BGE 135 III 474 | |||
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70. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. ApS in Liquidation gegen Y. Corp. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_39/2009 vom 17. April 2009 | |
Regeste |
Arresteinsprache (Art. 278 SchKG); Glaubhaftmachung der Arrestforderung (Art. 272 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG), Gegenstand der Schuldbetreibung (Art. 38 Abs. 1 SchKG). | |
Sachverhalt | |
A. Auf Begehren der X. ApS in Liquidation vom 9. August 2006 erliess die Einzelrichterin der 1. Abteilung des Kreisgerichts St. Gallen am selben Tag gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG einen Arrestbefehl für eine Forderung von Fr. 51'642'865.- nebst Zins zu 5 % seit 11. April 2006. Als Arrestgegenstand wurden alle Guthaben und Forderungen der Y. Corp. bei der bzw. gegen die B. Bank AG in St. Gallen bezeichnet. Der Arrest wurde vom Betreibungsamt der Stadt St. Gallen am 9. August 2006 vollzogen.
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B.
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B.a Dem Arrestbegehren der X. ApS in Liquidation liegen Handlungen von S., eines dänischen Staatsangehörigen, der im Immobilien- und Wertschriftenhandel tätig war, zu Grunde. Über S. wurde am 31. März 2006 (offenbar in Dänemark) der Konkurs eröffnet. Konkursverwalter ist der Kopenhagener Rechtsanwalt Z.
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Die Arrestgläubigerin X. ApS ist eine Gesellschaft dänischen Rechts. Sie war im Jahr 2003 gegründet worden. Vom 2. September 2005 bis zum 19. Juni 2006 war S. als verantwortlicher Geschäftsführer im dänischen Handelsregister eingetragen. Am 13. Juni 2006 wurde die (freiwillige) Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Als Liquidator wurde S. bestellt und am 30. Juni 2006 trat Rechtsanwalt Z. an dessen Stelle. Er ist, wie erwähnt, auch Konkursverwalter im Konkurs von S.
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Die Arrestschuldnerin Y. Corp. ist eine Gesellschaft mit Sitz in Belize. Sie war am 24. Februar 2006 gegründet worden. Ob und inwieweit die Gesellschaftsanteile der Y. Corp. ebenfalls im Eigentum von S. stehen, ist offen.
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B.b Umstritten sind im Arrestverfahren Vermögenswerte, im Wesentlichen Wertpapiere, im Gesamtwert von DKK 244'696'462.40. Sie befanden sich im Oktober 2005 noch auf einem Konto der R. ApS bei einer Bank in Gibraltar. Über diese dänische Gesellschaft wurde am 9. August 2006 der Konkurs eröffnet. Auf Veranlassung von S. waren die Vermögenswerte bereits am 18. Oktober 2005 vom Konto der R. ApS bei der in Gibraltar auf ein Konto der X. ApS bei derselben Bank übertragen worden.
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Am 16. März 2006 eröffnete S., der damals noch für die X. ApS vertretungsberechtigt war, für diese ein Konto bei der B. Bank AG. Zwischen dem 22. und 30. März 2006 wurden die umstrittenen Vermögenswerte vom Konto der X. ApS bei der Bank in Gibraltar auf ihr neu eröffnetes Konto bei der B. Bank AG in St. Gallen übertragen. Am 11. April 2006 schliesslich beauftragte S. die B. Bank AG, die Vermögenswerte bzw. das Wertschriftendepot vom Konto der X. ApS auf ein Konto der Y. Corp. bei derselben Bank zu übertragen. Hier wurden die Vermögenswerte dann am 9. August 2006 vom Kreisgericht St. Gallen mit Arrest belegt.
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B.c Die Argumentation der X. ApS in Liquidation geht - zusammengefasst - dahin, dass an den verarrestierten Vermögenswerten nach wie vor S. wirtschaftlich berechtigt sei. S. habe die Vermögenswerte der X. ApS unrechtmässig entzogen.
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C. Mit Eingabe vom 1. September 2006 erhob die Y. Corp. gegen den Arrestbefehl fristgerecht Einsprache. Mit Entscheid vom 11. August 2008 hob die Einzelrichterin des Kreisgerichts den Arrestbefehl vom 9. August 2006 auf. Gegen diesen Entscheid erklärte die X. ApS in Liquidation Rekurs, welcher der Einzelrichter für Rekurse SchKG des Kantonsgerichts St. Gallen mit Entscheid vom 15. Dezember 2008 abwies.
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D. Die X. ApS in Liquidation führt mit Eingabe vom 13. Januar 2009 Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, den Entscheid des Einzelrichters für Rekurse SchKG des Kantonsgerichts St. Gallen aufzuheben und in der Sache den Arrestbefehl vom 9. August 2006 zu bestätigen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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Weiter hat der Rekursrichter die Glaubhaftmachung des Bestandes der Forderung (vgl. Art. 272 Abs. 1 SchKG) untersucht. Nicht zu prüfen sei, ob die Konkursmassen von S. oder der R. ApS Berechtigte der Arrestforderung seien. Entscheidend sei, ob die Beschwerdeführerin selber aus eigenem Recht eine Forderung gegenüber der Beschwerdegegnerin habe. Aufgrund der Umstände und der Vorbringen der Beschwerdeführerin begründe der an sich gegebene Vorbesitz keine Vermutung für das behauptete Eigentum an den Vermögenswerten, zumal sie keinen Rechtstitel darlege. Sie könne nicht als Eigentümerin der streitigen Vermögenswerte gelten, so dass sie durch die Vermögensverschiebung gar keinen Schaden erlitten habe; eine Forderung aus unerlaubter Handlung könne daher nicht bestehen bzw. sei nicht glaubhaft gemacht.
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Im Weiteren lege die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb die Handlungen von S. der Beschwerdegegnerin zuzurechnen seien und diese für eine Forderung aus unerlaubter Handlung haften müsse. Ein Anspruch gegenüber der Beschwerdegegnerin aus ungerechtfertigter Bereicherung sei ebenso wenig glaubhaft gemacht, da die Beschwerdeführerin nicht Eigentümerin der umstrittenen Vermögenswerte gewesen sei. Weder liege eine Entreicherung der Beschwerdeführerin vor, noch sei ein Vermögensvorteil der Beschwerdegegnerin durch einen Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin erkennbar. In einer weiteren Eventualerwägung hat der Einzelrichter festgehalten, dass selbst im Fall, dass die Beschwerdeführerin Eigentum an den transferierten Wertpapieren hätte, keine Delikts- und Bereicherungsansprüche glaubhaft gemacht wären, da die Vindikation der Bereicherung vorgehe und ein Entbehrungsschaden nicht dargelegt werde. Eine auf glaubhaft gemachte, auf Geldzahlung (Art. 38 Abs. 1 SchKG) gerichtete und verarrestierbare Forderung liege nicht vor.
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3.1 Die Vorinstanz hat in diesem Zusammenhang erwogen, die Eigentumsvermutung gemäss Art. 930 ZGB komme nicht zum Tragen, wenn der Besitz bzw. dessen Erwerb als verdächtig betrachtet werden müsse. Vorliegend fehle der erforderliche unzweideutige Besitz, damit sich die Beschwerdeführerin auf die Eigentumsvermutung berufen könne. Sie mache jedoch keinen Rechtstitel für den Erwerb der Vermögenswerte glaubhaft. Im Gegenteil, die Annahme eines gültigen Rechtsgrundes stehe in völligem Widerspruch mit ihrer Argumentation, dass S. die ihm verbundenen Gesellschaften lediglich als Vehikel benutzt habe, um sein Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen.
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Die Rechtsvermutung aus dem Besitz (Art. 930 ZGB) rechtfertigt sich - wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat - nur dann, wenn der Besitz so beschaffen ist, dass sich daraus vorläufig, d.h. vorbehältlich der Widerlegung durch andere Tatsachen, wirklich auf ein entsprechendes Recht schliessen lässt (vgl. BGE 84 II 253 E. 3 S. 261; BGE 84 III 141 E. 3 S. 156; STARK, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2001, N. 50 zu Vorbemerkungen Rechtsschutz Art. 930-937 ZGB, N. 9 zu Art. 930 ZGB; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, § 91 Rz. 13).
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3.2.2 Die Beschwerdeführerin betont (wie bereits im kantonalen Verfahren), dass das Motiv von S. zum Transfer der Entzug von Vermögenswerten vor den Gläubigern gewesen sei. Sie will aus dem blossen Besitz die Vermutung von Eigentum ableiten, stellt indessen mit der Begründung, dass S. mit der Vermögensverschiebung einzig sein Vermögen verstecken wollte, selber in Frage, dass mit ihrem Besitz ein Rechtserwerb verbunden sei. Zum Eigentumserwerb ist nach schweizerischem Recht (als Sachstatut; vgl. SCHWANDER, a.a.O., Rz. 414) ein gültiges Grundgeschäft Voraussetzung (TUOR/SCHNYDER/SCHMID, a.a.O., § 87 Rz. 9). Vom Besitzer kann aber verlangt werden, dass er über die Umstände seines Rechtserwerbs Auskunft gibt (BGE 81 II 197 E. 7b S. 205; HINDERLING, Der Besitz, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/I, 1977, S. 466; STEINAUER, Les droits réels, Bd. I, 4. Aufl. 2007, Rz. 395). Darauf hat die Vorinstanz - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - zu Recht hingewiesen.
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3.3 Ob die Auffassung der Vorinstanz, die Vorbringen der Beschwerdeführerin seien mangels Hinweis auf einen Rechtsgrund nicht geeignet, Eigentum an den besessenen Vermögenswerten glaubhaft zu machen, haltbar ist, braucht - wie sich aus dem Folgenden ergibt - jedoch nicht abschliessend beurteilt zu werden.
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3.3.1 Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vergeblich Willkür vor, weil sie die Subsidiarität des Bereicherungsanspruchs gemäss Art. 62 OR angenommen hat. Solange ein Eigentümer berechtigt ist, eine Sache von einem anderen gestützt auf sein Eigentum herauszuverlangen, hat er gegenüber dem anderen keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dass die Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) den Bereicherungsanspruch (Art. 62 OR) ausschliesst, ist herrschende Auffassung (BGE 84 II 369 E. 4 S. 377; BGE 110 II 228 E. 2d S. 234; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 9. Aufl. 2008, Rz. 1499 ff. mit weiteren Hinweisen), was auch von Autoren mit abweichender Meinung anerkannt wird (KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2009, § 30 Rz. 8, § 33 Rz. 20). Der Einwand, die Wertschriften seien zwischenzeitlich verkauft worden, findet im angefochtenen Entscheid in tatsächlicher Hinsicht keine Stütze (Art. 105 Abs. 1 BGG). Vor diesem Hintergrund hält vor dem Willkürverbot (zum Begriff: BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9) stand, wenn die Vorinstanz geschlossen hat, dass die von der Beschwerdeführerin als Eigentümerin erhobene, auf Geldzahlung gerichtete Arrestforderung (Art. 38 Abs. 1 SchKG) nicht glaubhaft gemacht sei.
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Was die Beschwerdeführerin gegen dieses Ergebnis vorbringt, vermag keine Verletzung von Art. 9 BV darzutun. Zum einen hat die Vorinstanz nicht gesagt, der Anspruch aus Art. 41 OR sei subsidiär, sondern - entsprechend der Lehre - auf denjenigen Schaden abgestellt, den der Eigentümer geltend machen kann. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, es seien Wertschriften verkauft und andere Finanztitel erworben worden, handelt es sich um Tatsachen, die von der Vorinstanz nicht festgestellt wurden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Da diese nicht berücksichtigt werden können (vgl. Art. 99 BGG), braucht nicht erörtert zu werden, ob dadurch ein Entbehrungsschaden belegt wäre. Ein unzulässiges tatsächliches Novum stellt die Behauptung dar, das Wertschriftendepot habe "wegen der Finanzkrise" um 50 % an Wert verloren. Vor diesem Hintergrund kann nicht von Willkür gesprochen werden, wenn die Vorinstanz einen allfälligen Entbehrungsschaden und damit die Arrestforderung nicht als glaubhaft erachtet hat.
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3.5 Nach dem Dargelegten hat die Vorinstanz nicht gegen das Willkürverbot verstossen, wenn sie die Gutheissung der Arresteinsprache infolge fehlender Glaubhaftmachung der Arrestforderung bestätigt hat. Im Übrigen kann von einer Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV bzw. des Anspruchs auf eine Entscheidbegründung keine Rede sein (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; BGE 130 II 530 E. 4.3 S. 540), da im angefochtenen Entscheid die Überlegungen genannt werden, von denen sich der Rekursrichter leiten liess und auf welche er sich stützt.
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