BGE 134 III 248 | |||
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43. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Flughafen Zürich AG (Berufung) |
5C.144/2006 vom 18. Dezember 2007 | |
Regeste |
Art. 641 Abs. 2, Art. 679 und 684 ZGB; Immissionen aus dem Flugbetrieb. |
Dies gilt sowohl für den Überflug stricto sensu als auch für den Durchflug in grösserer Höhe (E. 5.2). | |
Sachverhalt | |
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Die Flughafen Zürich AG (nachfolgend: Beklagte) ist seit 1. Juni 2001 Betreiberin des Flughafens Zürich und Inhaberin der Betriebskonzession des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
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B. Am 4. April 2003 wurden seitens der deutschen Behörden die Einschränkungen für die An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich durch Änderung der 213. Durchführungsverordnung verschärft, indem ab 17. April 2003 die Nachtflugsperre um je eine Stunde am Morgen (6 bis 7 Uhr) und am Abend (21 bis 22 Uhr) verlängert und die minimale Überflughöhe angehoben wurde; vorgesehen war ausserdem, die Ausnahmegründe für einen Anflug von Norden her zu den Sperrzeiten auf den 10. Juli 2003 erheblich einzuschränken.
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Infolge dieser Einschränkungen wurde das Betriebsreglement für den Flughafen Zürich verschiedentlich provisorisch geändert.
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Am 30. Oktober 2003 wurden Südanflüge im sogenannten VOR/ DME-Anflugverfahren, am 30. April 2004 im LOC/DME-Anflugverfahren sowie am 31. Oktober 2004 im ILS-Anflugverfahren eingeführt.
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C. Die Liegenschaft des Klägers liegt in der Südanflugschneise, in welcher der Flughafen Zürich seit Ende Oktober 2003 zu Randzeiten angeflogen wird.
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Mit Klage vom 29. Oktober 2004 stellte der Kläger beim Bezirksgericht Uster folgende Rechtsbegehren:
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"Die Beklagte sei unter Androhung von Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass keine Luftfahrzeuge im Anflug auf die Piste 34 des Flughafens Zürich-Kloten die Parzelle Kataster Nr. x, Grundbuchblatt y, Plan z in weniger als 500 Meter Höhe oder in einer eventuell vom Gericht festzulegenden Mindesthöhe überfliegen.
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Eventualiter sei vorstehende Verpflichtung mit der Massgabe auszusprechen, dass sie sechs Monate nach Rechtshängigkeit dieser Klage in Kraft tritt."
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Mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 trat das Bezirksgericht auf die Klage nicht ein, weil es sich als Zivilgericht als sachlich nicht zuständig erachtete.
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D. Dagegen erhob der Kläger am 18. Januar 2006 Rekurs an das Obergericht des Kantons Zürich. Dessen I. Zivilkammer wies den Rekurs mit Beschluss vom 25. April 2006 ab.
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E. Gegen den obergerichtlichen Beschluss reichte der Kläger am 24. Mai 2006 Berufung ein und machte geltend, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben, die Streitigkeit dem Bundeszivilrecht zuzuordnen und die Sache zur materiellen Beurteilung an das Bezirksgericht Uster zu weisen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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3. Gegen die Argumentation des Obergerichts wendet der Kläger ein, dass direkte Einwirkungen auf fremdes Eigentum - wie etwa ein Überflug - selbst von öffentlichen Unternehmen stets im Voraus durch Einräumung einer Dienstbarkeit zu sichern seien; die von der Einwirkung betroffenen Personen seien bekannt und die vorgängige Sicherung des Rechts damit möglich. Die Frage, in welcher Höhe ein Überflug zu erfolgen habe, damit für ihn kein Abwehrrecht mehr bestehe, sei vom Richter zu beurteilen, welcher in der Sache entscheiden werde. Ferner habe das Obergericht verkannt, dass in BGE 129 II 72, auf den es sich gestützt habe, lediglich Entschädigungsforderungen von Anrainern zu beurteilen gewesen seien, welche die Überflüge seit Jahrzehnten geduldet hätten; die entsprechenden Ausführungen des Bundesgerichts seien nicht entscheidrelevant gewesen und seien demgemäss lediglich als obiter dicta zu verstehen, welche überdies keine einlässliche Begründung aufwiesen. In Analogie zum Notwegrecht, welches erst mit Eintragung im Grundbuch entstehe, sei erforderlich, dass die Beschränkung der eigentumsrechtlichen Abwehrrechte im Voraus erfolge. Für die Frage der Zuständigkeit des Zivilrichters sei das Kriterium der Vermeidbarkeit der Überflüge nicht massgeblich; dieses sei lediglich im Zusammenhang mit Immissionen, nicht aber mit direkten Einwirkungen von Bedeutung. Das Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (LFG; SR 748.0) sehe zwar kein Plangenehmigungsverfahren für Betriebsänderungen vor. Gleichwohl sei in verfassungskonformer Auslegung des LFG (Berücksichtigung der Bestandesgarantie) die vorgängige Sicherung der Überflugsrechte erforderlich; das Bundesgericht habe in einem anderen Fall, welcher die Beklagte betroffen habe, denn auch entschieden, sie dürfe Sicherheitsvorkehren auf Nachbargrundstücken, welche im Zusammenhang mit Überflügen stünden - das Anbringen von Dachziegelklammern -, nur gestützt auf die Inanspruchnahme des Enteignungsrechts, allenfalls aufgrund einer vorzeitigen Besitzeinweisung vornehmen.
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4. Nach Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht (BGE 132 III 353 E. 2.1 S. 356). Das Interesse des Grundeigentümers reicht somit bis zu einer bestimmten Höhe (BGE 104 II 86 E. 1 S. 88 f.; BGE 103 II 96 E. 2 S. 100). Der Grundeigentümer kann sich gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB gegen das Überfliegen zur Wehr setzen, wenn es ihn in der Ausübung seiner Eigentumsrechte behindert (BGE 104 II 86 E. 1 S. 88; BGE 103 II 96 E. 2 S. 100). Er kann sich aber auch gegen übermässige (Flug-)Lärmimmissionen auf Grund von Art. 679 und 684 ZGB zur Wehr setzen. Das gilt jedenfalls für sog. Flugfelder, die zwar einer Betriebsbewilligung (Art. 36b Abs. 1 LFG; siehe ferner Art. 2 und 17 ff. der Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur der Luftfahrt [VIL; SR 748.131.1]), aber keiner Konzession bedürfen und auch nicht mit dem Enteignungsrecht ausgestattet sind.
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5.1 Mit Erteilung der Betriebskonzession und dem damit verbundenen Enteignungsrecht steht nicht nur fest, dass der Betrieb des Flughafens im vorrangigen öffentlichen Interesse liegt, sondern auch, dass damit verbundene übermässige Immissionen grundsätzlich zu dulden sind, wenn sie nicht vermeidbar sind, und vom Enteignungsrecht erfasst werden. Damit weichen die privatrechtlichen Abwehransprüche dem vorrangigen Interesse und stehen die nachbarrechtlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche gemäss Art. 679 ZGB nicht zur Verfügung (BGE 119 Ib 334 E. 3a S. 341; BGE 116 Ib 249 E. 2a S. 253; BGE 106 Ib 241 E. 3 S. 244). An deren Stelle tritt ein Anspruch auf Entschädigung für die Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche (Art. 5 Abs. 1 EntG [SR 711]), falls die übermässigen Immissionen im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstückes unvorhersehbar waren, eine besondere Schwere aufweisen und erheblichen Schaden verursachen (BGE 129 II 72 E. 2.1 S. 74; BGE 128 II 231 E. 2.1 S. 233 f.; BGE 124 II 543 E. 3a S. 548, E. 5a S. 551; BGE 123 II 481 E. 7a S. 490 f.; vgl. auch BGE 130 II 394 E. 7.1 S. 402).
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Die von den Einwirkungen Betroffenen haben die sich aus dem EntG ergebenden Ansprüche im Enteignungsverfahren wahrzunehmen, in welchem sie namentlich auch geltend machen können, bestimmte übermässige Einwirkungen könnten vermieden werden. Insoweit ist das enteignungsrechtliche Einspracheverfahren im Falle der Unterdrückung nachbarlicher Abwehrrechte das massgebliche Verfahren zur Beurteilung der Zulässigkeit und des Umfangs der Einwirkung (BGE 130 II 394 E. 6 S. 400 f.; MARGRIT SCHILLING, Enteignungsrechtliche Folgen des zivilen Luftverkehrs, in: ZSR 125/2006 I S. 18, mit Hinweisen; TOBIAS JAAG, Öffentliches Entschädigungsrecht, in: ZBl 98/1997 S. 170). Es liegt in solchen Fällen nicht am Zivilrichter, in einem zum Enteignungsverfahren parallelen Verfahren zu prüfen, ob mit dem bestimmungsgemässen Betrieb des Flughafens verbundene übermässige Einwirkungen vermeidbar sind und insoweit vom Enteignungsrecht nicht erfasst werden.
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Die Rechtsprechung zum Enteignungsrecht unterscheidet zwischen dem Überflug stricto sensu, d.h. dem Durchfliegen der Flugzeuge in geringer Höhe, und dem Durchflug in grösserer Höhe : Ein Überflug stricto sensu stellt einen direkten Eingriff in den Luftraum eines Grundstückes dar und bedeutet - vorbehältlich des vorgängigen Rechtserwerbs - eine ungerechtfertigte Einwirkung (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Demgegenüber ist ein Durchflug in grösserer Höhe nicht als ungerechtfertigte Einwirkung zu qualifizieren (BGE 129 II 72 E. 2.3 S. 76); er kann jedoch indirekte übermässige Einwirkungen (Immissionen) mit sich bringen, zumal der Lärm startender und landender Flugzeuge, auch soweit er nicht auf oder über dem Flugplatzareal entsteht, als Einwirkung des Flughafens gilt (BGE 123 II 481 E. 7a S. 491; BGE 120 II 15 E. 2a S. 17 mit Hinweisen). Die Unterscheidung zwischen Überflug stricto sensu und Durchflug in grösserer Höhe ist insoweit bedeutsam, als die Enteignungsentschädigung wegen übermässiger Lärmimmissionen von den Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit, der Spezialität und der Schwere abhängt (BGE 129 II 72 E. 2.5 S. 77). Sie ist indessen für die hier interessierende Frage des Verfahrens und der Zuständigkeit irrelevant. Rühren die Einwirkungen vom bestimmungsgemässen Gebrauch eines konzessionierten und mit dem Enteignungsrecht ausgestatteten Flughafens her, ist es Sache des Enteignungsrichters, über den Umfang des Rechtes, aber auch über Fragen der Entschädigung zu entscheiden. Die Abwehrrechte des Privatrechts sowohl hinsichtlich des Überflugs stricto sensu wie auch hinsichtlich übermässiger Immissionen stehen in diesen Fällen nicht zur Verfügung, und es tritt der Anspruch auf Enteignungsentschädigung an Stelle der privaten Klagen (BGE 129 II 72 E. 2.4 S. 77).
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