Unterbrechung der Verjährung durch Schuldanerkennung (Art. 135 Ziff. 1 OR).
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Sachverhalt
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 A. Am 1. März 1997 verursachte ein bei der X. Versicherungen AG (Beschwerdegegnerin) versicherter Lenker einen Unfall, bei welchem A. (Beschwerdeführerin) als Beifahrerin Verletzungen erlitt. Ein im Auftrag der SUVA erstelltes Abschlussgutachten vom 15. Juni 2000 über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gelangte zum Endergebnis einer Erwerbsunfähigkeit von 70 % und einer noch vorhandenen Restarbeitsfähigkeit von 30 %, wobei medizinisch ein Endzustand erreicht sei. Am 9. Mai 2007 erhob die Beschwerdeführerin  Klage beim Handelsgericht Zürich und verlangte schliesslich im Sinne einer Teilklage Fr. 1'000'000.- nebst Zins. Die Beschwerdegegnerin verkündete der Y. und den Z. (Streitberufene) den Streit. Das Verfahren wurde auf die Frage der Verjährung beschränkt. Mit Urteil vom 19. März 2008 wies das Handelsgericht die Klage infolge Verjährung ab.
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B. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei festzustellen, dass die Klage nicht verjährt sei, und die Sache zur Feststellung der Haftung und des Schadens an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, während das Handelsgericht auf Vernehmlassung verzichtet. Die Streitberufenen haben sich nicht vernehmen lassen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur materiellen Entscheidung an das Handelsgericht zurück.
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Aus den Erwägungen:
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(...)
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5.1 Die Vorinstanz ging davon aus, unterbrechende Wirkung könne der Überweisung vom 11. Januar 2002 nur zukommen, wenn sie als Schuldanerkennung, respektive Abschlagszahlung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR qualifiziert werden könne. Als Abschlagszahlung gelte jede Teilzahlung, bei welcher der Schuldner zu erkennen gebe, dass eine Restschuld übrigbleiben soll. Sofern eine Abschlagszahlung unter Vorbehalt erfolge, liege darin keine Anerkennung der Schuld. Von der Abschlagszahlung zu unterscheiden sei die Akontozahlung. Dieser Begriff meine nicht eine Teil- oder eben Abschlagszahlung, sondern wolle zum Ausdruck bringen, dass bei definitiv feststehenden Ansprüchen (sei dies durch Übereinkunft oder Gerichtsurteil) die Zahlung in Anrechnung zu bringen ist. Ob allerdings Ansprüche bestehen und in welcher Höhe, darüber sage der Begriff nichts aus. Er habe auch die Bedeutung, dass für den Fall, dass der Anspruch nicht oder nur tiefer bestehe, ein vertraglicher Rückforderungsanspruch geltend gemacht werden könne. Wenn bereits eine unter Vorbehalt erbrachte Abschlagszahlung die Verjährung nicht unterbreche, so komme einer Akontozahlung umso weniger verjährungsunterbrechende Wirkung zu.
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5.2.2 Dass der tatsächlich geschuldete Betrag noch nicht feststeht oder strittig ist, steht einer Anerkennung nicht entgegen. Auch eine grundsätzliche Anerkennung der Schuld unter gleichzeitiger Bestreitung eines bestimmten Betrages wirkt als verjährungsunterbrechende Schuldanerkennung (GRÄMIGER, Der Einfluss des schuldnerischen Verhaltens auf Verjährungsablauf und Verjährungseinrede, 1934, S. 25; KRAUSKOPF, Der Begriff, die Erscheinungsformen und die Bedeutung der Schuldanerkennung im Obligationenrecht, recht 23/2005 S. 169 ff., 181 f.). Die Wirkung der Unterbrechungshandlung tritt (im Gegensatz zum Verjährungsverzicht) unabhängig vom Willen des Gläubigers und des Schuldners ein (BUCHER, Verjährung: gute Schritte in guter Richtung, recht 24/2006 S. 186 ff., 195; vgl. auch GRÄMIGER, a.a.O., S. 30).
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 5.2.3 Mit "Akontozahlung" wird gemeinhin eine vorläufige Zahlung bezeichnet, wobei der Umfang der definitiv geschuldeten Leistung noch zu ermitteln ist. Akontozahlungen werden insbesondere vereinbart, wenn Einigkeit über den Grundsatz der Zahlungspflicht und Ungewissheit über die Höhe des tatsächlich geschuldeten Betrags besteht, wobei eine allfällige Differenz nachzuzahlen beziehungsweise zurückzuerstatten ist (vgl. BGE 126 III 119 E. 2b S. 120). Mit einer Akontozahlung bringt der Schuldner daher in der Regel zum Ausdruck, dass er seine Verpflichtung grundsätzlich anerkennt, unter gewissen Voraussetzungen zur Leistung weiterer Zahlungen bereit ist und somit das Bestehen einer Restschuld nicht ausschliesst. Dies genügt zur Unterbrechung der Verjährung (BGE 110 II 176 E. 3 S. 181 mit Hinweisen). Dass dem Gläubiger bei hinreichender Akontozahlung eventuell gar keine weiteren Ansprüche mehr zustehen, vermag daran nichts zu ändern, da dies lediglich eine Folge der Ungewissheit über die Höhe der Forderung ist (zit. Urteil 4A_276/2008, E. 4.6). Allfällige Vorbehalte, die nicht den Grundsatz der Zahlungspflicht, sondern die Höhe der Forderung betreffen, stehen einer Unterbrechung der Verjährung nicht entgegen. Auch eine bedingte Anerkennung kann verjährungsunterbrechend wirken (SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, 1975, S. 374). So verhielt es sich vorliegend, zumal die Höhe der Forderung der Beschwerdeführerin nicht feststand, solange über die Höhe der von den Sozialversicherungen übernommenen Leistungen nicht entschieden war.
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5.2.4 Davon zu unterscheiden ist der Fall, in welchem der Schuldner anlässlich der Akontozahlung zu erkennen gibt, nach dieser Zahlung bestehe jedenfalls kein Anspruch des Gläubigers mehr, also eine Restforderung nicht für möglich hält, sondern bestreitet (vgl. schon BGE 17 S. 745 E. 4 S. 748; BERTI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2002, N. 25 zu Art. 135 OR; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 9. Aufl. 2008, S. 228 Rz. 3343). Von vornherein nicht zur Unterbrechung der Verjährung geeignet ist daher der von der Beschwerdegegnerin am 6. September 2006 im Sinne einer Schlusszahlung geleistete Betrag. Diese Bezeichnung erhellt, dass die Beschwerdegegnerin das Bestehen einer Restschuld ausschliesst.
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5.2.5 Mit Bezug auf die Zahlung vom 11. Januar 2002 geht aus dem vorhergehenden Schreiben der Versicherung nichts Entsprechendes hervor. Die sowohl vor als auch nach dem 11. Januar 2002  erbrachten Leistungen belegen, dass die Beschwerdegegnerin ihre Zahlungspflicht aus dem Schadensfall grundsätzlich anerkennt und sich die im Schreiben geäusserten Vorbehalte auf die Höhe der Forderung beziehen. Dies steht der Unterbrechung der Verjährung nicht entgegen. Die Beschwerdegegnerin betrachtete bei der Zahlung den Schadenfall noch nicht als abgeschlossen, sondern ging vom Bestehen eines der Bereinigung bedürftigen Forderungsverhältnisses aus (zit. Urteil 4A_276/2008, E. 4.5 mit Hinweis). Dies erkennt auch die Vorinstanz, wenn sie ausführt, die Parteien hätten eine Akontozahlung vereinbart, und mit Bezug auf diese auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung verweist, wonach es sich um eine vorläufige Zahlung handle, die einer Abrechnungspflicht unterliege, wobei die Differenz zwischen den geleisteten Akontozahlungen und dem später festgestellten tatsächlichen Anspruch auszugleichen sei. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war der Beschwerdeführerin zwar bewusst, dass es sich bei der Zahlung vom 11. Januar 2002 nicht um eine "Abschlagszahlung", d.h. gemäss vorinstanzlicher Definition um eine Teilzahlung handelt, bei welcher der Schuldner zu erkennen gibt, dass eine Restschuld übrigbleiben soll. Die Beschwerdegegnerin hat demnach nicht anerkannt, dass zwingend ein über die Akontozahlung hinausgehender Anspruch besteht. Dies ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz aber auch nicht nötig, wenn aus dem Verhalten der Schuldnerin hervorgeht, dass sie das Bestehen einer Restschuld nicht ausschliesst und dass sie gegebenenfalls zu deren Zahlung bereit ist (BGE 110 II 176 E. 3 S. 181 mit Hinweisen). Indem die Vorinstanz dies verkennt, verletzt sie Bundesrecht. Dass die Beschwerdegegnerin gleichzeitig eine Verjährungsverzichtserklärung abgegeben hat, ändert daran nichts, da die Verjährungsunterbrechung vom Schuldner nicht gewollt sein muss und selbst dann eintreten kann, wenn der Schuldner mit der verjährungsunterbrechenden Handlung ausdrücklich damit droht, sich auf die Verjährung zu berufen (GRÄMIGER, a.a.O., S. 36; vgl. auch SPIRO, a.a.O., S. 353, Fn. 3). Da die Aufzählung der Unterbrechungshandlungen in Art. 135 Ziff. 1 OR nicht abschliessend ist, kommt der Frage, ob der Begriff "Abschlagszahlung" grundsätzlich auch Akontozahlungen umfasst, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den französischen und italienischen Gesetzestext darlegt, oder vielmehr das sichere Bestehen einer Restschuld voraussetzt, wie die Vorinstanz annimmt, keine Bedeutung zu.
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5.3 Mit dem Einwand, die strafrechtliche Verjährung komme nicht zur Anwendung, weil alle Beteiligten auf die Stellung eines  Strafantrages verzichtet hätten und die Strafverfolgung damit nicht mehr offen sei, dringt die Beschwerdegegnerin nicht durch. Da der Strafantrag keine Strafbarkeitsbedingung, sondern eine Prozessvoraussetzung darstellt (vgl. schon BGE 69 IV 69 E. 5 S. 72 ff.; RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 20 ff. vor Art. 30 StGB), kommen die strafrechtlichen Verjährungsfristen nach konstanter Rechtsprechung auch dann zur Anwendung, wenn binnen der gesetzlichen Frist kein Strafantrag gestellt wurde (so schon BGE 77 II 314 E. 3a S. 317; 112 II 79 E. 4a S. 86 mit Hinweisen). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlass. Der Antragsberechtigte soll nicht gezwungen sein, einen an sich nicht gewünschten Strafantrag zu stellen, damit er sich auf die längere Verjährungsfrist berufen kann.
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