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58. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Stadt Zürich (Berufung) |
5C.42/2007 vom 8. Februar 2008 | |
Regeste |
Dienstbarkeit. | |
Sachverhalt | |
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A.a X. (vormals Y.) ist seit 1976 Eigentümerin des Grundstücks Kat.-Nr. x, GBBl. y, mit dem Haus B. in Zürich. Zu Lasten dieser Liegenschaft und zu Gunsten der Stadt Zürich ist seit dem 24. November 1909 folgende als "Quartierservitut" bezeichnete Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen:
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"Es dürfen keine Fabriken angelegt und keine geräuschvollen, die Luft verunreinigenden, unsittlichen oder feuersgefährlichen Gewerbe betrieben werden. Ebenso ist die Anlage von Werkplätzen für Steinhauer, Zimmerleute etc. und die Ausübung von Droschken- und Fuhrhaltereigeschäften nicht gestattet."
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A.b Durch eine Mieterin wird seit dem 8. September 1995 im ersten und seit etwa Mitte 1999 auch im zweiten Obergeschoss des Hauses B. unter dem Namen "D." ein Sexsalon betrieben. Das von der Salon-Inhaberin erst nachträglich eingereichte Gesuch um Erteilung der baurechtlichen Bewilligung der Nutzungsänderung wurde von der Bausektion der Stadt Zürich am 19. Juli 2000 abgewiesen. Die anschliessenden verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelverfahren führten am 5. Mai 2003 zu einem Urteil der I. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1P.771/2001 und 1P.773/2001), worin die von Y. (X.) und der Mieterin erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden teilweise gutgeheissen wurden. Mit Entscheid vom 18. Februar 2004 stellte die Bausektion der Stadt Zürich in der Folge fest, dass das Bordell im ersten Obergeschoss zulässig und nur im zweiten Obergeschoss aufzuheben sei.
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B. Mit Eingabe vom 12. August 2004 reichte die Stadt Zürich beim Bezirksgericht Zürich gegen X. Klage ein und beantragte, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsbusse oder Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB zu verbieten, in der Liegenschaft B. sexgewerbliche Dienstleistungen anzubieten oder zu dulden.
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Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die zu Gunsten der Klägerin und zu Lasten ihres Grundstücks im Grundbuch eingetragene Personaldienstbarkeit "Quartierbestimmungen betr. ![]() | 6 |
Das Bezirksgericht hiess die Klage am 18. Januar 2006 gut und wies die Widerklage ab.
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In Abweisung einer Berufung der Beklagten bestätigte das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich diesen Entscheid mit Urteil vom 22. Dezember 2006.
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C. Mit Eingabe vom 15. Februar 2007 hat die Beklagte eidgenössische Berufung erhoben und beantragt, die Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Mit dem Hinweis, Gemeindeservituten seien heute widerrechtlich im Sinne von Art. 20 OR, hält die Beklagte die strittige Dienstbarkeit für nichtig. Ihre Auffassung begründet sie im Wesentlichen damit, die Quartierservitut habe dazu gedient, Anlagen und Gewerbe, von denen übermässige Einwirkungen ausgingen, zu untersagen. Es sei der Klägerin bei deren Errichtung mithin einerseits um Immissionsschutz gegangen, doch habe sie andererseits auch nutzungsplanerische Interessen verfolgt. Vor dem Erlass des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 [PBG/ZH; LS 700.1]) und der entsprechenden kommunalen Ausführungsgesetzgebung seien auf diese Weise eine Vielfalt von Gemeindeservituten errichtet worden. Heute fänden sich öffentlichrechtliche Vorschriften, die wie die strittige Quartierservitut positiv auf eine geordnete Bodennutzung hinlenken wollten, in diesen Erlassen. So halte Art. 24c Abs. 3 der Bauordnung der Stadt Zürich (BZO) beispielsweise fest, dass in ![]() | 12 |
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Servituten, die im Dienste des öffentlichen Bau- und Planungsrechts stehen, sind seit jeher als zulässig betrachtet worden (vgl. BGE 78 II 21 E. 4 S. 26 f. bezüglich einer zu Gunsten des Kantons Zürich errichteten Dienstbarkeit auf Unterlassung des Betreibens einer Gastwirtschaft; PETER LIVER, Zürcher Kommentar, Die Grunddienstbarkeiten, Einleitung N. 100 ff. und N. 114 zu Art. 730 ZGB). Von Bedeutung waren solche Dienstbarkeiten beispielsweise auch immer wieder im Rahmen von Enteignungen (vgl. Art. 5 und 91 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Enteignung [EntG; SR 711]; BGE 116 Ib 241 E. 3a S. 245; BGE 99 Ia 364 E. 4b S. 368 f.; LIVER, a.a.O., N. 102 a.E. zu Art. 730 ZGB; HANS MICHAEL RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, 2. Aufl., Bern 2000, § 11 N. 10).
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Aufgrund der Entwicklung des öffentlichen Bau- und Planungsrechts in neuerer Zeit mögen privatrechtliche Dienstbarkeiten als Instrumente auf diesem Gebiet an Bedeutung verloren haben. Für den vorliegenden Fall ist jedoch immerhin auf den in § 218 Abs. 2 PBG/ZH nach wie vor ausdrücklich festgehaltenen Vorbehalt zu Gunsten privatrechtlicher Regelungen wie auch auf die Anwendungsfälle etwa bei Quartierplänen (§§ 139 und 140 PBG/ZH) sowie bei Grenzbereinigungen (§ 180 PBG/ZH) hinzuweisen. Es kann unter diesen ![]() | 15 |
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Soweit die Beklagte (in formeller Hinsicht) geltend macht, die privatrechtliche Dienstbarkeit sei überflüssig, weil das öffentliche Baurecht eine entsprechende Bestimmung enthalte, verdient ihr Standpunkt keinen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 ZGB): Es geht nicht an,
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4.2 Soweit die von der Beklagten angesprochene Frage sich überhaupt nach Bundesrecht beurteilt und damit hier zu prüfen ist (dazu nicht publ. E. 6.2), ist darauf hinzuweisen, dass beispielsweise das Bezirksgericht Zürich eine gleichlautende Formulierung als hinreichend bestimmt betrachtet hat (Urteil vom 17. Januar 1936, publ. in: ZBGR 17/1936 S. 265 ff. und SJZ 33/1936-37 Nr. 23 S. 123 f.; offenbar zustimmend LIVER, a.a.O., N. 97 und 193 zu Art. 730 ZGB; a.M. HEINZ REY, Berner Kommentar, N. 91 zu Art. 730 ZGB). Auch wenn heutzutage wohl eine andere Umschreibung gewählt würde, ist der in jenem Entscheid vertretenen Auffassung beizupflichten. Es besteht in der Tat ein genügender Bestimmtheitsgrad. Ein gewisser Auslegungsspielraum liegt in der Natur von Dienstbarkeiten der in Frage stehenden Art. So kann angesichts der Vielfalt heutiger Bewirtungsformen etwa auch der Begriff "Gastwirtschaftsbetrieb" (vgl. BGE 87 I 311 ff.) oder der Begriff "lärmendes, gesundheitswidriges oder ekelerregendes Gewerbe" (vgl. BGE 88 II 145 ff.) auslegungsbedürftig sein. Der in der beklagtischen Liegenschaft eingerichtete Betrieb lässt sich auf jeden Fall nach wie vor unter den in der strittigen Dienstbarkeit gewählten Begriff "unsittliches Gewerbe" subsumieren.
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