Art. 111 SchKG, Art. 289 Abs. 2 ZGB; privilegierte Anschlusspfändung, Übergang des Privilegs auf das Gemeinwesen.
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Sachverhalt
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 A. In der gegen X. laufenden Betreibung der Krankenkasse A. vollzog das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, am 10. Dezember 2010 die Pfändung (Gruppe Nr. x). Auf entsprechende Mitteilung hin gelangte die Stadt Zürich, Soziale Dienste/Alimentenstelle, am 5. Januar 2011 an das Betreibungsamt. Sie verlangte den privilegierten Anschluss an die Pfändung nach Art. 111 SchKG für Alimentenforderungen gegenüber dem Schuldner, die sie für dessen Sohn vom 1. Juli 2008 bis 1. Januar 2011 bevorschusst hatte. Darauf teilte das Betreibungsamt der Stadt Zürich am 14. Januar 2011 mit, dass Unterhaltsbeiträge, die durch das Gemeinwesen  bevorschusst werden, zur privilegierten Anschlusspfändung nicht berechtigt seien.
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B. Gegen die Verfügung des Betreibungsamtes erhob die Stadt Zürich Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, welche mit Entscheid vom 7. Juni 2011 abgewiesen wurde.
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C. Die Stadt Zürich ist am 16. Juni 2011 mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt, der Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 7. Juni 2011 sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen, den privilegierten Anschluss an die Pfändung vom 10. Dezember 2010 zu gewähren. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
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3.2.1 Ein Teil der Autoren vertritt die Auffassung, dass zu "allen Rechten", die auf das Gemeinwesen übergehen (Art. 289 Abs. 2 ZGB), auch das Recht zum privilegierten Pfändungsanschluss gehört, weil es um die qualitative Sicherung der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs gehe (u.a. BREITSCHMID, Fragen um die Zwangsvollstreckung bei Alimentenbevorschussung [...], SJZ 1992 S. 64; HEGNAUER, Berner Kommentar, 1997, N. 97 zu Art. 289 ZGB; HAUSHEER/SPYCHER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, S. 386 Rz. 6.42; BASTONS BULLETTI, Les moyens d'exécution des contributions d'entretien après divorce et les prestations d'aide sociale, in: Droit patrimonial de la famille, 2004, S. 72; MATHEY, La saisie de salaire et de revenu, 1989, S. 211 Rz. 457).
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3.2.2 Nach anderer Meinung handelt es sich beim Anschlussrecht nach Art. 111 SchKG um ein Vorzugsrecht, welches mit Blick auf die persönliche Rücksichtnahme untrennbar mit der Person des Abtretenden verbunden sei und nicht nach Art. 170 OR übergehe (u.a. JENT-SØRENSEN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 15 zu Art. 111 SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 36 zu Art. 111 SchKG; PROBST, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 10 zu Art. 170 OR; GIRSBERGER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 9 zu Art. 170 OR). Die kantonale Rechtsprechung ist von dieser Auffassung bzw. von der Verweigerung des Anschlussprivilegs nicht überzeugt (ZR 1991 Nr. 40 E. 4a S. 126 obiter dictum).
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 3.3.1 Den Materialien lässt sich entnehmen, dass die Subrogation "namentlich" die Unterhaltsklage (Art. 279 ff. ZGB), den Anspruch auf Schuldneranweisung (Art. 291 ZGB) und auf Sicherstellung (Art. 292 ZGB) erfasst (Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des ZGB [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1, 64 Ziff. 322.6). Daraus kann ebenso wenig wie aus der systematischen Einordnung von Art. 289 Abs. 2 ZGB (im Kindesunterhaltsrecht) abgeleitet werden, dass der Übergang von zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorzugsrechten ausgeschlossen sei. Der Revisionsgesetzgeber wollte die Geltendmachung und Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs erleichtern. Mit dem Ausbau der privatrechtlichen Regelung wurde auch klargestellt, dass es sich bei der Bevorschussung des Unterhaltsanspruchs durch das Gemeinwesen nicht um Sozialleistungen handelt. Das Kind soll nicht Anspruch auf Bevorschussung haben, weil es Not leidet, sondern weil der Unterhaltspflichtige säumig ist. Das Gemeinwesen erbringt die Leistung an Stelle des Pflichtigen, weshalb der privatrechtliche (Unterhalts-)Anspruch übergeht (Botschaft, a.a.O., 66 Ziff. 322.7).
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3.4.3 Schliesslich kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz (sowie offenbar MEIER/STETTLER, Droit de filiation, 4. Aufl. 2009, S. 556 Fn. 2058) aus BGE 116 III 10 keine Verweigerung des Anschlussprivilegs abgeleitet werden. Nach der zitierten Rechtsprechung kann bei der Einkommenspfändung (Art. 93 SchKG) nur dann in das Existenzminimum des Schuldners eingegriffen werden, wenn die Pfändung (oder der Arrest) von unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern verlangt wird, nicht aber, wenn das Gemeinwesen im Rahmen von Art. 289 Abs. 2 ZGB als Gläubiger auftritt (BGE 106 III 18 E. 2 S. 20; zuletzt BGE 137 III 193 E. 3.9 S. 204). Dieser Rechtsprechung liegt die sozialpolitische Überlegung zugrunde, dass Schuldner und  Gläubiger den gleich schweren wirtschaftlichen Einschränkungen unterliegen sollen, wenn beide Einkommen den Notbedarf nicht zu decken vermögen (BGE 116 III 10 E. 4 S. 15); es überwiegt die Verknüpfung mit der Person. Der Eingriff in den Notbedarf, der als Ausnahme zugelassen wird, haftet daher als privilegium personae am Unterhaltsberechtigten (BGE 106 III 18 E. 2 S. 21). Dem steht jedoch nicht entgegen, dass andere betreibungsrechtliche Privilegien von der Subrogation nach Art. 289 Abs. 2 ZGB erfasst sind. Das Anschlussprivileg erleichtert zwar die betreibungsrechtliche Geltendmachung der Forderung (keine vorgängige Betreibung notwendig), ist jedoch mit dem Eingriff in das Existenzminimum des Schuldners nicht vergleichbar. Die privilegierte Anschlusspfändung gemäss Art. 111 SchKG wird daher von der Subrogation nach Art. 289 Abs. 2 ZGB erfasst, ebenso wie das Privileg im Kollokationsplan (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. c SchKG), was allgemein anerkannt ist (vgl. BGE 57 II 10 E. 3 S. 13 sowie u.a. GILLIÉRON, a.a.O., Bd. III, 2001, N. 84 zu Art. 219 SchKG; LORANDI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, a.a.O., N. 247 zu Art. 219 SchKG).
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