläger einzugehen, die sie an der Eventualbegründung der Vorinstanz zum adäquaten Kausalzusammenhang und Selbstverschulden üben.
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