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14. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bank Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_260/2010 vom 15. November 2010 | |
Regeste |
Art. 50 LugÜ (in der Fassung bis 31.12.2010) und Art. 80 SchKG; ausländische vollstreckbare Urkunde. | |
Sachverhalt | |
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Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Schuldner Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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Gemäss Art. 50 Abs. 1 LugÜ in der Fassung vom 16. September 1988 (SR 0.275.11; AS 1991 2436) werden öffentliche Urkunden, die in einem Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat auf Antrag in den Verfahren nach den Artikeln 31 ff. LugÜ - d.h. wie eine gerichtliche Entscheidung - für vollstreckbar erklärt. Die kantonalen Gerichte haben gestützt auf diese Normen die Urkunde inzident für vollstreckbar erklärt und definitive Rechtsöffnung im Sinn von Art. 80 SchKG erteilt.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, es gehe vorliegend nicht um einen richterlichen Entscheid, sondern um eine Urkunde, deren Inhalt noch nie auf seine materiellrechtliche Richtigkeit überprüft worden sei. Es verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK und den Ordre public, hierfür definitive Rechtsöffnung zu gewähren, weil mit der vollstreckbaren öffentlichen Urkunde kein Verzicht auf den Justizgewährungsanspruch verbunden sei und in Deutschland die Vollstreckungsabwehrklage im Sinn von § 767 ZPO offenstünde.
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3. In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass Art. 80 Abs. 1 SchKG zwar von einem "vollstreckbaren gerichtlichen Urteil" spricht, aber Art. 50 LugÜ keine andere Wahl lässt, als bei vollstreckbaren öffentlichen Urkunden das Verfahren der definitiven Rechtsöffnung anzuwenden (z.B. VISINONI-MEYER, Die vollstreckbare öffentliche Urkunde im internationalen und nationalen Bereich, 2004, S. 48). Dadurch werden ausländische Titel indirekt bevorzugt, weil das schweizerische Recht die vollstreckbare öffentliche Urkunde nicht kennt. Dieses Institut wird deshalb in der auf 1. Januar 2011 in Kraft ![]() | 8 |
In der Literatur wird überwiegend die Meinung vertreten, dass vollstreckbare öffentliche Urkunden aufgrund von Art. 50 LugÜ im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung zu vollstrecken sind (NAEGELI, in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen [LugÜ], 2008, N. 49 zu Art. 50 LugÜ; DONZALLAZ, La Convention de Lugano [...], Bd. II, 1997, N. 4218; VOCK, in: Kurzkommentar SchKG, 2009, N. 9 zu Art. 80 SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 39 zu Art. 80 und N. 32 zu Art. 82 SchKG; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 67 zu Art. 80 SchKG; STAEHELIN, Die vollstreckbare öffentliche Urkunde - eine Ausländerin vor der Einbürgerung, in: Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung, 2005, S. 207; SCHWANDER, Vollstreckbare öffentliche Urkunden - Rechtsnatur, Verfahren der Erstellung und der Vollstreckung, AJP 2006 S. 674 f.; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 19 N. 59b; VISINONI-MEYER, Die Vollstreckung einer öffentlichen Urkunde gemäss Art. 50 LugÜ in der Schweiz, in: Schweizerisches und internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 429 f.; KREN, Anerkennbare und vollstreckbare Titel nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, in: Beiträge zum schweizerischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1991, S. 453; LEUTNER, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, Freiburg im Breisgau 1996, S. 193; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 276; SCHMID, Negative Feststellungsklagen, AJP 2002 S. 782 f.; MEIER, Besondere Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen, in: Das Lugano- Übereinkommen, 1990, S. 193; MARKUS, Lugano-Übereinkommen und SchKG-Zuständigkeiten, 1996, S. 86; OBERHAMMER, Die vollstreckbare öffentliche Urkunde im Vorentwurf einer eidgenössischen ZPO, in: Schweizerisches und internationales Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, S. 249; grundsätzlich auch PETER, Ausländische Urkunden als Titel für die provisorische Rechtsöffnung, in: Vorsorgliche Massnahmen aus internationaler Sicht, 2000, S. 153 f., wobei nur die provisorische Rechtsöffnung möglich sein soll, wenn das Recht, dem die Urkunde zuzuordnen ist, dem Schuldner noch ![]() | 9 |
Von den drei letztgenannten Publikationen stammen zwei aus der Zeit vor der SchKG-Revision, als dem Schuldner weder die negative Feststellungs- noch die Rückforderungsklage und damit keine materiellrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten offenstanden. WALTER begründet sein Eintreten zugunsten der provisorischen Rechtsöffnung denn auch genau mit diesem Umstand (a.a.O., S. 338), ebenso JAMETTI GREINER (a.a.O., S. 52), welche festhält, dass wohl anders zu entscheiden wäre, wenn die negative Feststellungsklage im SchKG eingeführt würde (a.a.O., S. 56). Aus der Zeit nach der SchKG-Revision bleibt somit als einzige Publikation mit abweichender Meinung diejenige von WITSCHI, welcher aber einräumt, dass das Verfahren der definitiven Rechtsöffnung "staatsvertragskonformer" wäre als dasjenige der provisorischen (a.a.O., S. 76).
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Wie die vorstehende Zusammenstellung zeigt, ist nach der herrschenden Lehre bei vollstreckbaren öffentlichen Urkunden definitive Rechtsöffnung zu gewähren. Der Vertragswortlaut von Art. 50 LugÜ, der für die Vollstreckbarerklärung auf die für gerichtliche Entscheidungen geltende Regelung verweist, lässt in der Tat keine andere Möglichkeit zu, ist doch für Urteile im Anerkennungsfall unbestrittenermassen definitive Rechtsöffnung zu erteilen. In der Botschaft vom 21. Februar 1990 zum LugÜ wird zu Art. 50 lapidar festgehalten, dass die betreffenden Urkunden den vollstreckbaren Urteilen gleichgestellt würden und dies keiner besonderen Erläuterung bedürfe (BBl 1990 II 329 Ziff. 241); der Gesetzgeber war sich also der Bedeutung von Art. 50 LugÜ bewusst und hat die Konsequenzen billigend akzeptiert. Dies wird übrigens bekräftigt durch die Botschaft zur schweizerischen ZPO, wo mit Bezug auf Art. 50 LugÜ festgehalten wird, dass "schon heute (...) öffentliche Urkunden in der Schweiz in den gleichen Verfahren wie Urteile zu vollstrecken" sind (BBl 2006 7387 Ziff. 5.24.2).
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Vor diesem Hintergrund geht die Ansicht des Beschwerdeführers, für eine Forderung, die noch nie richterlich beurteilt worden sei, ![]() | 12 |
Zum einen stehen dem Beschwerdeführer je nach Beurteilung der Zuständigkeitsfragen entweder Rechtsbehelfe nach der deutschen ZPO (etwa die Vollstreckungsgegenklage gemäss § 676) oder die negative Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG und ferner die Rückforderungsklage von Art. 86 SchKG offen (zu diesen Möglichkeiten statt vieler: NAEGELI, a.a.O., N. 84 ff. zu Art. 50 LugÜ m.w.H.). Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers verhält es sich mithin nicht so, dass ihm jede Möglichkeit genommen wäre, die Forderung materiell überprüfen zu lassen.
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Zum anderen sagt Art. 50 LugÜ nicht, dass die Urkunde ein Urteil sei; sie ist es auch nicht und sie kann im Unterschied zu einem gerichtlichen Entscheid insbesondere nicht in Rechtskraft erwachsen. Art. 50 Abs. 1 LugÜ bestimmt einzig, dass die öffentliche Urkunde, die in einem Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar ist, in einem anderen Vertragsstaat in den Verfahren nach den Art. 31 ff. LugÜ vollstreckbar zu erklären ist. Nun sind aber nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Rechtsöffnungsverfahren nicht nur die in Art. 81 Abs. 1 SchKG genannten Einwendungen gegen die Forderung zulässig; vielmehr kann vorweg der Rechtsöffnungstitel als solcher bestritten werden: Bei einem definitiven Titel kann beispielsweise geltend gemacht werden, das Urteil sei gefälscht, ![]() | 14 |
4. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, der auf Deutsche Mark lautenden Forderung mangle es nach der Einführung des Euro an genügender Bestimmtheit und sie könne deshalb nicht mehr direkt vollstreckbar sein, ist er auf die einschlägigen Verordnungen der EU hinzuweisen: Der Euro ist an die Stelle der Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten getreten (Art. 3 der Verordnung [EG] Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro [ABl. L 139 vom 11. Mai 1998 S. 1]; EuroVO II). Wird in Rechtsinstrumenten - d.h. in Rechtsvorschriften, Verwaltungsakten, gerichtlichen Entscheidungen, Verträgen, einseitigen Rechtsgeschäften, Zahlungsmitteln (vgl. Art. 1 EuroVO II) -, die am Ende der Übergangszeit bestehen, auf nationale Währungseinheiten Bezug genommen, so ist dies als Bezugnahme auf die Euro-Einheit entsprechend dem jeweiligen Umrechnungskurs zu verstehen (Art. 14 EuroVO II). Der Umrechnungskurs wurde auf DM 1,95583 = 1 Euro festgesetzt (Art. 1 der Verordnung [EG] Nr. 2866/98 des Rates vom 31. Dezember 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen [ABl. L 359 vom 31. Dezember 1998 S. 1]; EuroVO III).
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