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2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. K. AG gegen Baugenossenschaft B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_333/2009 vom 4. Dezember 2009 | |
Regeste |
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; Bauhandwerkerpfandrecht; Gerüstbau. | |
Sachverhalt | |
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B. Die K. AG (Beschwerdeführerin) und die Baugenossenschaft B. (Beschwerdegegnerin) vereinbarten im März/April 2008 die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zur Sicherstellung des Vergütungsanspruchs von Fr. 50'300.-. Die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 50'300.- zugunsten der Beschwerdeführerin und zulasten von Nr. 8635 wurde am 14. April 2008 im Grundbuch vorgemerkt. Die Beschwerdeführerin erhob am 3. Juli 2008 Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 50'300.- nebst Zins. Die Beschwerdegegnerin schloss auf Abweisung. Die von der Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin inzwischen gestellten Rechnungen über insgesamt Fr. 51'300.- blieben unbezahlt. Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage ab.
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C. Dem Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin die Anweisung an das zuständige Grundbuchamt, das vorläufig eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht für Fr. 50'300.- nebst Zins definitiv im Grundbuch einzutragen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
2. Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes besteht gemäss Art. 837 Abs. 1 ZGB "für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstücke, sei es, dass sie den Grundeigentümer oder einen Unternehmer zum Schuldner haben" (Ziff. 3). Streitig ist, ob der Gerüstbau der Beschwerdeführerin als "Arbeit" im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB erfasst werden kann. Das Bundesgericht hat im Jahr 2005 entschieden, dass der Monteur des Baugerüsts nicht in den Genuss des Bauhandwerkerpfandrechts kommt, unabhängig von der Qualifikation des Vertrags, der ihn mit dem Bauherrn oder dem Unternehmer bindet, zumindest wenn das Gerüst nicht für einen bestimmten Bau hergestellt worden ist (BGE 131 III 300). Das Handelsgericht hat sich auf den bundesgerichtlichen Entscheid gestützt. Die Beschwerdeführerin beantragt eine Praxisänderung. Sie begründet die Berechtigung und die ![]() | 5 |
3. Eine Änderung der Praxis lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist (BGE 135 I 79 E. 3 S. 82; BGE 135 II 78 E. 3.2 S. 85; BGE 133 III 335 E. 2.3 S. 338). Es ist zu prüfen, ob die Vorbringen der Beschwerdeführerin so gewichtig sind, dass sich eine Änderung der vom Bundesgericht in BGE 131 III 300 eingehend begründeten grundsätzlichen Ablehnung des Bauhandwerkerpfandrechts für Forderungen aus besagten Gerüstbauarbeiten rechtfertigt.
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4.1 Dass die Pfandberechtigung von Forderungen aus Gerüstbau in der Baupraxis wichtig ist, steht ausser Diskussion. Das ![]() | 8 |
4.2 In seinem Rechtsprechungsbericht fasst HEINZ REY zusammen, bei der Beantwortung der sich in BGE 131 III 300 stellenden Hauptfrage stehe die sachenrechtliche Betrachtungsweise im Vordergrund, die der Rechtssicherheit dienende Kriterien zu liefern vermöge, um den Kreis der Pfandrechtsprivilegierten zu umgrenzen. Er hält dies für anerkennenswert und fährt fort, indessen wäre zu wünschen, dass vor allem die Doktrin, vom Gesetzeswortlaut des Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ausgehend, der davon spricht, dass derjenige ebenfalls pfandrechtsprivilegiert ist, der "Arbeit allein" erbracht hat, den Zweck des Bauhandwerkerpfandrechts auch unter anderen Gesichtspunkten (einschliesslich bereicherungs- und gewinnherausgaberechtlichen) neu überdenken würde. Er verweist auf die kritisch-konstruktiven Bemerkungen zu diesem Urteil von RAINER SCHUMACHER (BR 2005 S. 163 ff.) und meint, insbesondere sei seine Qualifikation des Gerüstbaus als eine typische Bauarbeit ebenso beachtenswert wie sein Vorschlag, bei der hängigen Revision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts die durch den vorliegenden Entscheid geschaffene Problematik in einem grösseren systematischen Rahmen zu reflektieren. Dem könne nur zugestimmt werden (Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts, veröffentlicht im Jahr 2005. Sachenrecht, ZBJV 143/2007 S. 830). Nicht bloss aus Gründen der Rechtssicherheit, sondern unter dem Aspekt der direkten ![]() | 9 |
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5.2 Die sachenrechtliche Betrachtungsweise lässt sich auf den Wortlaut - als Ausgangspunkt jeder Auslegung - von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB stützen. Voraussetzung des Anspruchs auf Errichtung des gesetzlichen Grundpfandes ist, dass "zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert" worden sein muss ("sur l'immeuble pour lequel ils ont fourni des matériaux et du travail ou du travail seulement" bzw. "che avessero fornito materiali e lavoro, o lavoro soltanto, per una ![]() | 13 |
5.3 Den sachenrechtlichen Bezug hat die Rechtsprechung zum einen insofern gelockert, als alle Leistungen und Lieferungen ein und desselben Handwerkers oder Unternehmers in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden müssen. Sind sie als "un seul travail spécifique" zu betrachten, werden sie auch gesamthaft durch ein Baupfand geschützt (BGE 131 III 300 E. 3 S. 303). In diesem Sinn gelten Leistungen und Lieferungen des gleichen Handwerkers oder Unternehmers, die teils pfandberechtigt, teils nicht pfandberechtigt sind, in ihrem ganzen Umfang als pfandgeschützt, wenn nichts Abweichendes vereinbart worden oder die Ausscheidung unterblieben ist (BGE 103 II 33 E. 4 S. 40). Dieser Sonderfall wird hier nicht geltend gemacht, geht es doch um eine Forderung einzig aus Gerüstbau, der nach der allgemeinen Regel (E. 5.2 soeben) nicht pfandgeschützt ist.
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5.4 Zum anderen und hier entscheidend kann die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für die Lieferung von Sachen verlangt werden, die eigens für einen bestimmten Bau angefertigt worden und deshalb sonst nicht oder nur schwer verwendbar sind. Dieser zweite Sonderfall könnte auch das Gerüst erfassen, das im Hinblick auf einen bestimmten Bau hergestellt wird und auf einer anderen Baustelle nicht oder kaum wieder verwendet werden kann (BGE 131 III 300 E. 3 S. 303 f. und E. 4.2 S. 305). Die Voraussetzung trifft hier nicht zu, da gemäss den handelsgerichtlichen Feststellungen kein speziell für den besagten Auftrag angefertigtes Gerüst, sondern ein Element-/Systemgerüst mit einem Meccano zum ![]() | 15 |
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Nach dem derzeitigen Stand der Revision sollen künftig nicht mehr nur Leistungen zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück pfandgeschützt sein, sondern Leistungen auf einem Grundstück auch zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung und dergleichen. Allein die Formulierung verdeutlicht, dass Arbeit auf einem Grundstück im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben genügen soll, die bisherige körperliche Verbindung der Arbeit mit dem Grundstück oder wenigstens die Bestimmtheit der Arbeit zu einer solchen Verbindung hingegen nicht mehr verlangt wird. Der Zusatz "und dergleichen" dürfte bedeuten, dass letztlich jede Lieferung von Material und Arbeit oder Arbeit allein auf einem Grundstück pfandberechtigt sein wird, wenn und soweit sie nur mit einem konkreten Bauvorhaben im Zusammenhang steht. Die vorgesehene Revision passt nicht in das heutige rechtliche Umfeld und läuft auf eine Änderung des bisherigen Rechts hinaus. Unter diesen Umständen kann sie weder bei der Auslegung des geltenden ![]() | 19 |
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