BGE 138 III 11 | |||
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2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und C. gegen D. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_221/2011 vom 31. Oktober 2011 | |
Regeste |
Internationale Zuständigkeit zur Anordnung einer Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB; Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen; altes Lugano-Übereinkommen. | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Urteil vom 5. August 2008 verpflichtete das Amtsgericht Ravensburg (Deutschland) D. unter anderem, B. für A. und C. ab 1. März 2008 monatliche Unterhaltsbeiträge (zzgl. Anteil Kindergeld) zu bezahlen. Der Vater ist seinen Pflichten nicht nachgekommen. Darauf leitete B. die Betreibung ein. Im Rechtsöffnungsverfahren erklärte der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land das deutsche Urteil in der Schweiz als vollstreckbar (Entscheid vom 4. Juni 2009). Die Betreibung führte zu einem Verlustschein.
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C. Mit Gesuch vom 14. April 2010 beantragte B. beim Amtsgericht Luzern-Land, der jeweilige Arbeitgeber von D. sei anzuweisen, von dessen Lohn monatlich den Betrag von Fr. 1'482.95 abzuziehen und auf ihr Konto zu überweisen. Das Amtsgericht trat mit Entscheid vom 19. August 2010 mangels örtlicher Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 8. Februar 2011 ab.
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D. Mit Beschwerde vom 24. März 2011 wenden sich A. und C. (nachfolgend Beschwerdeführer), gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, an das Bundesgericht. Sie beantragen, die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Kriens (vormals Amtsgericht Luzern-Land) für ihr Gesuch um Schuldneranweisung festzustellen und die Sache zur materiellen Entscheidung an das Bezirksgericht Kriens zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer liess sich zur Beschwerde nicht vernehmen. Das Obergericht beantragte, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
5. Das Obergericht des Kantons Luzern anerkennt, dass die Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB weder die Feststellung noch die Festsetzung, sondern die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs betrifft. Aus dieser Erkenntnis folgert das Obergericht, die Schuldneranweisung sei eine Massnahme zum Schutze des Vermögens des Minderjährigen im Sinne von Art. 1 des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01). Daher sei dieses Abkommen "im Zusammenhang mit einer Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB anwendbar". Gestützt auf die im Minderjährigenschutzabkommen enthaltenen Vorschriften kommt das Obergericht zum Schluss, mangels eines Aufenthaltsortes der Kinder in der Schweiz bzw. mangels Vorliegens eines dringenden Falles im Sinne von Art. 9 MSA seien die Schweizer Gerichte örtlich nicht zuständig. Diese Auffassung geht fehl:
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Vom Anwendungsbereich des MSA ausgeschlossen ist nach der bundesgerichtlichen Praxis hingegen die Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen (BGE 126 III 298 E. 2a/bb S. 302; BGE 124 III 176 E. 4 S. 179 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach Unterhaltsleistungen vom Minderjährigenschutzabkommen nicht erfasst sind, weil es sich hierbei um eine Materie handelt, die in speziellen Haager Übereinkommen geregelt wurde (SIEHR, in: Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 25 zu Art. 85 IPRG; ders., in: Münchener Kommentar [...], a.a.O., N. 92 zu Art. 19 EGBGB Anh. I; JAMETTI GREINER, a.a.O., Anh. IPR, N. 97; KROPHOLLER, Kommentar, a.a.O., Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, N. 109 und 118; vgl. auch SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 25 zu Art. 85 IPRG). Mit diesen Übereinkommen sind das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (SR 0.211.221.431), das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01), das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (SR 0.211.221.432) und das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (SR 0.211.213.02) gemeint (PAUL VOLKEN, Die internationale Vermögenssorge für Minderjährige [nachfolgend: Vermögenssorge], in: Familie und Recht, Festschrift Schnyder, 1995, S. 824).
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5.2.1 Ausdrücklich bejaht wird diese Frage von BUCHER (a.a.O., S. 117): Nach der Ansicht dieses Autors fällt nur die Erhaltung und die Verwaltung des Vermögens unter den Vermögensschutz im Sinne von Art. 1 MSA. Die elterliche Unterhaltspflicht hingegen sei keine Rechtsbeziehung, deren wesentliche Funktion im Schutz des Vermögens des Minderjährigen besteht; aus diesem Grund unterstünden Anordnungen und Entscheidungen betreffend den Unterhalt auch nicht dem Minderjährigenschutzabkommen. Da Unterhaltsleistungen vom Abkommen nicht erfasst seien, müsse dies auch für "akzessorische Entscheidungen" gelten, die dazu dienen, die Bezahlung von Alimenten zu sichern (ähnlich der Beschluss der I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2010, in: ZR 109/2010 S. 304; vgl. auch Art. 3 lit. g des Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern [SR 0.211.231.011], das im Verhältnis zu Deutschland erst am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist und deshalb im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt).
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5.2.3 Die bereits zitierten Autoren JAMETTI GREINER und SIEHR begnügen sich im Wesentlichen mit dem Hinweis, das MSA sei auf Unterhaltspflichten nicht anwendbar, weil für diese Materie andere Staatsverträge massgebend seien (s. E. 5.1). SIEHR führt allerdings aus, die Schuldneranweisung nach Art. 177 ZGB beziehe sich auf den Unterhalt, weshalb sich die Zuständigkeit nach dem Lugano-Übereinkommen (in dessen bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung [aLugÜ; AS 1991 2436]) richte (SIEHR, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 1. Aufl. 1996, N. 6 zu Art. 46 IPRG). Im Anschluss daran mutmasst NAEGELI (in: Gerichtsstandsgesetz, Müller/Wirth [Hrsg.], 2001, N. 23 zu Art. 17 GestG), wenn die Schuldneranweisung als Unterhaltssache im Sinne des aLugÜ anzusehen sei, schliesse dies eine Qualifikation als Schutzmassnahme im Sinne des MSA aus. Ohne sich für eine Lösung zu entscheiden, weist NAEGELI darauf hin, je nach Qualifikation richte sich die internationale Zuständigkeit für eine Schuldneranweisung nach dem aLugÜ oder nach dem MSA. Der genannte Autor gibt zu bedenken, dass auch auf die Vollstreckbarkeit in der Schweiz zu achten sei und sich die Frage stelle, ob internationales Vollstreckungsrecht zur Anwendung kommt (NAEGELI, a.a.O., N. 24 zu Art. 17 und N. 85 zu Art. 15 GestG). Er stützt sich hierbei auf HAUSHEER/REUSSER/GEISER. Diese Autoren verweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die Schuldneranweisung eine besondere Art der Vollstreckung ist (vgl. nicht publ. E. 4). Daher könne ein Gerichtsstand in der Schweiz nur gegeben sein, wenn die Schweiz auch für die Vollstreckung zuständig ist (Berner Kommentar, 4. Aufl. 1999, N. 30 zu Art. 180 ZGB). Mit Blick auf die internationale Vollstreckung führen HAUSHEER/REUSSER/GEISER aus, es sei nicht einzusehen, warum eine Anweisung nicht möglich sein sollte, wenn der Schuldner, an den sich die Anweisung richten soll, in der Schweiz wohnt, während sich der abzusichernde Unterhaltsanspruch nach ausländischem Recht richtet, weil der Unterhaltsgläubiger seinen Wohnsitz im Ausland hat (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB).
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5.3 Das Minderjährigenschutzabkommen legt als hauptsächliche Zuständigkeit diejenige der Behörden und Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen fest (Art. 1 MSA). Wie sich dem Schrifttum entnehmen lässt, fusst diese Zuständigkeitsregelung auf der Annahme, die Instanzen am Aufenthaltsort seien wegen ihrer Nähe zum Sachverhalt am besten in der Lage, den Minderjährigen in seiner Person zu schützen. Daher sollen diese Behörden in Anwendung ihres eigenen Rechts (Art. 2 MSA) auch die erforderlichen Schutzmassnahmen ergreifen (SIEHR, in: Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 17 zu Art. 85 IPRG; vgl. auch OBERLOSKAMP, a.a.O., N. 2 zu Art. 1 MSA; KROPHOLLER, Kommentar, a.a.O., Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, N. 27 ff.). Diese Überlegungen lassen sich indes nicht ohne Weiteres auf den Fall übertragen, da finanzielle Interessen des Minderjährigen auf dem Spiel stehen. Geht es - wie im vorliegenden Fall - um die Sicherung des Unterhalts des Minderjährigen, mag die Ausrichtung regelmässiger Unterhaltsleistungen für das Gedeihen des Minderjährigen je nach den Umständen zwar besonders wichtig sein. Daraus folgt aber nicht, dass sich auch die internationale Durchsetzung der Unterhaltsansprüche für den Minderjährigen als günstiger erweist, wenn man die Schuldneranweisung als Massnahme zum Schutz des Vermögens im Sinne von Art. 1 MSA qualifiziert. Wie gerade der angefochtene Entscheid zeigt, kann sich eine solche Qualifikation zum Nachteil des Minderjährigen auswirken: Wären die deutschen Behörden am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes der Beschwerdeführer nach Art. 1 MSA zuständig, zur Durchsetzung deren Unterhaltsanspruchs nach deutschem Recht Vermögensschutzmassnahmen anzuordnen, so könnten sich die Beschwerdeführer die besonderen Vorteile, die ihnen eine Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme böte, nicht zunutze machen. Selbst wenn das deutsche Recht ein der Schuldneranweisung verwandtes Institut kennen sollte, ist fraglich, ob ein deutsches Gericht gestützt auf das Urteil des Amtsgerichts Ravensburg vom 5. August 2008 einen Schuldner des Beschwerdegegners in der Schweiz verbindlich anweisen könnte, anstatt an den Beschwerdegegner an die Beschwerdeführer zu leisten (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB). Für den Fall, dass eine Massnahme Vollstreckungshandlungen in einem anderen Staat erfordert, hält Art. 7 MSA denn auch ausdrücklich fest, dass sich Anerkennung und Vollstreckung nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaates oder nach internationalen Übereinkünften richten.
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Wohl dient die Schuldneranweisung nach dem Gesagten den finanziellen Interessen des Minderjährigen. Auch lassen sich Unterhaltsansprüche als Aktiven des Vermögens des Minderjährigen begreifen. Diese Erkenntnisse ändern jedoch nichts daran, dass die Schuldneranweisung im Sinne von Art. 291 ZGB - anders als etwa die in Art. 324 ZGB vorgesehenen vormundschaftlichen Massnahmen zum Schutz des Kindesvermögens - keinen materiell-rechtlichen Anspruch begründet, der unmittelbar den Schutz des Vermögens des Minderjährigen zum Gegenstand hat. Vielmehr handelt es sich um eine Zwangsvollstreckungsmassnahme, die dem Kind zwar gewisse Privilegien bei der Durchsetzung seines rechtskräftig festgesetzten Unterhaltsanspruches einräumt, deren Zweck sich aber doch darin erschöpft, dem materiellen Unterhaltsrecht zum Durchbruch zu verhelfen (nicht publ. E. 4). Nachdem aber gerade die Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen vom Anwendungsbereich des Minderjährigenschutzabkommens ausgenommen ist (E. 5.1), macht es schon unter systematischen Gesichtspunkten keinen Sinn, diesem Abkommen einen vollstreckungsrechtlichen Behelf zu unterstellen, der ausschliesslich auf die Durchsetzung der - vom Abkommen nicht erfassten - Unterhaltsbeiträge zugeschnitten ist. Aufgrund der primären Zuständigkeit der Behörden am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen hätte die Qualifikation der Schuldneranweisung als Vermögensschutzmassnahme im Sinne von Art. 1 MSA überdies zur Folge, dass eine Zwangsvollstreckungsmassnahme nicht von einer Behörde desjenigen Staates angeordnet wird, in der sich das Vollstreckungssubstrat befindet, sondern von der ausländischen Behörde des Staates, in welchem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine solche Lösung erscheint nicht nur wenig praktikabel, sondern widerspricht auch dem allgemeinen Grundsatz, wonach zur Anordnung hoheitlicher Zwangsvollstreckungsmassnahmen derjenige Staat zuständig ist, in welchem sich die Vermögenswerte befinden, die Gegenstand der Vollstreckung sind.
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7. Weitere spezielle Staatsverträge, denen sowohl Deutschland als auch die Schweiz angehören und die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen könnten, werden von den Parteien nicht angerufen und sind nicht ersichtlich. Fehlt es an einem Spezialabkommen, das die gerichtliche Zuständigkeit im internationalen Verhältnis regelt, so bleibt zu prüfen, ob sich diese aus dem Lugano-Übereinkommen (in seiner bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung) ergibt. Dies hat auch das Obergericht getan. Es befand, die Schuldneranweisung im Sinne von Art. 291 ZGB sei keine Unterhaltssache im Sinne von Art. 5 Nr. 2 aLugÜ. Aus dieser Erkenntnis folgert das Obergericht, das Lugano-Übereinkommen sei nicht anwendbar. Dieser Schluss geht fehl:
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Erwägung 7.1 | |
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7.2.1 Nach Art. 2 aLugÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten des Wohnsitzstaates zu verklagen. Vorbehalten bleiben die besonderen Vorschriften dieses Übereinkommens (BGE 132 III 778 E. 2.1 S. 782). Diese sehen teils mit Art. 2 aLugÜ konkurrierende, das heisst dem Kläger alternativ zur Wahl stehende Zuständigkeiten (bspw. Art. 5-6a aLugÜ), teils ausschliessliche Gerichtsstände (bspw. Art. 16 aLugÜ) vor.
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7.2.2 Das europäische Prozessrecht geht grundsätzlich von der strikten Zweiteilung der Rechtsdurchsetzung in ein Erkenntnis- und ein Vollstreckungsverfahren aus (OBERHAMMER, Klägergerichtsstand für die Aberkennungsklage nach Art. 83 SchKG und Art. 2 LugÜ: Schweizerische Praxis und europäisches Zivilprozessrecht im Konflikt, Zeitschrift für Zivilprozessrecht International 9/2004 S. 222). Auf diesem Modell beruht auch das Lugano-Übereinkommen. Die in Titel II enthaltenen Vorschriften über die "besonderen Zuständigkeiten" regeln die direkte Zuständigkeit nur für diese zwei Arten von Hauptsacheverfahren, nämlich in Art. 5-15 aLugÜ für Verfahren zur Herstellung eines Vollstreckungstitels (Erkenntnisverfahren) und in Art. 16 Nr. 5 aLugÜ für Verfahren zur Vollstreckung eines bereits vorhandenen Vollstreckungstitels; eine dritte Kategorie von Verfahren wird in Titel II des Übereinkommens weder geregelt noch zugelassen (Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. Juli 2003, in: Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide [LGVE] 2003 I Nr. 27 E. 4.2 S. 56; MARKUS, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 159 und 169 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ). Auch wenn das Lugano-Übereinkommen nicht selbst definiert, was unter einem Erkenntnis- und einem Zwangsvollstreckungsverfahren zu verstehen ist, richtet sich diese Abgrenzung nach einer staatsvertragsautonomen Auslegung (MARKUS, a.a.O., N. 158 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ; ALFONS VOLKEN, Die örtliche Zuständigkeit gemäss Lugano-Übereinkommen, ZWR 1992 S. 136; Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. Juli 2003, a.a.O., E. 4.2 S. 55; KILLIAS, in: Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 21 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ; GÜNGERICH, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 62 zu Art. 22 LugÜ; KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht [nachfolgend: Zivilprozessrecht], 8. Aufl., Frankfurt am Main 2005, N. 61 zu Art. 22 EuGVO). Unter welchen Voraussetzungen in einem Vertragsstaat eine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden kann, lässt sich dem Lugano-Übereinkommen freilich nicht entnehmen; diese Frage lässt sich auch im Wege vertragsautonomer Begriffsauslegung nicht beantworten (BGE 124 III 505 E. 3a S. 507). Daher ist in einem ersten Schritt das fragliche nationale Verfahren nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht zu qualifizieren, um es in einem zweiten Schritt nach autonomen Grundsätzen entweder dem Erkenntnis- oder dem Vollstreckungsverfahren zuzuordnen (KILLIAS, a.a.O.; SCHLOSSER, Gläubigeranfechtungsklage nach französischem Recht und Art. 16 EuGVÜ, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [IPRax] 1991 S. 29 f.). Der erste Schritt ist schon getan (s. nicht publ. E. 4). An dieser Stelle erfolgt nun die Zuordnung nach staatsvertragsautonomen Gesichtspunkten.
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Im Schrifttum wird teilweise die Meinung vertreten, die vom Schweizer Richter angeordnete Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB sei - unter dem Gesichtspunkt des Lugano-Übereinkommens - eine "zivilrechtliche Massnahme" (so ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 177 zu Art. 5 Nr. 2 LugÜ) bzw. eine Unterhaltssache im Sinne von Art. 5 Nr. 2 LugÜ (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 383 zu Art. 5 Nr. 2 LugÜ; ähnlich: ROELLI/MEULI-LEHNI, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 5 zu Art. 291 ZGB; WEBER, Anweisung an die Schuldner, Sicherstellung der Unterhaltsforderung und Verfügungsbeschränkungen, AJP 2002 S. 241; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2010, in: ZR 109/2010 Nr. 70 E. 7 ff. S. 304 f.). Zumindest implizite qualifizieren die erwähnten Autoren den Prozess um die Schuldneranweisung damit als Erkenntnisverfahren. Eine Begründung für ihre Auffassung liefern sie indes nicht. Namentlich bleibt unklar, welche Ausgangslage sie vor Augen haben.
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Im hier zu beurteilenden Fall geht es den Unterhaltsberechtigten um die Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs, dessen Bestand und Höhe in einem Erkenntnisverfahren bereits festgestellt wurden; die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist nicht Prozessgegenstand (s. ausführlich nicht publ. E. 4.3). Wenn nun die Unterhaltsberechtigten auf der Basis eines im Ausland gefällten, in der Schweiz aber anerkannten und vollstreckbar erklärten Unterhaltsurteils um Vollstreckung mittels Schuldneranweisung ersuchen, kann von einem Erkenntnisverfahren nicht mehr gesprochen werden. Diese Schlussfolgerung präjudiziert indessen nicht den ganz anders gelagerten Fall, in welchem bereits das ausländische Gericht eine der schweizerischen Schuldneranweisung vergleichbare Anordnung getroffen hat und ein Schweizer Gericht diese ausländische "Schuldneranweisung" anerkennen und vollstrecken soll. Denn die Frage, ob ein solch ausländisches Verfahren ebenfalls als Zwangsvollstreckungsverfahren im Sinne von Art. 16 Nr. 5 aLugÜ bzw. Art. 22 Nr. 5 LugÜ oder als Erkenntnisverfahren zu qualifizieren wäre (so OBERHAMMER, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 84 zu Art. 5 Nr. 2 LugÜ), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Prozesses.
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7.2.4 Damit bleibt nur mehr zu untersuchen, ob das Verfahren um Anordnung einer Schuldneranweisung ein Vollstreckungsverfahren im Sinne des Lugano-Übereinkommens ist. Für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, bestimmt das Lugano-Übereinkommen in Art. 16 Nr. 5 aLugÜ, dass die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschliesslich zuständig sind. Der Grund für die ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte des Vollstreckungsstaates liegt darin, dass es Sache der Gerichte desjenigen Vertragsstaats sein soll, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Vorschriften über die Tätigkeit der Vollstreckungsbehörden anzuwenden (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. März 1992 C-261/90 Reichert II, Slg. 1992 I-2149 Randnr. 26). Der Grundsatz der Territorialität fusst auf dem Souveränitätsprinzip, das umgekehrt auch ausländischen Vollstreckungsorganen eine hoheitliche Tätigkeit auf fremdem Gebiet verbietet (MANKOWSKI, a.a.O., N. 54 zu Art. 22 Brüssel I-VO; SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2009, N. 24 zu Art. 22 EuGVVO; DE LIMA PINHEIRO, in: Brussels I Regulation, Magnus/Mankowski [Hrsg.], N. 74 zu Art. 22 Brüssel I-VO; CUNIBERTI, Le principe de la territorialité des voies d'exécution, Journal du Droit International 135/2008 S. 963 ff., insbes. 982 ff.). Daher verdrängt die ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte im Vollstreckungsstaat auch die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 aLugÜ) und die besonderen Zuständigkeiten nach Art. 5 ff. aLugÜ (KROPHOLLER, Zivilprozessrecht, a.a.O., N. 2 zu Art. 22 EuGVO). Den Materialien zufolge fallen unter Art. 16 Nr. 5 aLugÜ all jene Verfahren, die sich aus der Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden ergeben (JENARD, Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, unterzeichnet in Brüssel am 27. September 1968, ABl. C 59 vom 5. März 1979 S. 1 ff., 36). Gemeint sind kontradiktorische Verfahren, in denen es um die gerichtliche Anordnung oder Überprüfung eigentlicher Vollstreckungsmassnahmen geht, die also einen unmittelbaren Bezug zur Zwangsvollstreckung aufweisen (STOFFEL, Ausschliessliche Gerichtsstände des Lugano-Übereinkommens und SchKG-Verfahren, insbesondere Rechtsöffnung, Widerspruchsklage und Arrest, in: Festschrift Oscar Vogel, 1991, S. 372; KROPHOLLER, Zivilprozessrecht, a.a.O., N. 61 zu Art. 22 EuGVO; SCHLOSSER, a.a.O., N. 24 zu Art. 22 EuGVVO; MARKUS, a.a.O., N. 168 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 24 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ). Entsprechend der Natur eines solchen Vollstreckungsverfahrens setzt Art. 16 Nr. 5 aLugÜ das Vorhandensein eines Vollstreckungstitels voraus (BUCHER, in: Commentaire romand, Convention de Lugano, 2011, N. 73 zu Art. 22 LugÜ; MARKUS, a.a.O., N. 169 zu Art. 22 Nr. 5 aLugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 25 f. zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ).
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Über die Unterhaltspflicht des Beschwerdegegners hat das Amtsgericht Ravensburg bereits befunden. Dessen Urteil vom 5. August 2008 ist in Rechtskraft erwachsen und in der Schweiz für vollstreckbar erklärt worden (s. Bst. B). Wie oben ausgeführt, besteht das Ziel des von den Beschwerdeführern gegen den Beschwerdegegner angehobenen Prozesses in der Vollstreckung des rechtskräftigen und für vollstreckbar erklärten Unterhaltsentscheides. Die Schuldneranweisung, um deren Anordnung die Beschwerdeführer ersuchen, ist eine Massnahme, die dazu dient, die Zahlung einer Schuld gegen den Willen des Schuldners zu erwirken: Die Geldmittel, die zur Tilgung der Unterhaltsforderung erforderlich sind, sollen zwangsweise aus dem Vermögen des Alimentenschuldners in dasjenige des Gläubigers überführt werden (nicht publ. E. 4.1). Das Verfahren um Anordnung einer Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB ist deshalb als Zwangsvollstreckungsverfahren im Sinne von Art. 16 Nr. 5 aLugÜ anzusehen. Zum gleichen Ergebnis führt auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die Schuldneranweisung als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme an die Stelle einer definitiven Rechtsöffnung mit nachfolgender Pfändung tritt. Ist nämlich das Verfahren der definitiven Rechtsöffnung (Art. 80 f. SchKG) einschliesslich des ihm vorgelagerten Zahlungsbefehlsverfahrens nach einhelliger Auffassung ein Titelvollstreckungsverfahren, das unter Art. 16 Nr. 5 aLugÜ fällt (GÜNGERICH, a.a.O., N. 73 zu Art. 22 LugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 45 ff. zu Art. 22 LugÜ; BUCHER, a.a.O., N. 72 zu Art. 22 LugÜ; MARKUS, a.a.O., N. 211 zu Art. 22 Nr. 5 aLugÜ; VOLKEN, Zuständigkeit, a.a.O., S. 136; WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 4. Aufl. 2007, S. 249; STOFFEL, a.a.O., S. 372; SCHLOSSER, a.a.O., N. 29 zu Art. 22 EuGVVO; KROPHOLLER, Zivilprozessrecht, a.a.O., N. 64 zu Art. 22 EuGVO; MANKOWSKI, a.a.O., N. 60 zu Art. 22 Brüssel I-VO), so muss dies auch für die Schuldneranweisung gelten, die im Sinne einer privilegierten Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis an die Stelle der definitiven Rechtsöffnung tritt.
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7.3 Nach dem Gesagten steht fest, dass die schweizerischen Gerichte für das Verfahren um Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB, das die Beschwerdeführer gegen den in der Schweiz wohnhaften Beschwerdegegner gestützt auf ein deutsches Unterhaltserkenntnis angehoben haben, im internationalen Verhältnis nach Art. 16 Nr. 5 aLugÜ zuständig sind. Zur gleichen Erkenntnis würde im Übrigen auch die Anwendung des revidierten Lugano-Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 führen, denn die in Art. 22 Nr. 5 der revidierten Fassung enthaltene Vorschrift stimmt inhaltlich mit Art. 16 Nr. 5 aLugÜ überein. Im Ergebnis ist die Beschwerde im beschriebenen Sinne (E. 7.2) gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Streitsache ist zur weiteren Behandlung an das Bezirksgericht Kriens zurückzuweisen. Das Urteil des Obergerichts vom 8. Februar 2011 äussert sich nur zur internationalen Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte. Die landesinterne örtliche Zuständigkeit ist somit nicht Gegenstand der vorliegenden Streitsache. Sie ergibt sich auch nicht aus Art. 16 Nr. 5 aLugÜ, denn diese Vorschrift regelt lediglich die internationale Zuständigkeit, während sich die örtliche Zuständigkeit nach dem internen Recht des betroffenen Vertragsstaates bestimmt (MARKUS, a.a.O., N. 220 zu Art. 22 Nr. 5 aLugÜ; STOFFEL, a.a.O., S. 367).
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