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15. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_582/2007 vom 4. Dezember 2007 | |
Regeste |
Art. 13 Abs. 2 HEntfÜ; Widersetzen des Kindes. | |
Sachverhalt | |
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Während das Bezirksgerichtspräsidium Arlesheim das Gesuch des Vaters vom 9. Mai 2007 um sofortige Rückführung der Kinder nach Frankreich abwies, verpflichtete das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Mutter zur unverzüglichen Rückführung.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Kantonsgericht hat diesbezüglich erwogen, B. sei erst acht Jahre alt und im Übrigen sei es ihm egal, ob er in der Schweiz oder in Frankreich lebe, solange er mit seiner Mutter und seiner Schwester zusammenbleiben könne. A. sei bereits 14-jährig und verfüge entsprechend über die nötige Reife für eine eigene Meinungsbildung. Gemäss dem von ihrer Anhörung erstellten Protokoll fühle sie sich am neuen Ort wohl, gehe es ihr in der Schweiz gut und wolle sie lieber bei der Mutter wohnen; demgegenüber seien keine ernsthaften und nachvollziehbaren Gründe oder sonstigen Willensäusserungen zum Ausdruck gebracht worden, woraus sich eine Aversion gegen Frankreich und ein eigentliches Widersetzen gegen die Rückführung ableiten liesse.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, diese Feststellungen seien falsch, da sie diametral den Schlussfolgerungen der ersten Instanz entgegenstünden, die auch die Anhörung durchgeführt habe. Aufgrund der Begebenheiten hätte das Kantonsgericht zum Schluss kommen müssen, dass zumindest A. sich der Rückkehr widersetze und damit der Verweigerungsgrund von Art. 13 Abs. 2 HEntfÜ gegeben sei.
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Die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann jedoch den Sachverhalt von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist (Art. 105 Abs. 2 BGG); die Beschwerdeführerin erhebt auch ![]() | 7 |
Im Zusammenhang mit der Sachverhaltsbasis stellt sich vorweg die Frage, ob die Sache nicht zur erneuten Anhörung von A. an das Kantonsgericht zurückzuweisen wäre, nachdem dieses die Art der Durchführung und der Protokollierung durch die erste Instanz kritisiert hatte. Indes ist das Protokoll relativ ausführlich und gibt die Motive von A., weshalb sie lieber in der Schweiz bleiben würde, gut und nachvollziehbar wieder. Es ist nicht ersichtlich, was bei einer erneuten Anhörung im jetzigen Verfahrensstadium an zusätzlichen Erkenntnissen zu gewinnen wäre, zumal eine inquisitorische Befragung bei der Kindesanhörung nicht am Platz ist und diese im Grundsatz nur dann wiederholt durchgeführt werden sollte, wenn es unumgänglich erscheint (BGE 133 III 553 E. 4 S. 554 f.). Die dahingehende Gehörsrüge der Beschwerdeführerin ist jedenfalls unbegründet, umso mehr als sie vor Kantonsgericht keine erneute Anhörung verlangt, sondern vielmehr sinngemäss ausgeführt hatte, die erstinstanzliche Anhörung sei korrekt erfolgt und damit müsse es sein Bewenden haben.
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Aus dem Anhörungsprotokoll ergibt sich, dass es A. in T. gut gefällt und sie ausser in Deutsch und Geschichte auch mit ihren schulischen Leistungen zufrieden ist. Sie habe schnell Freunde in T. gefunden, habe aber auch noch Kontakt zu ihren Freundinnen in ![]() | 9 |
Was die Aussagen zur Beziehung mit dem Vater anbelangt, ist festzuhalten, dass es im Rückführungsverfahren gerade nicht um Obhuts- und schon gar nicht um Sorgerechtsfragen, sondern einzig darum geht, den aufenthaltsrechtlichen status quo ante wiederherzustellen; mit anderen Worten steht nicht eine Platzierung beim Vater, sondern die Rückkehr nach Frankreich als solche zur Diskussion. Dass A. diese Rückkehr grundsätzlich verweigern würde, lässt sich den protokollierten Aussagen nicht entnehmen und entsprechend liegt entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin auch keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch das Kantonsgericht vor. Vielmehr spricht A. von Problemen, die in der Natur einer jeden Rückführung liegen, so etwa, dass es (jedenfalls bei Ausschöpfung der Rechtsmittelwege) infolge Zeitablaufes regelmässig nicht mehr möglich ist, in der angestammten Schulklasse weiterzufahren. Dass A. angesichts solcher Unannehmlichkeiten lieber in der Schweiz bleiben würde, wo sie inzwischen auch viele neue Freunde gefunden hat, ist nichts als normal und stellt für sich genommen noch kein "Widersetzen" im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HEntfÜ dar. Dieses muss vielmehr qualifizierter Natur, d.h. mit nachvollziehbaren speziellen Gründen unterlegt sein und überdies mit einem gewissen Nachdruck vertreten werden, weil die betreffende Norm dem Kind kein freies Wahlrecht einräumt, mit welchem es gewissermassen über den Aufenthaltsort der Familie entscheiden könnte, sondern es sich dabei um einen Ausnahmetatbestand vom Grundsatz handelt, wonach widerrechtlich verbrachte Kinder bei entsprechendem Gesuch des anderen Elternteils in den Herkunftsstaat zurückzuführen sind.
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Dass sodann der achtjährige B. mit Bezug auf die relevante Fragestellung von vornherein noch nicht zu autonomer Willensbildung fähig ist (BGE 133 III 146), stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage und sie behauptet auch keine Verweigerung der Rückkehr. Gemäss den protokollierten Aussagen kennt er denn auch den genauen Zusammenhang der Anhörung nicht und will er mit Mutter und Schwester zusammenbleiben, wobei es für ihn keine Rolle spielt, ob dies in Frankreich oder in der Schweiz ist.
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