Art. 9 Abs. 1 der Verordnung über die Rechtsschutzversicherung vom 18. November 1992; Art. 169 Abs. 1 der Verordnung vom 9. November 2005 über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen; Anwendungsbereich des in diesen Bestimmungen erwähnten Verfahrens.
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Sachverhalt
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 Am 25. August 2003 unterzeichnete X. (Kläger) ein Gesuch um Benützung der alten Turnhalle A. für eine Halloween-Party am 31. Oktober 2003, wobei auf dem Gesuchsformular als Gesuchsteller der Einlegerverein Restaurant Z. genannt wurde. Die Schulpflege A.  bewilligte das Gesuch am 9. September 2003. Die Einwohnergemeinde A. stellte dem Einlegerverein am 13. August 2004 für verschiedene Verluste und Schäden Rechnung über Fr. 11'969.15. Der Kläger bezeichnete sich selber in einem Schreiben vom 4. November 2004 als Veranstalter des Anlasses; der Einlegerverein sei in keiner Weise beteiligt gewesen. Gleichzeitig fragte er die Versicherung Y. (Beklagte) als seine Rechtsschutzversicherung an, ob und in welchem Umfang Versicherungsdeckung bestehe und ob sie die Angelegenheit gegebenenfalls zur weiteren Regelung übernehmen wolle. Mit Schreiben vom 5. November 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass kein Versicherungsschutz bestehe.
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Mit Klage vom 21. Februar 2005 stellte der Kläger im Wesentlichen die Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, Deckungszusicherung zur Vertretung durch den unterzeichneten Anwalt gegenüber der Forderung der Einwohnergemeinde A. aus Mietvertrag vom 31. Oktober 2003 zu erteilen, eventuell sei festzustellen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf Deckungszusicherung habe. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Am 17. November 2005 verpflichtete der Präsident I des Bezirksgerichts Lenzburg die Beklagte, dem Kläger Deckungszusicherung zu erteilen.
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Am 27. April 2006 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Klage in Gutheissung der Appellation der Beklagten und nach Aufhebung des angefochtenen Entscheids ab. Das Bundesgericht weist die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2
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 2.2 Der Kläger macht geltend, gestützt auf Art. 9 Abs. 1 RSV-VO wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn auf das für Streitigkeiten zwischen den Parteien vorgesehene Schiedsverfahren aufmerksam zu machen. Da sie dies nicht getan, sondern vielmehr die Durchführung eines Schiedsverfahrens ausdrücklich abgelehnt habe, gelte das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers von Gesetzes wegen als anerkannt und die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Deckungszusicherung zu erteilen. Das Obergericht gelangte im angefochtenen Entscheid zum Schluss, dass diese Bestimmung nur anwendbar sei für Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der zur Regelung des Schadenfalls zu ergreifenden Massnahmen und demnach nicht, wenn umstritten sei, ob überhaupt eine Versicherungsdeckung vorliege.
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2.6 Entsprechend diesem Konzept hat das Bundesgericht in dem von den Parteien angerufenen und vom Obergericht berücksichtigten Entscheid 5C.148/2000 zunächst geprüft, ob der dortige Streitgegenstand unter die Deckung der Rechtsschutzversicherung falle, und es hat diese Frage selbständig und verbindlich bejaht (E. 2). Bezüglich der Frage der Deckung besteht nämlich ein gerichtlich durchsetzbarer Feststellungsanspruch (so bereits BGE 119 II 368). In jenem Fall 5C.148/2000 war aber nicht nur streitig, ob es an einer versicherungsvertraglichen Deckung mangle, sondern es bestand auch eine Meinungsverschiedenheit über das Vorgehen im Schadenfall, indem die Versicherung im Gegensatz zum Versicherten die Meinung vertrat, es solle kein Prozess geführt werden, weil dieser keine Erfolgschancen habe (Sachverhalt B). Da zur Beurteilung dieser Frage das Schiedsgericht zuständig ist, hat sich das Bundesgericht mit Art. 9 RSV-VO befasst und ist - nach Prüfung der gesetzlichen Grundlage von Art. 9 RSV-VO (E. 3) - zum Schluss gelangt, dass die Versicherungsgesellschaft den Versicherten über das Schiedsverfahren zu spät informiert habe. Das Gericht hat aus diesem Grund das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherten ungeachtet darum anerkannt, ob tatsächlich Erfolgsaussichten bestanden oder nicht (E. 4 und 5). Diesem Entscheid ist daher zu entnehmen, dass zur Beurteilung der Deckung entsprechend dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm kein Schiedsverfahren durchzuführen ist.
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2.7 Diese Auslegung entspricht - soweit ersichtlich - auch der einhelligen Lehre. So wird als unabdingbare Voraussetzung für ein Schiedsverfahren verlangt, dass ein versicherungsvertraglich gedeckter Schadenfall eingetreten sei; die Frage der Deckung sei keine Frage, die im Schiedsverfahren zu klären sei; allenfalls könne  eine diesbezügliche Einrede vom Schiedsrichter vorfrageweise beurteilt werden, wenn sie zusammen mit einem unter den Anwendungsbereich von Art. 9 RSV-VO fallenden Streit geltend gemacht werde (POLTERA, Der Rechtsschutzversicherungsvertrag und das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten in der Schadenabwicklung, Diss. St. Gallen 1999, S. 127 ff.). Weiter wird auf Art. 6 der europäischen Richtlinie hingewiesen und ausgeführt, das Schiedsverfahren sei "pour les divergences d'opinion en matière de gestion des sinistres" vorgesehen und dürfe nicht vorgeschrieben werden "pour les différends entre assureurs et assurés qui portent sur d'autres objets (par exemple application d'une clause d'exclusion, interprétation d'une disposition des conditions générales, etc.)" (DUTOIT, Ordonnance sur l'assurance de la protection juridique du 18 novembre 1992, in: SVZ 62/1994 S. 43/44 N. 115). Das Schiedsverfahren sei vorgesehen zur Bereinigung des Vorgehens zur Beilegung eines Streitfalles (Inanspruchnahme eines Anwalts, Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, Kosten für ein Beweisverfahren, Einlegung eines Rechtsmittels usw.), dagegen nicht zur Bereinigung von Deckungsfragen, welche von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden seien (SÜSSKIND, Die Rechtsschutzversicherung, in: Plädoyer 1992 3 S. 40).
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Erwägung 3
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