BGE 135 III 59 | |||
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9. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Z. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_538/2008 vom 3. November 2008 | |
Regeste |
Art. 125 ZGB; nachehelicher Unterhalt, Berücksichtigung eines vorehelichen Konkubinates. | |
Sachverhalt | |
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In seinem Scheidungsurteil vom 16. November 2007 setzte das Amtsgericht Luzern-Stadt u.a. nachehelichen Unterhalt zugunsten der Ehefrau von Fr. 2'100.- pro Monat ab Rechtskraft des Urteils bis Februar 2009 (Erreichen des AHV-Alters) fest.
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In appellatorio verlangte die Ehefrau unbefristeten nachehelichen Unterhalt von Fr. 3'900.-. Das Obergericht wies dieses Begehren mit Urteil vom 11. Juni 2008 ab.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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4. Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt selbst aufkommt, so hat ihm der andere Teil gestützt auf Art. 125 Abs. 1 ZGB angemessenen nachehelichen Unterhalt zu leisten, soweit er hierzu in der Lage ist. Nebst weiteren Kriterien sind dabei insbesondere die Aufgabenteilung während der Ehe, die Dauer der Ehe sowie die Lebensstellung während der Ehe zu berücksichtigen (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 1-3 ZGB).
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Dem Eheschluss geht heute häufig ein mehr oder weniger langes Konkubinat voraus. Hat der eine Partner bereits im Rahmen dieser Form des Zusammenlebens seine Erwerbsarbeit aufgegeben, um beispielsweise den gemeinsamen Haushalt zu besorgen oder Kinder zu betreuen, hat die entscheidende Lebensprägung letztlich schon in diesem Stadium stattgefunden oder doch zumindest begonnen, so dass die anschliessende Ehe insoweit nicht mehr im eigentlichen Sinn prägend wirken kann. Wer bereits vor der Ehe in einer stabilen Partnerschaft gelebt und insbesondere gemeinsame voreheliche Kinder hat oder die Kinder des Partners aufzieht, geht aber auf einer anderen (Vertrauens-)Basis in die Ehe und darf von ihr auch anderes erwarten, als derjenige, der erst bei der Heirat das gemeinsame Leben aufnimmt, muss sich doch das eheliche Zusammenleben im letzteren Fall (auch angesichts der relativ leichten Scheidungsmöglichkeiten) erst bewähren, damit sich die in sie gesetzte Hoffnung in berechtigtes Vertrauen wandeln kann.
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Es stellt sich daher die Frage, ob der vom Institut der Ehe gewährte rechtliche Schutz nicht auch lebensprägende Elemente vorehelichen Zusammenlebens zu berücksichtigen hat - lebensprägende Elemente, die ebenfalls gegenseitiges Vertrauen voraussetzten, auch wenn dieses keinen Rechtsschutz genoss. Eine Anrechnung der Konkubinatszeit auf die Ehedauer könnte sich umso mehr aufdrängen, als nach ständiger (und in der Lehre unbestritten gebliebener) bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine langdauernde Trennungsphase für die Berechnung der massgeblichen Ehedauer ausser Acht zu lassen ist (BGE 127 III 136 E. 2c S. 140; BGE 132 III 598 E. 9.2 S. 600).
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Beim verabschiedeten, mit dem bundesrätlichen Vorentwurf übereinstimmenden Gesetzeswortlaut von Art. 125 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB, der ausdrücklich "die Dauer der Ehe" als massgebend erklärt, handelt es sich mithin nicht um eine zufällige oder gar auslegebedürftige Formulierung. Die zitierten Voten zeigen ausserdem, dass sich der Gesetzgeber bei seinem Entscheid von der Überlegung hat leiten lassen, dass das Konkubinat nicht nur jederzeit formlos aufgelöst werden kann, sondern insbesondere auch keine gegenseitige Unterstützungspflicht im Sinn von Art. 163 ZGB und noch weniger ein Unterhaltsanspruch für die Zeit danach begründet, dass es den Partnern mit anderen Worten keine rechtlich geschützte Vertrauensposition verschafft und eine solche auch nicht durch eine nachfolgende Heirat rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Zusammenlebens begründet werden soll.
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Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, dass als stossend empfundene Resultate weniger auf der Ausgestaltung des Scheidungsrechts als vielmehr auf dem fehlenden Schutz des finanziell schwächeren Konkubinatspartners beruhen. Dabei ist das Konkubinat, sei es als selbständige Form des Zusammenlebens, sei es als mehr oder weniger lang dauernde Vorstufe der Ehe, in der heutigen Lebenswirklichkeit eine verbreitete Erscheinung. Eine allfällige Korrektur der mitunter als ungerecht empfundenen Rechtslage durch Ausstattung stabiler und lebensprägender Partnerschaften mit angemessenen Rechtswirkungen ist aber Sache des Gesetzgebers.
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4.4 Diese Ausgangslage schliesst indes nach der jüngsten Rechtsprechung nicht aus, dass bei besonderen Umständen ("circonstances particulières de l'espèce") ein qualifiziertes Konkubinat bis zu einem gewissen Grad Berücksichtigung finden kann, wenn es nicht bei diesem geblieben, sondern tatsächlich eine Ehe geschlossen worden ist, weil diesfalls die Parteien unter anderen Vorzeichen in den Ehestand getreten sind (dazu E. 4.1). In Präzisierung von BGE 132 III 598, bei welchem zufolge sehr einseitiger Interessenverteilung solche "besonderen Umstände" angenommen worden sind, ist allerdings klarzustellen, dass es entgegen dem Anschein, den dieser Entscheid erwecken mag, nicht darum gehen kann, gleichsam in einer arithmetischen Operation die Konkubinatsjahre aufzuaddieren bzw. zu Ehejahren zu erklären (vgl. dazu HEINZ HAUSHEER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2006, ZBJV 143/2007 S. 605). Vielmehr ist zu prüfen, ob das Vertrauen in die vor dem Hintergrund des vorangehenden Konkubinats geschlossene Ehe als schutzwürdig und die Ehe in diesem Sinn als lebensprägend anzusehen ist. Das kann dazu führen, dass die Vermutung, wonach eine Kurzehe von weniger als fünf Jahren nicht lebensprägend sei, umgestossen und im konkreten Einzelfall auch eine kürzere Ehe mit vorangegangenem langem Konkubinat als lebensprägend angesehen wird.
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Wie bereits angesprochen, kann das vorausgegangene Konkubinat freilich nur in eng begrenzten bzw. qualifizierten Ausnahmefällen überhaupt in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Eine unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, dass das Konkubinat das Leben der Partner nachhaltig geprägt hat, so dass mit dem Eheschluss hierfür Verantwortung übernommen und bereits begründetes Vertrauen bestätigt worden ist. Dies kann namentlich der Fall sein, wenn der eine Partner auf eine eigene ausserhäusliche Entfaltung verzichtet hat, um sich in den Dienst des anderen zu stellen und dessen wirtschaftliches Fortkommen entscheidend zu fördern bzw. zu ermöglichen oder um die gemeinsamen Kinder aus dem Konkubinat bzw. diejenigen des anderen Partners zu betreuen. Bei der Anerkennung und Würdigung solcher Umstände ist der Richter - wie bei der Bestimmung des nachehelichen Unterhalts überhaupt - auf sein Ermessen verwiesen, von dem zugeschnitten auf den konkreten Einzelfall sachgemässer Gebrauch zu machen ist. Insoweit als er seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen hat (Art. 4 ZGB), lassen sich auch keine starren Regeln aufstellen.
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4.5 Im vorliegenden Fall sind beide Ehegatten kinderlos, und sie waren sowohl vor als auch während des Zusammenlebens erwerbstätig. Im Scheidungszeitpunkt war die Ehefrau zwar gesundheitlich schwer beeinträchtigt, so dass sie nunmehr eine halbe Invalidenrente erhält (ab März 2009 wird sie eine AHV-Rente beziehen). Die gesundheitlichen Probleme stehen indes in keinem Zusammenhang mit der Ehe. Vor diesem Hintergrund lässt sich weder sagen, dass die Ehefrau ihre bisherige Lebensstellung aufgegeben hat, um sich fortan dem Wohlergehen und wirtschaftlichen Fortkommen des Partners zu widmen, noch ist anzunehmen, dass ihr Leben durch das bloss vierjährige eheliche Zusammenleben anderweitig eine entscheidende Wende erfahren hat und die Ehe insofern als lebensprägend anzusehen wäre. Vielmehr liegt eine typische Situation vor, auf welche die Vermutung zielt, wonach eine kinderlose Ehe von weniger als fünf Jahren nicht lebensprägend ist. Es bleibt zu prüfen, ob das der Ehe vorangegangene fast zehnjährige Konkubinat geeignet ist, diese Vermutung umzustossen.
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Die Lebensstellung der Partner scheint während des Konkubinates nicht anders gewesen zu sein als während der Ehe. Nach den kantonalen Sachverhaltsfeststellungen vermochte die Ehefrau die alleinige Haushaltsführung nicht nachzuweisen; dieser Punkt ist aber ohnehin von untergeordneter Bedeutung. Im Vordergrund steht die Tatsache, dass sich die Ehefrau weder um gemeinsame noch um voreheliche Kinder des Ehemannes kümmern musste, sondern vielmehr beide Ehegatten voll berufstätig waren; diese konnten sich mit anderen Worten gleichermassen in ihrem beruflichen Umfeld verwirklichen, und sie profitierten in ökonomischer Hinsicht zu gleichen Teilen von den Vorteilen einer Verbrauchsgemeinschaft. Damit fehlen Elemente, für die mit der Heirat in einer qualifizierten Weise die Verantwortung hätte übernommen werden können, und das Konkubinat hat vor dem geschilderten Hintergrund trotz seiner erheblichen Dauer auch in jeder anderen Hinsicht nicht die Tragweite, welche das kurze eheliche Zusammenleben als prägend im Sinn von E. 4.4 erscheinen lassen könnte.
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Daran vermag ferner die Tatsache nichts zu ändern, dass die Ehefrau weniger verdient hat als der Ehemann, was nach ihrer Darstellung zur Steueroptimierung so gehandhabt worden sei. Umso weniger kann dieser Umstand für sich genommen eine Lebensprägung im rechtlichen Sinn begründen, als nach ihrer eigenen Darstellung an die Stelle von höheren Lohnzahlungen andere Leistungen traten und diese Handhabung offenbar im gegenseitigen Einvernehmen geschah: Modalitäten in der Ausgestaltung des Arbeitsentgeltes können nicht entscheidend sein für die Frage, ob eine Ehe lebensprägend war oder nicht.
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4.6 Wenn die Ehefrau schliesslich geltend macht, selbst bei nicht lebensprägenden Ehen sei ein vorübergehender Unterhaltsanspruch nicht ausgeschlossen, so ist sie darauf hinzuweisen, dass ihr die kantonalen Instanzen bis zum Erreichen ihres AHV-Alters nachehelichen Unterhalt von Fr. 2'100.- pro Monat zugesprochen haben. Nebst der güterrechtlichen Zahlung von Fr. 370'000.- und der Freizügigkeitsleistung von Fr. 62'000.- hat der Ehemann seit der Trennung erhebliche Leistungen an die Ehefrau erbracht und wird dies bis Februar 2009 auch weiterhin tun. So ist er unbestrittenermassen während der ganzen Zeit für die Miete aufgekommen und hat er jedenfalls seit Januar 2005 zusätzlich Unterhaltszahlungen erbracht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist daher festzuhalten, dass der Ehemann seinen Verpflichtungen aus (nach)ehelicher Solidarität bei einer massgeblichen Ehedauer von vier Jahren nachgekommen ist bzw. bis Februar 2009 nachkommen wird und kein Raum für weitere Unterhaltszahlungen im Sinn von Art. 125 ZGB bleibt.
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