BGE 134 III 529 | |||
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83. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. SA gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_21/2008 vom 13. Juni 2008 | |
Regeste |
Unerlaubte Handlung (Art. 41 Abs. 1 OR); Art. 3-10 GwG als Schutznormen? | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die X. SA (Beschwerdeführerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Montevideo, Uruguay. Die Y. AG, Zürich, (Beschwerdegegnerin) betreibt Bank- und Finanzdienstleistungen aller Art.
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A.b Die Beschwerdeführerin macht einen Anspruch aus ausservertraglicher Haftung gegen die Beschwerdegegnerin geltend. Sie begründet diesen damit, dass die Beschwerdegegnerin ihren Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Kundenbeziehung zu B. nicht nachgekommen sei. B. hatte als Bevollmächtigter Zugriff auf ein Konto der Beschwerdeführerin bei der Bank C. in Montevideo, Uruguay. Davon überwies er einen Betrag von USD 4 Mio. auf ein auf ihn selbst lautendes Konto bei der Beschwerdegegnerin.
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Die Beschwerdeführerin erachtet dieses Vorgehen von B. als Veruntreuung. Sie wirft der Beschwerdegegnerin vor, trotz zahlreicher Anhaltspunkte für Geldwäscherei bzw. begründetem Verdacht auf eine verbrecherische Herkunft des Geldes zugelassen zu haben, dass B. in mehreren Überweisungen insgesamt rund die Hälfte der USD 4 Mio. wieder vom Konto abgezogen habe.
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B. gab schliesslich die noch bei der Beschwerdegegnerin liegenden rund USD 2 Mio. an die Beschwerdeführerin zurück, worauf diese im Gegenzug eine Desinteresse-Erklärung zuhanden der brasilianischen Staatsanwaltschaft abgab. Das Verfahren gegen B. wegen Veruntreuung wurde daraufhin eingestellt.
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B. Mit Eingabe vom 23. Dezember 2005 klagte die Beschwerdeführerin beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Beschwerdegegnerin auf Zahlung von USD 2'861'859.26 plus 5 % Zins ab 1. Januar 2006. Mit Urteil vom 30. November 2007 wies das Handelsgericht die Klage ab.
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C. Gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 2007 hat die Beschwerdeführerin beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des handelsgerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Streitsache zur Sachverhaltsfeststellung und neuen Beurteilung an die Vorinstanz.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz im Weiteren vor, verkannt zu haben, dass die Art. 3-10 des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0) beiden in Art. 1 GwG genannten Zwecken dienten, vor allem aber der Sicherstellung der Sorgfalt bei Finanzgeschäften, und somit als Verhaltensnormen eigenständige Schutznormen im Sinne von Art. 41 OR seien. Im Zusammenhang mit der Auslegung des GwG macht sie unter anderem eine Verletzung von Art. 1 ZGB geltend.
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In der Literatur werden zur Frage, ob die Verletzung der Verhaltensnormen des Geldwäschereigesetzes den Schutz des Vermögens des Geschädigten gegenüber Schädigungen der konkret vorliegenden Art bezwecken, unterschiedliche Standpunkte vertreten. Während ein Teil der Lehre davon ausgeht, dass die Sorgfaltspflichten gemäss Geldwäschereigesetz als Schutznormen im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR herangezogen werden können (IVO SCHWANDER, Kommentar zu BGE 133 III 323 ff., in: AJP 2007 S. 1179 ff.; NICOLAS BÉGUIN/OLIVIER UNTERNAEHRER, Transit de fonds d'origine criminelle - responsabilité civile de la banque, in: AJP 2007 S. 1122), spricht sich die Mehrheit der Autoren gegen den Schutznormcharakter der Verhaltensnormen des Geldwäschereigesetzes aus (URSULA CASSANI, Le blanchiment d'argent, un crime sans victime?, in: Wirtschaft und Strafrecht, Festschrift für Niklaus Schmid, Zürich 2001, S. 406; PETER LEHMANN, Geldwäscherei als Schutznorm?, in: Schutz & Verantwortung, Liber amicorum für Heinrich Honsell, Zürich/St. Gallen 2007, S. 26 f.; HENRI CORBOZ/PATRICK GÉRARD FLEURY, Le blanchiment d'argent, le renouveau de l'illicéité de comportement?, in: Haftung und Versicherung [HAVE] 3/2004 S. 224 f.; ROMEO CERUTTI, Rechtliche Aspekte der Vermögensverwaltung im Schweizer Universalbankensystem, in: ZSR 127/2008 I S. 94 f.; JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäschereinormen - taugliche Mittel für den privaten Geschädigten?, in: Schmid/Ackermann [Hrsg.], Wiedererlangung widerrechtlich entzogener Vermögenswerte mit Instrumenten des Straf-, Zivil-, Vollstreckungs- und internationalen Rechts, Zürich 1999, S. 53, der allerdings auch von einem fehlenden Schutznormcharakter von Art. 305bis StGB ausgeht).
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4.2 Das Geldwäschereigesetz soll in Ergänzung zu strafrechtlichen Bestimmungen (vgl. Art. 70 ff., 305bis, 305ter StGB) verhindern, dass Gelder verbrecherischen Ursprungs in den ordentlichen Geldkreislauf gelangen, und helfen, die für die Geldwäscherei verantwortlichen Personen zu ermitteln und strafrechtlich zu belangen (Botschaft zum Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor vom 17. Juni 1996, BBl 1996 III 1102 und 1116). Es dient derBekämpfung der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) im Finanzsektor und regelt in diesem Zusammenhang die dazu notwendige Sicherstellung der Sorgfalt bei Finanzgeschäften (vgl. Titel des Gesetzes und Art. 1 GwG).
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Um die erwähnten Ziele zu erreichen, auferlegt das Geldwäschereigesetz denjenigen Personen, die es als Finanzintermediäre qualifiziert (dazu Art. 2 Abs. 2-4 GwG), besondere Sorgfalts- und Verhaltenspflichten bei Finanzgeschäften. Sie müssen bei Aufnahme von Geschäftsbeziehungen unter anderem die Vertragspartei aufgrund von beweiskräftigen Dokumenten identifizieren (Art. 3 und 5 GwG) sowie anhand einer schriftlichen Erklärung der Vertragspartei die wirtschaftlich berechtigte Person feststellen (Art. 4 f. GwG). Weiter trifft den Finanzintermediär bei gewissen Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen eine besondere Abklärungspflicht (Art. 6 GwG). Über getätigte Transaktionen muss er Belege so erstellen, dass fachkundige Dritte sich ein zuverlässiges Urteil über die Transaktionen und Geschäftsbeziehungen sowie über die Einhaltung der Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes bilden können (Art. 7 GwG). Auch sind in organisatorischer Hinsicht Massnahmen (u.a. genügende Ausbildung des Personals sowie Kontrollen) zu treffen, die zur Verhinderung der Geldwäscherei notwendig sind (Art. 9 GwG). Bei Geldwäschereiverdacht muss der Finanzintermediär der Meldestelle für Geldwäscherei beim Bundesamt für Polizei zudem unverzüglich Meldung erstatten und die ihm anvertrauten Vermögenswerte sperren (Art. 9 f. GwG).
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Solche Widerhandlungen werden nach der Konzeption des Geldwäschereigesetzes vielmehr durch den Strafrichter geahndet, falls ein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt ist, wobei insbesondere an den Geldwäschereiartikel (Art. 305bis StGB) und die mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305ter Abs. 1 StGB) gedacht wurde (Botschaft, a.a.O., S. 1114). Lässt der Finanzintermediär trotz Verdachts auf eine verbrecherische Herkunft der ihm anvertrauten Vermögenswerte eine Überweisung oder einen Rückzug zu, macht er sich gegebenenfalls der eventualvorsätzlichen Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) schuldig (CASSANI, a.a.O., S. 406; THELESKLAF/WYSS/ZOLLINGER, Geldwäschereigesetz, Zürich 2003, N. 9 zu Art. 10 GwG). Das Geldwäschereigesetz erweitert den sich aus Art. 305bis StGB ergebenden Schutz der Individualinteressen des Opfers der strafbaren Vortat nicht (CASSANI, a.a.O., S. 406). Es handelt sich bei den Bestimmungen des GwG nicht um Verhaltensnormen, die unmittelbar dem Schutz vor entsprechenden Schädigungen dienen. Demnach lassen sich die Bestimmungen des GwG nicht als Schutznormen zur Begründung einer ausservertraglichen Haftung nach Art. 41 OR heranziehen.
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4.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes den Schutz der individuellen Vermögensinteressen des Opfers der Vortat, wie er sich aus Art. 305bis StGB ergibt, nicht erweitern. Entsprechend lässt sich die für einen ausservertraglichen Haftpflichtanspruch nach Art. 41 Abs. 1 OR erforderliche Widerrechtlichkeit nicht unmittelbar aus dem Verstoss gegen eine Sorgfalts- oder Verhaltenspflicht nach GwG ableiten. Handelt der Finanzintermediär hingegen vorsätzlich bzw. eventualvorsätzlich im Sinne des Straftatbestands von Art. 305bis StGB, ist von einer unerlaubten Handlung auszugehen, und der Finanzintermediär wird für den schuldhaft zugefügten Schaden ersatzpflichtig.
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