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12. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_372/2011 vom 7. November 2011 | |
Regeste |
Altes und revidiertes Lugano-Übereinkommen; Übergangsrecht; Zustellungsnachweis bei Säumnisurteil; Art. 63 LugÜ; Art. 327a ZPO; Art. 46 Nr. 2 aLugÜ. |
Art. 327a ZPO kommt nur auf Vollstreckungsverfahren zur Anwendung, welche sich nach dem revidierten LugÜ richten (E. 2.2). |
Zum Nachweis einer nicht grenzüberschreitenden Zustellung des den Rechtsstreit einleitenden Schriftstücks gemäss Art. 46 Nr. 2 aLugÜ genügt die Bestätigung des zustellenden Staates, wenn der Empfänger im Rechtsbehelfsverfahren nicht bestreitet, im Zustellungszeitpunkt in diesem Staat Wohnsitz gehabt zu haben (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B. Die Beschwerdeführerin ersuchte den Einzelrichter am Kantonsgericht Zug am 16. September 2010, diesen Mahnbescheid zu anerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Als Beilage zu diesem Gesuch hat die Beschwerdeführerin dem Einzelrichter namentlich eine Bescheinigung des Bezirksgerichts Warschau vom 4. November 2010 samt Übersetzungen eingereicht. Darin bescheinigt das Bezirksgericht Warschau, dass vor dem Bezirksgericht unter dem Aktenzeichen I Nc 120/10 aufgrund der Klage der Beschwerdeführerin der Prozess gegen den Beschwerdegegner auf Zahlung von PLZ 665'765.05 anhängig war, am 27. Mai 2010 der Mahnbescheid erlassen wurde und der Beschwerdegegner am 17. Juni 2010 ![]() | 2 |
Der Einzelrichter forderte die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 21. Dezember 2010 auf, innert 10 Tagen die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift jener Urkunde vorzulegen, aus welcher sich ergibt, dass das den Rechtsstreit einleitende (...) Schriftstück dem Beschwerdegegner zugestellt worden ist. Am 7. Januar 2011 nahm die Beschwerdeführerin dazu schriftlich Stellung, ohne jedoch weitere Unterlagen nachzureichen. Der Einzelrichter wies das Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsgesuch der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 12. Januar 2011 (...) ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zug am 12. Mai 2011 ab.
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C. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den Mahnbescheid des Bezirksgerichts Warschau vom 27. Mai 2010 anzuerkennen und als vollstreckbar zu erklären. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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Erwägung 3 | |
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3.2 Die Vorinstanz stellte nicht in Frage, dass es sich bei dem der Klageschrift beigelegten Mahnbescheid um das ![]() | 10 |
3.3 Die Vorinstanz hält demgegenüber sinngemäss dafür, die Zustellbescheinigung des Bezirksgerichts Warschau vom 4. November 2010 könne nicht als Urkunde angesehen werden, aus der sich die Zustellung des den Rechtsstreit einleitenden Schriftstücks an den Beschwerdegegner ergebe. Aus dieser Bescheinigung lasse sich nicht entnehmen, wie die Zustellung an den Beschwerdegegner erfolgt sei. Es lägen auch keine Belege vor, nach welchen dieser im Mai 2010 - rund eineinhalb Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages - immer noch an der im Darlehensvertrag vom 15. September 2008 angegebenen Adresse in Warschau Wohnsitz gehabt habe, weshalb dies nicht erstellt sei. Insbesondere fehle eine entsprechende Erklärung der Einwohnerkontrolle von Warschau. Das Kantonsgericht habe daher zu Recht festgestellt, es fehle ein Nachweis dafür, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids Wohnsitz in Polen gehabt habe. Da der Beschwerdegegner heute unbestrittenermassen Wohnsitz in der Schweiz habe, gehe es vorliegend entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht um die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids nach polnischem Recht, sondern um die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks im Ausland nach dem Haager Zustellungsübereinkommen. Nach Art. 6 HZÜ habe die zentrale Behörde des ersuchten Staates oder jede hierzu bestimmte Behörde einen Zustellungsnachweis auszustellen. Auf dem Gebiet des Kantons Zug sei dies das ![]() | 11 |
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Erwägung 3.5 | |
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3.5.2 Einzig wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück in einem anderen Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens zuzustellen ist, hat dies gemäss Art. IV Abs. 1 des Protokolls Nr. 1 zum LugÜ nach den zwischen den Vertragsstaaten geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen zu geschehen. Diesfalls ist namentlich die Ausgestaltung der nach Art. 46 Nr. 2 aLugÜ vorzulegenden ![]() | 14 |
3.5.3 Das Vollstreckungsgericht hat zwar die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit von Amtes wegen zu prüfen. Es hat sich dabei jedoch vom Grundsatz leiten zu lassen, dass das Übereinkommen von einer "automatischen" Anerkennung ausländischer Entscheidungen ausgeht, weshalb die Beweislast für das Vorliegen von Verweigerungsgründen diejenige Partei trifft, welche sich der Anerkennung widersetzt (WALTHER, a.a.O., N. 1 zu Art. 26 aLugÜ). Das bedeutet, dass im erstinstanzlichen Anerkennungsverfahren, das auf einseitigen Antrag durchgeführt wird (Art. 34 Abs. 1 aLugÜ), das Gericht im Wesentlichen die generelle Anwendbarkeit des Übereinkommens zu klären und die Vollständigkeit sowie Aussagekraft der vom Gesuchsteller unabdingbar beizubringenden Urkunden im Sinne von Art. 46 und 47 aLugÜ zu überprüfen hat. Tatbestandsermittlungen von Amtes wegen haben dagegen nicht zu erfolgen (DANIEL STAEHELIN, in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 10 zu Art. 34 aLugÜ mit Hinweisen). Eine einlässliche Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe kann ohnehin erst im Rechtsbehelfsverfahren stattfinden, nachdem auch der Gesuchsgegner zu Wort gekommen ist (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 2 zu Art. 400a aZPO/BE mit Hinweisen). Dabei ![]() | 15 |
3.6 Vorliegend steht eine Auslandzustellung gerade nicht zur Debatte. Vielmehr bescheinigt das Warschauer Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, dass der Beschwerdegegner am 17. Juni 2010 eine Abschrift davon mit einer Abschrift der Klageschrift in Polen erhalten hat. Dieser Bescheinigung lässt sich die erfolgreiche Zustellung der Urkunden an einem bestimmten Tag an den Beschwerdegegner "direkt" entnehmen. Dieser hat vor der Vorinstanz den Erhalt der genannten Dokumente nicht bestritten, und er hat auch nicht geltend gemacht, er habe im Zustellungszeitpunkt im Kanton Zug Wohnsitz gehabt, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre (vgl. E. 3.5.3 hiervor). Wenn die Vorinstanz trotz fehlender Bestreitung des Wohnsitzes in Polen durch den Beschwerdegegner die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Zustellungsbescheinigung nicht genügen liess und einzig aus dem Umstand, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt des Eingangs des Gesuchs um Vollstreckbarkeitserklärung im Kanton Zug wohnte, die Rechtsgültigkeit der Bescheinigung in Zweifel zog, hat sie die Anforderungen an den Nachweis der korrekten Zustellung des prozesseinleitenden Schriftstücks im Sinne von Art. 46 Nr. 2 aLugÜ überspannt und insoweit gegen Bundesrecht verstossen.
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