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53. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. KG gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_566/2008 vom 7. April 2009 | |
Regeste |
Art. 1 und 2 lit. a MSchG; Schutzfähigkeit eines akustischen Zeichens. |
Beurteilung der konkreten Unterscheidungskraft (Art. 2 lit. a MSchG) eines akustischen Zeichens ohne sprachliche Elemente, das aus einer kurzen Melodie besteht (E. 2.5). | |
Sachverhalt | |
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B.
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B.a Mit "Notification de refus provisoire total (sur motifs absolus)" vom 15. September 2006 verweigerte das IGE der Marke den Schutz für das Gebiet der Schweiz. Am 11. Dezember 2007 verweigerte es der Marke den Schutz in der Schweiz definitiv.
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B.b Mit Urteil vom 27. Oktober 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht eine von der Beschwerdeführerin gegen die Verfügung des IGE vom 11. Dezember 2007 erhobene Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008 sei aufzuheben und das IGE sei anzuweisen, der internationalen Registrierung Nr. 858'788 den Schutz in der Schweiz für sämtliche beanspruchten Waren zu erteilen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008 auf und weist das IGE an, der internationalen Registrierung der Beschwerdeführerin den Schutz in der Schweiz für die in Klasse 30 beanspruchten Waren "Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie" zu erteilen.
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(Zusammenfassung)
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Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei auch zu berücksichtigen, ob die Hörmarke einen erkennbaren Sinngehalt aufweise, wobei ein solcher im zu beurteilenden Fall nicht vorliege. Zur Unterscheidungskraft solcher Zeichen ohne Sinngehalt hätten Lehre und Rechtsprechung detaillierte Regeln entwickelt, und zwar vor allem mit Bezug auf sogenannte Elementar- oder Primitivzeichen einerseits sowie für Formmarken andererseits. Wie bei verbalen Kennzeichen vermöge das Publikum in der Regel auch bei Klangfolgen leicht zwischen blossen Untermalungen und als Signal verstandenen Hörzeichen zu unterscheiden. Es brauche eine unterscheidungskräftige Melodie nicht aktiv singen und in der Erinnerung wiederholen zu können, um sie wiederzuerkennen; stattdessen genüge es, dass es sich an sie erinnere, wenn es sie höre. Einfache ![]() | 11 |
Die Vorinstanz erwog weiter, dass es sich bei der zu prüfenden Marke um eine verhältnismässig kurze, trochäisch rhythmisierte Abfolge der ersten vier Töne einer Fis-Dur-Tonleiter handle. Ausgehend vom Grundton "Fis" werde je einmal die Quarte, die Terz und schliesslich die Sekunde gespielt. Dazwischen, ausser von der Quarte zur Terz, werde stets der Grundton "Fis" wiederholt, der in den sieben Tönen viermal erklinge. Die absteigende Tonleiter von der vierten zur zweiten Stufe führe ebenfalls geradewegs auf diesen Grundton zu und bewahre damit die Grundtonart in einfachster Weise. Die Tonfolge werde eher als Umspielung oder banale Verzierung des Grundtons "Fis" denn als Melodie wahrgenommen. Da sie weder eine Tonarten-Modulation noch eine in anderer Hinsicht auffällige oder unerwartete Entwicklung enthalte, die die Erinnerung besonders prägen könnte, andere Stimmen, Instrumentierungs- und Dynamikangaben fehlten und die im Notenbild verwendeten Phrasierungszeichen (Punkte auf den Viertelnoten, Keile auf den Schlussnoten) nur anzeigten, dass die entsprechenden Noten kurz gespielt werden, was im Verkaufsumfeld von Confiserie, Schokolade und Patisserie kaum auffalle, werde diese Marke bei den angesprochenen Abnehmerkreisen als Dekoration und Stimmungsmache wahrgenommen und weder in der Erinnerung haften bleiben noch zur Unterscheidung der damit versehenen Waren dienen. Die Marke sei deshalb Gemeingut.
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2.2 Die Beschwerdeführerin bringt hiergegen vor, die vorinstanzliche Einordnung des Zeichens beruhe auf einer Melodienanalyse, die nicht anhand markenrechtlich relevanter, sondern allenfalls urheberrechtlicher Kriterien vorgenommen worden sei. Die Vorinstanz verkenne damit das Wesen von Hörmarken. Derartige Sound Logos seien das Pendant zum visuellen Logo und zeichneten sich durch eine kurze, markante Tonfolge oder eine Sequenz von Geräuschen aus, die überwiegend am Beginn oder am Ende eines Werbespots zu finden sei. Um kennzeichenmässig wirksam zu sein, müsse ein solches Sound Logo insbesondere einprägsam sein, was dadurch erreicht werde, dass es so einfach wie möglich aufgebaut sei. Es gehe bei Hörmarken eben gerade nicht darum, eine im urheberrechtlichen Sinne individuelle Prägung der Melodie zu ![]() | 13 |
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Die akustische Marke IR Nr. 858'788 der Beschwerdeführerin lässt sich überdies in Notenschrift niederschreiben und ist im internationalen Register als ein in Takte gegliedertes Notensystem mit Notenschlüssel, Noten-, Pausen- und Phrasierungszeichen hinterlegt. Die zu beurteilende Tonfolge ist damit Gegenstand einer registerrechtlich gebotenen klaren und verständlichen graphischen Darstellung (vgl. Art. 10 Abs. 1 MSchV [SR 232.111]; MARBACH, a.a.O., S. 16). Ob und unter welchen Voraussetzungen auch Hörzeichen ![]() | 16 |
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2.5.2 Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist eine Schutzverweigerung allein aus dem Grund, dass ein akustisches Zeichen keine sprachlichen Elemente aufweist, nicht haltbar. Entgegen der Ansicht des IGE (vgl. die Richtlinien in Markensachen des IGE vom 1. Juli 2008, S. 96) schliesst der Umstand, dass Musik in der Werbung häufig eingesetzt wird, die Unterscheidungskraft einer kurzen Melodie ohne Wortelemente nicht ohne Weiteres aus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass nichtsprachliche akustische Signale immer häufiger zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden, sei es unmittelbar produktbezogen (wie etwa bei Computern bzw. Computerprogrammen und anderen Elektronikgeräten), sei es in der Radio-, Fernseh- und Internetwerbung (vgl. CHERPILLOD, a.a.O., S. 65; LEONZ MEYER, Urheber- und markenrechtliche Überlegungen zum Klingelton, Medialex 2003 ![]() | 19 |
Dabei ist zu beachten, dass auch der Gebrauch in der Werbung als kennzeichenmässiger Gebrauch gilt (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG; WILLI, a.a.O., N. 13 zu Art. 13 MSchG). Ein kurzes, in sich geschlossenes musikalisches Thema kann vom Abnehmer durchaus auch beim erstmaligen Hören als betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden und ist damit grundsätzlich geeignet, Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden (CHERPILLOD, a.a.O., S. 64 f.). Dies setzt voraus, dass das akustische Zeichen verkehrsüblich eingesetzt wird, typischerweise zu Beginn oder am Ende eines Werbespots. Wie Wort- und Bildmarken nicht als Kennzeichnungsmittel erkannt werden, wenn sie an wenig sichtbarer Stelle auf der Unter- oder Rückseite der Verpackung angebracht oder im Kleingedruckten der warenbeschreibenden Angaben unauffällig aufgedruckt sind (vgl. WILLI, a.a.O., N. 18 zu Art. 11 MSchG), müssen auch Hörmarken dem Präsentationsumfeld elektronischer Medien entsprechend verwendet werden, um in der Werbung ohne weitere Gedankenarbeit als kennzeichnender Hinweis wahrgenommen zu werden. Dies beschlägt jedoch das Erfordernis des markenmässigen Gebrauchs des Zeichens (vgl. Art. 11 MSchG), das für sämtliche Markenformen gilt. Entscheidend ist, dass auch das Hörzeichen - sofern richtig eingesetzt - geeignet ist, als Herkunftszeichen erkannt zu werden. Der Umstand, dass die Verwendungsmöglichkeiten von Hörmarken im Vergleich zu visuell wahrnehmbaren Marken wesentlich eingeschränkt sind, darf jedoch nicht zu strengeren Anforderungen an die Beurteilung der Unterscheidungskraft führen.
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Zu beachten ist ausserdem, dass nach ständiger Rechtsprechung die Schutzunfähigkeit einer registrierten Marke im Zivilprozess widerklage- oder einredeweise geltend gemacht werden kann (BGE 130 III 328 E. 3.2 S. 332; BGE 128 III 447 E. 1.4 S. 450; BGE 124 III 277 E. 3c S. 286; je mit Hinweisen). Daraus folgt, dass das IGE in Zweifelsfällen eine Marke einzutragen und die endgültige Entscheidung dem Zivilrichter zu überlassen hat (BGE 130 III 328 E. 3.2 S. 332; BGE 103 Ib 268 E. 3b S. 275; vgl. auch BGE 129 III 225 E. 5.3 S. 229).
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2.5.4 Wie bei Buchstabenkombinationen bzw. Wortmarken sind bei Tonfolgen, auch wenn sie sich auf eine geringe Anzahl von Tönen ![]() | 23 |
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Wie bei Wort- und Bildmarken ist auch bei einer Hörmarke, die aus einer Melodie besteht, denkbar, dass diese einen Sinngehalt aufweist, der im Zusammenhang mit bestimmten Waren zu einem absoluten Ausschlussgrund nach Art. 2 lit. a MSchG führen kann. Dies dürfte einerseits bei Liedmelodien vorkommen, deren Text allgemein bekannt ist; andererseits ist auch nicht auszuschliessen, dass ![]() | 25 |
Soweit es sich beim Zeichen demgegenüber um eine eingängige und einprägsame Melodie ohne bestimmten Sinngehalt handelt, die neu komponiert wurde, wird die konkrete Unterscheidungskraft selten zu verneinen sein (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 151).
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2.5.6 Bei der strittigen Marke handelt es sich um eine verhältnismässig kurze Melodie in Fis-Dur mit sieben Tönen auf Basis eines 6/8-Taktes, die mit dem Grundton "Fis" beginnt und mit einem Oktavsprung endet. Dazwischen wird einmal die Quarte, die Terz und die Sekunde gespielt sowie der Grundton "Fis" zweimal wiederholt. Die Tonfolge, die von der Grundtonart nicht abweicht, erscheint als einfache Melodie, mit der auch das musikalisch ungeschulte Ohr leicht vertraut wird, und die weder allgemein noch den Abnehmern von Confiserie, Schokolade und Patisserie bekannt ist. Als solche ist sie eingängig und für den durchschnittlichen Verbraucher derartiger Waren, dem keine besonderen musikalischen Vorkenntnisse unterstellt werden können, einprägsam. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie") ist kein Sinngehalt der Melodie erkennbar, der zu einem Ausschlussgrund führen könnte. Aufgrund der einfachen Struktur sowie der Kürze des Motivs dürfte sie von den massgeblichen Verkehrskreisen im Kontext der Werbung kaum ![]() | 27 |
2.5.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass das Zeichen IR Nr. 858'788 für die beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie") unterscheidungskräftig ist, weshalb es nicht als Gemeingut vom Markenschutz ausgeschlossen werden kann (Art. 2 lit. a MSchG). Die Vorinstanz hat der internationalen Marke die Schutzfähigkeit daher zu Unrecht verweigert.
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