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60. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen A. und Y. Arbeitslosenkasse (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_47/2008 vom 29. April 2008 |
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG. |
Arbeitsvertrag; Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bei Schwangerschaft nach der Kündigung; Berechnung der Kündigungsfrist nach Art. 336c Abs. 2 OR. | |
Sachverhalt | |
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Am 23. Januar 2007 teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mündlich mit, das Arbeitsverhältnis werde nicht weitergeführt. Nach dem 24. Januar 2007 arbeitete die Arbeitnehmerin nicht mehr für die Arbeitgeberin. Mit Schreiben vom 25. Januar 2007 gab die Arbeitgeberin gegenüber der Arbeitnehmerin an, der Beginn der Schwangerschaft könne auf den 10. November 2006 festgelegt werden. Die dreimonatige Kündigungsfrist sei somit bereits vor dem Beginn der Sperrfrist abgelaufen gewesen, weshalb am Kündigungstermin festgehalten werde. Die bis zum 24. Januar 2007 erbrachten Arbeitsstunden würden als Ferienaushilfe vergütet. Mit Schreiben vom 26. Januar 2007 gab die Arbeitnehmerin - vertreten durch die Y. Arbeitslosenkasse - an, die Kündigungsfrist sei in die Sperrfrist gefallen, welche noch bis 16 Wochen nach der Geburt laufe. Das Arbeitsverhältnis dauere somit noch an, weshalb die Arbeitnehmerin ihre Arbeitskraft weiter anbiete. Auf dieses Schreiben reagierte die Arbeitgeberin nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. März 2007 machte die Arbeitnehmerin erneut geltend, die Kündigungsfrist habe nach der Methode der Rückwärtsrechnung in der Sperrfrist gelegen, weshalb die Arbeitnehmerin bei der Arbeitgeberin weiter beschäftigt werden solle. Am 2. August 2007 gebar die Arbeitnehmerin ein Mädchen.
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B. Mit Klage vom 29. Mai 2007 belangte die Arbeitnehmerin (Klägerin 1) die Arbeitgeberin (Beklagte) beim Arbeitsgericht St. Gallen auf Zahlung von Fr. 6'992.30 brutto samt 5 % Zins seit dem 29. Mai 2007. Zur Begründung führte die Klägerin 1 aus, die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt, weshalb sich das Arbeitsverhältnis bis Ende Mai 2007 verlängere. Für diese Zeit verlangte sie Lohn abzüglich des für den Januar 2007 erhaltenen Bruttolohns von Fr. 1'232.70.
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Mit Schreiben vom 7. Juni 2007 beantragte die Y. Arbeitslosenkasse (Klägerin 2), im Prozess zwischen der Klägerin 1 und der Beklagten als Nebenklägerin zugelassen zu werden. In der Folge verlangte die Klägerin 2 von der Beklagten aus gesetzlicher Subrogation ![]() | 4 |
Mit Entscheid vom 27. September 2007 stellte das Arbeitsgericht St. Gallen fest, die Beklagte schulde aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin 1 Fr. 6'992.30 brutto nebst Zins zu 5 % seit dem 29. Mai 2007 und verpflichtete die Beklagte, vom sich daraus ergebenden Nettolohn Fr. 5'312.25 an die Klägerin 2 und den Rest an die Klägerin 1 zu bezahlen.
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Zur Begründung führte das Arbeitsgericht zusammengefasst aus, bei der Hemmung der Kündigungsfrist gemäss Art. 336c Abs. 2 OR sei gemäss der Rechtsprechung von der Methode der Rückrechnung auszugehen. Dass das Bundesgericht mit dem abweichenden BGE 131 III 467 eine Praxisänderung gewollt habe, sei nicht anzunehmen, da eine solche nicht begründet worden und auch nicht gerechtfertigt sei. Demnach dauere die Kündigungsfrist vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006. Der Beginn der Schwangerschaft am 10. November 2006 falle somit in die Kündigungsfrist und hemme diese gemäss Art. 336c Abs. 2 OR bis zum Ablauf der Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. c OR. Die Kündigungsfrist habe damit ab dem 10. November 2006 bis 16 Wochen nach der Geburt am 2. August 2006, d.h. bis zum 22. November 2007, stillgestanden. Die fehlenden 52 Tage der Kündigungsfrist bis zum 31. Dezember 2006 seien daran anzuhängen, so dass sich das Datum vom 13. Januar 2008 ergebe. Da gemäss Ziff. 15.1 lit. b des Landes-Gesamtarbeitsvertrages (L-GAV) für die X.-Gruppe die Kündigungsfrist jeweils auf das Ende eines Monats falle, ende das Arbeitsverhältnis gemäss Art. 336c Abs. 3 OR am 31. Januar 2008.
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C. Die Beklagte (Beschwerdeführerin) erhebt Beschwerde in Zivilsachen mit den Anträgen, der Entscheid des Arbeitsgerichts vom 27. September 2007 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin 1 (Beschwerdegegnerin 1) schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Klägerin 2 (Beschwerdegegnerin 2) und das Arbeitsgericht liessen sich nicht vernehmen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
1.3 Die Beschwerde in Zivilsachen ist bei vermögensrechtlichen Angelegenheiten in arbeitsrechtlichen Fällen grundsätzlich nur ![]() | 10 |
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1.5 In der Lehre wird BGE 131 III 467 kritisiert und die Meinung vertreten, das Bundesgericht habe damit wohl keine Änderung der Rechtsprechung vornehmen wollen (GABRIEL AUBERT, Calcul du ![]() | 12 |
Erwägung 2 | |
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"1 Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
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a. während die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher;
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b. während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen;
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c. während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin;
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d. während der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers an einer von der zuständigen Bundesbehörde angeordneten Dienstleistung für eine Hilfsaktion im Ausland teilnimmt.
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2 Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.
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3 Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin."
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Erwägung 3 | |
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts sei die vom Bundesgericht in BGE 131 III 467 vorgesehene Lösung richtig. Art. 336c Abs. 2 OR bezwecke, dem Arbeitnehmer zur Suche nach einer neuen Stelle die volle Kündigungsfrist zu gewährleisten. Habe aber diese Frist zur Verfügung gestanden, gebe es gemäss BGE 124 III 474 keinen Grund für eine nochmalige Verlängerung der Kündigungsfrist. Zudem sei verfehlt anzunehmen, der Arbeitnehmer brauche besonders gegen Ende des ![]() | 22 |
3.2 Mit diesen Vorbringen verlangt die Beschwerdeführerin eine Änderung der Rechtsprechung. Eine solche ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Gerichten ist es nicht verwehrt, eine bisher geübte Praxis zu ändern, wenn sie zur Einsicht gelangen, dass eine andere Rechtsanwendung dem Sinn des Gesetzes oder veränderten Verhältnissen besser entspricht. Eine Praxisänderung muss sich jedoch auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die umso gewichtiger sein müssen, je länger die als nicht mehr richtig erkannte bisherige Praxis befolgt wurde (BGE 133 III 335 E. 2.3 mit Hinweisen). Ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Rechtsprechung gegeben sind, ist im Folgenden zu prüfen.
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3.3 Soweit sich die Beschwerdeführerin auf BGE 124 III 474 beruft, lässt sie ausser Acht, dass dieser Entscheid bloss die Frage betrifft, ob eine Arbeitsunfähigkeit während der Fristverlängerung gemäss Art. 366c Abs. 3 OR ebenfalls zu einer Hemmung der Kündigung führe. Dies hat das Bundesgericht verneint, da diese Fristverlängerung nur bezwecke, beiden Parteien den Übergang des Arbeitsverhältnisses und den Ersatz des entlassenen Arbeitnehmers zu erleichtern (BGE 124 III 474 E. 2b/aa S. 477). Die Annahme des Bundesgerichts, dass der Arbeitnehmer in der Regel speziell gegen Ende des Arbeitsverhältnisses darauf angewiesen ist, während der vollen Kündigungsfrist eine neue Stelle suchen zu können, vermag die Beschwerdeführerin nicht zu widerlegen. Sie bestreitet nicht, dass es Stellen gibt, welche kurzfristig besetzt werden. ![]() | 24 |
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