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29. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. GmbH und Obergericht des Kantons Luzern (Staatsrechtliche Beschwerde) |
4P.25/2007 vom 15. März 2007 | |
Regeste |
Art. 36 und 52 LugÜ, Art. 20 IPRG, Art. 29 BV. Vollstreckung nach dem Luganer Übereinkommen. Nichteintreten auf ein Rechtsmittel wegen Verspätung. | |
Sachverhalt | |
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Dieser Entscheid wurde am 5. September 2006 von Z., dem Ehemann der Beschwerdeführerin, an dessen Domizil in A. in Empfang genommen.
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Das Bundesgericht hebt das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 1. Dezember 2006 unter Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde der Beschwerdeführerin auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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Ist zu entscheiden, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Vertragsstaats, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, so wendet das Gericht nach Art. 52 Abs. 1 LugÜ sein Recht an. Das Obergericht erwog zunächst zutreffend, dass der zivilrechtliche Wohnsitzbegriff zur Anwendung gelange, wenn wie hier keine besondere zivilprozessrechtliche Norm über den Wohnsitz bestehe (JAN KROPHOLLER, ![]() | 6 |
Dem kann nicht gefolgt werden. Das Obergericht hat verkannt, dass auch im Rahmen der Vollstreckung nach dem Luganer Übereinkommen internationale Verhältnisse vorliegen. Da sich der Wohnsitz nach Art. 52 LugÜ nicht vertragsautonom, sondern nach dem nationalen Recht, grundsätzlich demjenigen des Gerichtsstandes bestimmt, ist damit der Wohnsitzbegriff nach Art. 20 IPRG massgebend (ISAAK MEIER/MIGUEL SOGO, Internationales Zivilprozessrecht und Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., Zürich 2005, S. 97 Ziff. 2; ANTON K. SCHNYDER/MANUEL LIATOWITSCH, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Zürich 2006, Rz. 555; MARCO LEVANTE, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht der Schweiz, Diss. St. Gallen 1998, S. 29 f.; vgl. auch GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2002, S. 176: Ist - wie nach Art. 52 LugÜ - auf inländische Vorschriften zurückzugreifen, sind nach diesem Autor die massgeblichen inländischen Bestimmungen diejenigen des IPRG, erst hilfsweise diejenigen des GestG [SR 272]. Vgl. auch BERNARD DUTOIT, Kommentar zum IPRG, 4. Aufl., Basel 2004, N. 4 zu Art. 112 IPRG, der zwar auf Art. 23 ZGB verweist, aber auch anmerkt, dass sich dieser nicht von Art. 20 IPRG unterscheide). Nach Abs. 1 lit. a dieser Bestimmung hat eine natürliche Person ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Dieser Wohnsitzbegriff unterscheidet sich dabei von demjenigen des ZGB dadurch, dass keine fiktiven Wohnsitze anerkannt werden, insbesondere also nicht der fortgesetzte Wohnsitz im Sinne von Art. 24 Abs. 1 ZGB (BGE 119 II 64 E. 2a/aa, BGE 119 II 167 E. 2b ![]() | 7 |
Das Obergericht hat somit zu Unrecht entschieden, mangels Nachweises des Erwerbs eines neuen Wohnsitzes gelte für die Beschwerdeführerin der fortgesetzte Wohnsitz nach Art. 24 Abs. 1 ZGB als Wohnsitz im Sinne von Art. 36 LugÜ. Ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsauffassung hat es keine Feststellungen über die allein erhebliche Frage getroffen, wo sich zur massgebenden Zeit ihr tatsächlicher Lebensmittelpunkt befand. Es wäre indessen im Rahmen der von Amtes wegen zu prüfenden Frage, ob die Beschwerdeführerin ihren Rekurs fristgerecht erhoben hat, verpflichtet gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, wo sich ihr tatsächlicher Lebensmittelpunkt befindet, um zu bestimmen, welche der in Art. 36 LugÜ vorgesehenen Rechtsmittelfristen anwendbar ist. Indem es, ohne entsprechende Feststellungen zu treffen, annahm, die einmonatige Rekursfrist nach Art. 36 Abs. 1 LugÜ sei anwendbar, und in der Folge auf den Rekurs wegen Verspätung nicht eintrat, verletzte es den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör.
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Das Obergericht wird demnach abzuklären haben, wo sich im massgeblichen Zeitpunkt der tatsächliche Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin befunden hat. Dabei wird es die im Verfahren bereits vorgebrachten Behauptungen und die ins Recht gelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen haben und - soweit damit kein Nachweis über den Lebensmittelpunkt zu erbringen ist - nach Massgabe der anwendbaren Verfahrensvorschriften allenfalls weitere Beweise zu erheben haben.
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Sollte sich danach ergeben, dass sich der tatsächliche Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin nicht mehr in A. befindet und kein Wohnsitz in der Schweiz, sondern nur ein solcher in einem anderen Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens in Frage kommt, ![]() | 10 |
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