BGE 134 III 475 | |||
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76. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X.Y. AG und A. gegen IG Y. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_133/2008 vom 16. Mai 2008 | |
Regeste |
Gerichtsstand bei Mietstreitigkeiten über unbewegliche Sachen im internationalen Verhältnis (Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ; Art. 112 IPRG; Art. 23 GestG). | |
Sachverhalt | |
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A.a Mit Verfügung vom 24. Januar 1980 erteilte das Grundbuchinspektorat Graubünden der Z. die Grundsatzbewilligung, 667/1000 der Wohnungswertquoten des Aparthotels "Y." in C. an Personen im Ausland zu veräussern, wobei jeder einzelne Verkauf noch einer Einzelbewilligung bedürfe. Die dem Hotel- und Restaurationsbetrieb dienenden Räume blieben im Stockwerkeigentum der Z. bzw. der jeweiligen Rechtsnachfolgerinnen mit der Auflage, hotelmässige Dienstleistungen zu erbringen. An die Einzelbewilligungen wurde unter anderem die Auflage eines fünfjährigen Veräusserungsverbotes und bei 578/1000 (= 65 %) zusätzlich die Verpflichtung geknüpft, die Wohnungen der hotelmässigen Bewirtschaftung zugänglich zu halten. Die Eigentümer der einzelnen Stockwerkeigentumseinheiten schlossen mit der Hotelbetriebsgesellschaft einen Mietvertrag, worin sie sich verpflichteten, das Apartment mindestens sechs Monate pro Jahr zur hotelmässigen Weitervermietung zur Verfügung zu stellen.
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A.b Gestützt auf einen Kaufvertrag vom 8. November 2002 übernahm die X.Y. AG (Beklagte und Beschwerdeführerin 1) am 1. Dezember 2002 die dem Hotel- und Restaurationsbetrieb dienenden Einheiten. Die Erwerberin lehnte es aber ab, in die bisherigen Bewirtschaftungs- bzw. Mietverträge einzutreten.
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A.c Mit Verfügung vom 6. Dezember 2004 hob das Grundbuchinspektorat die Bewirtschaftungsauflagen für die Parteien auf. Im April 2006 stellte die Beschwerdeführerin 1 den Hotelbetrieb ein. Zahlreiche Stockwerkeigentümer mit Wohnsitz in der Schweiz bzw. im Ausland machten geltend, dass ihnen die Beschwerdeführerin 1 für die hotelmässige Inanspruchnahme ihrer Apartwohnungen bislang keine Entschädigung ausgerichtet habe. Sie schlossen sich deshalb im Hinblick auf die Durchsetzung allfälliger Ansprüche zur Interessengemeinschaft (IG) Y. zusammen.
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B. Am 22. November 2006 machten die Mitglieder der IG Y. (Kläger und Beschwerdegegner 1-36) beim Kreispräsidenten Ilanz als Vermittler eine gegen die Beschwerdeführerin 1 sowie gegen deren Verwaltungsratspräsidenten Dr. A. (Beklagter und Beschwerdeführer 2) gerichtete Forderungsklage anhängig mit folgenden Anträgen:
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"1. Die Beklagte 1 sei zu verpflichten, den Klägern den Mietzins für die Bewirtschaftung von deren Apartments im Aparthotel Y. in C. vom 1. Dezember 2002 bis am 6. Dezember 2004 von Fr. 200'000.00 zu bezahlen zuzüglich 5 % Zins seit dem 1. Dezember 2003.
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3. (...)
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4. a) Der Beklagte 2 sei zu verpflichten, den Klägern Fr. 537'200.00 zu bezahlen zuzüglich 5 % Zins seit dem 1. August 2005. (...)"
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Das Bezirksgericht Surselva trat mit Urteil vom 18. Juni 2007 auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein.
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C. Die von den Beschwerdegegnern dagegen erhobene Beschwerde hiess der Kantonsgerichtsausschuss des Kantonsgerichts von Graubünden mit Urteil vom 12. November 2007 gut. Er hob das angefochtene Urteil auf und erklärte das Bezirksgericht Surselva als örtlich zuständig.
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D. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 10. März 2008 beantragen die Beschwerdeführer dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden vom 12. November 2007 sei aufzuheben und es sei auf die Klage nicht einzutreten. Sie rügen eine Verletzung von Art. 23 GestG.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und fasst es insofern neu, als das Bezirksgericht Surselva für die Klagen der Kläger mit Wohnsitz in der Schweiz als örtlich zuständig erklärt wird.
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Aus den Erwägungen: | |
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4.1 Die Beschwerdegegner 5, 8, 13, 17, 24, 27 und 31 haben ihren Wohnsitz bzw. ihren Sitz in der Schweiz. Für ihre Klagen bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Gerichtsstandsgesetz (GestG; SR 272). Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, ergibt sich für Ziff. 1 des Rechtsbegehrens der Beschwerdegegner (Mietzins) gestützt auf Art. 23 GestG der Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache. Mit Bezug auf Ziff. 2 ihres Begehrens (Gewinnherausgabe) folgt die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Surselva aus Art. 7 Abs. 2 GestG (objektive Klagehäufung). Soweit die Beschwerdegegner in Ziff. 4a ihres Rechtsbegehrens vom Beschwerdeführer 2 Schadenersatz wegen widerrechtlicher Inanspruchannahme ihres Eigentums verlangen, stellt Art. 25 GestG den Gerichtsstand am Erfolgsort zur Verfügung, woraus sich wiederum die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Surselva ergibt.
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4.2.1 Mit Bezug auf Ziff. 1 des Rechtsbegehrens der Beschwerdegegner (Mietzins) kommt Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ zur Anwendung (Urteil 4C.334/2002 vom 3. Februar 2003, E. 4.2; vgl. auch KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar, 8. Aufl. 2005, N. 25 zu Art. 22 EuGVVO mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zur Parallelbestimmung des EuGVÜ). Demnach sind die Gerichte des Vertragsstaates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, für die Klage ausschliesslich zuständig. Da die Norm lediglich die internationale Zuständigkeit regelt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Schweiz nach dem IPRG (KROPHOLLER, a.a.O., N. 1 zu Art. 22 EuGVVO; GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2004, N. 20 zu Art. 22 EuGVVO; MYRIAM A. GEHRI, Neuerungen bei den internationalen Vertragsgerichtsständen, in: Karl Spühler [Hrsg.], Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht II, S. 5/20). Dieses kennt keinen speziellen Gerichtsstand für Mietstreitigkeiten, womit die allgemeinen Vertragsgerichtsstände Anwendung finden. Gestützt auf Art. 112 Abs. 1 IPRG sind grundsätzlich die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthalt zuständig; hat der Beklagte weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, ist aber die Leistung in der Schweiz zu erbringen, kann gemäss Art. 113 IPRG am Erfüllungsort geklagt werden. Es ist unbefriedigend, dass das IPRG bei internationalen Sachverhalten - anders als das GestG bei Inlandsachverhalten - für Klagen aus Miete von Immobilien keinen Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache vorsieht. Die Lehre äussert sich dazu denn auch überwiegend kritisch (vgl. etwa FRIDOLIN WALTHER, in: Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, 2. Aufl. 2005, N. 17 zu Art. 23 GestG; BALZ GROSS, in: Müller/Wirth [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, N. 115 zu Art. 23 GestG; ROGER WEBER, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Aufl. 2007, N. 6 der Vorbem. vor Art. 253-274g OR; sowie [noch zu Art. 274b aOR] HIGI, Zürcher Kommentar, N. 248 und 268 der Vorbem. zu Art. 253-274g OR und FRANÇOIS KNOEPFLER, Que reste-t-il de l'autonomie de la volonté en matière de bail immobilier international?, in: Rechtskollisionen, Festschrift für Anton Heini zum 65. Geburtstag, Zürich 1995, S. 239/250 f.). Da das Gerichtsstandsgesetz gemäss seinem Art. 1 Abs. 1 die örtliche Zuständigkeit in Zivilsachen jedoch ausdrücklich nur für den Fall regelt, dass kein internationales Verhältnis vorliegt, kommt de lege lata eine analoge Anwendung von Art. 23 GestG nicht in Betracht; die Einführung des Gerichtsstands am Ort der gelegenen Sache für Klagen aus Miete von Immobilien bei internationalen Sachverhalten kann nur durch den Gesetzgeber vorgenommen werden (vgl. auch NOËLLE KAISER JOB, in: Spühler/Tenchio/Imfanger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Schweizerischen Zivilprozessrecht, Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [GestG], N. 26 zu Art. 23 GestG, wonach in der Beratung der nationalrätlichen Rechtskommission Einigkeit darüber bestand, dass auch Art. 23 Abs. 1 GestG nur für Binnenverhältnisse gelten soll; GROSS, a.a.O., N. 115 zu Art. 23 GestG; WEBER, a.a.O., N. 6 der Vorbem. vor Art. 253-274g OR; a.M. WALTHER, a.a.O., N. 17 zu Art. 23 GestG; SVIT-Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 48 ff. der Vorbem. zu Art. 253-274g OR und N. 22 zu Art. 21 und 23 GestG). Die Vorinstanz hat die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Surselva für Ziff. 1 des Rechtsbegehrens zu Unrecht bejaht.
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4.2.2 Für die Ziff. 2 und 4a des Rechtsbegehrens der Beschwerdegegner (Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bzw. aus unerlaubter Handlung) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus Art. 2 LugÜ in Verbindung mit Art. 127 und Art. 129 Abs. 1 IPRG. Damit sind auch für die Beurteilung dieser Ansprüche die Gerichte am Beklagtenwohnsitz zuständig. Eine Zuständigkeit des Bezirksgerichts Surselva besteht nicht.
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