BGE 139 III 24 | |||
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4. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen X. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_375/2012 vom 20. November 2012 |
Art. 754 OR; aktienrechtliche Verantwortlichkeit. |
Art. 93 Abs. 1 ZPO; Streitwertberechnung; Zusammenrechnung von geltend gemachten Ansprüchen bei einfacher Streitgenossenschaft. | |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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(...)
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Die Sorgfalt richtet sich nach dem Recht, Wissensstand und den Massstäben im Zeitpunkt der fraglichen Handlung oder Unterlassung. Bei der Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen hat mithin eine ex ante Betrachtung stattzufinden (vgl. Urteile 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012 E. 5.1; 4A_467/2010 vom 5. Januar 2011 E. 3.3; BERNARD CORBOZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 22 zu Art. 754 OR; GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 31c zu Art. 754 OR; WATTER/PELLANDA, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 717 OR).
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Das Bundesgericht anerkennt mit der herrschenden Lehre, dass die Gerichte sich bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden Zurückhaltung aufzuerlegen haben, die in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenkonflikten freien Entscheidprozess zustande gekommen sind (Urteile 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012 E. 5.1; 4A_306/2009 vom 8. Februar 2010 E. 7.2.4; GERICKE/WALLER, a.a.O., N. 31 f. zu Art. 754 OR; WATTER/PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 717 OR; BÖCKLI, a.a.O., § 18 N. 401 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 28 Rz. 24).
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3.3 Die missbräuchliche Führung eines Gerichtsverfahrens kann grundsätzlich einen Verstoss gegen die Treuepflicht nach Art. 717 Abs. 1 OR darstellen. Erscheint ein Prozess von vornherein als aussichtslos, muss mit entsprechenden Kostenfolgen im Falle des Unterliegens gerechnet werden, was dem Gesellschaftsinteresse zuwiderläuft. Der Verwaltungsrat hat - nötigenfalls unter Beizug eines Rechtsanwalts oder weiterer Fachpersonen - die Prozesschancen sorgfältig abzuklären. Auch hier gilt, dass die Prozessaussichten im Zeitpunkt der Einleitung des Prozesses zu beurteilen sind. Allein aufgrund des späteren Unterliegens im Prozess kann nicht auf eine Unterlassung der sorgfältigen Abwägung der Prozesschancen geschlossen bzw. der Entscheid über die Prozessführung als pflichtwidrig beurteilt werden (vgl. Urteil 4A_267/2008 vom 8. Dezember 2008 E. 5.2).
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So kann nicht einfach von der später erkannten Rechtsmissbräuchlichkeit einer Handlung eo ipso auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Prozessführung über diese Handlung geschlossen werden, zumal beim Entscheid über die Prozessführung berücksichtigt werden darf, dass Rechtsmissbräuchlichkeit nur mit Zurückhaltung bejaht wird (BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169; BGE 134 III 52 E. 2.1 S. 58 f.). Ansonsten würde jedes prozessuale Unterliegen einer Aktiengesellschaft oder zumindest jeder Prozessverlust, bei dem das Verhalten der Aktiengesellschaft als rechtsmissbräuchlich beurteilt wird, ohne weiteres eine aktienrechtliche Verantwortlichkeit der Organe auslösen, die den Prozessführungsentscheid gefällt haben. Zu denken ist etwa auch an Fälle der Entlassung eines Arbeitnehmers, die im Prozess als missbräuchlich beurteilt wird, oder der Kündigung eines Mietvertrags, die sich auf dem Rechtsweg als missbräuchlich herausstellt. Ein solcher Automatismus darf nicht Platz greifen. Vielmehr ist im Einzelfall abzuklären, ob es im Lichte der gegebenen Umstände und Prozessrisiken vertretbar erscheint, dass der Verwaltungsrat den Rechtsweg beschreitet. Stets ist zudem im Auge zu behalten, dass Entscheide des Verwaltungsrates betreffend Prozessführung auch in diesem Sinne am Gesellschaftsinteresse auszurichten sind, als das mit dem Prozess verfolgte Ziel von diesem gedeckt ist.
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Das Gesellschaftsinteresse bildet demnach in zweierlei Hinsicht Richtschnur für die Beurteilung von Prozessführungsentscheiden des Verwaltungsrats: Zum einen kann es nicht im Interesse der Gesellschaft liegen, von vornherein aussichtslose Prozesse zu führen, die nur unnötige Kosten für die Gesellschaft generieren. Zum andern verbietet das Gesellschaftsinteresse, Prozesse zu führen, mit denen nicht ein im Gesellschaftsinteresse liegendes Ziel verfolgt wird.
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3.4 Demnach ist vorliegend zu fragen, ob die Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Prozessführungsentscheids hinreichende Gründe zur Annahme hatten, dass ihr Standpunkt obsiegen könnte. Nachdem die Eintragungsverweigerung als gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstossend und überdies als rechtsmissbräuchlich beurteilt wurde, stellt sich insbesondere die Frage, ob sie damals bei ihrem Entscheid, sich gegen die Klage der Beschwerdegegnerin auf Eintragung der Namenaktien gerichtlich zur Wehr zu setzen, damit rechnen mussten, dass die Verweigerung der Eintragung als missbräuchlich beurteilt werden würde. Mit einer entsprechenden Beurteilung mussten sie in guten Treuen nur dann nicht rechnen, wenn sie sachliche, im Gesellschaftsinteresse stehende Gründe hatten, die Eintragung zu verweigern.
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Genau daran fehlt es aber. Die Beschwerdeführer vermochten keine solchen Gründe namhaft zu machen. Die Absicht, den Einfluss eines bestehenden Minderheitsaktionärs zurückzudrängen, stand ausserhalb des Zwecks der Vinkulierung und war mit dieser auch nicht zu erreichen. Die Beschwerdeführer nutzten die durch die Fusion zwischen der Beschwerdegegnerin und der Z. AG entstandene Situation in missbräuchlicher Weise zugunsten der zur Mehrheitsgruppe gehörenden Aktionäre aus. Dies konnten die Beschwerdeführer nicht erst durch die nachträglichen Gerichtsentscheide erkennen. Es war bzw. musste ihnen schon beim Prozessführungsentscheid bewusst sein, dass ihnen sachliche, im Gesellschaftsinteresse liegende Gründe für die Eintragungsverweigerung fehlten. Gemäss den Feststellungen im Rückweisungsbeschluss gaben sie nämlich selber an, es sei ihnen bzw. der Y. Beteiligungen AG seinerzeit im Wesentlichen darum gegangen, D. die Einflussmöglichkeiten auf die Y. Beteiligungen AG zu nehmen. Wenn sie argumentieren, dies sei im Interesse der Gesellschaft gelegen, da seitens D. eine schädliche Geschäftspolitik zu befürchten gewesen sei, so kann darauf mangels entsprechender Feststellungen in den angefochtenen Entscheiden nicht abgestellt werden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Ohnehin vermögen blosse Befürchtungen das Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre und das Rechtsmissbrauchsverbot nicht aufzuwiegen. Ein sachlicher Grund für die Eintragungsverweigerung könnte in diesen Befürchtungen nicht erblickt werden, was den Beschwerdeführern klar sein musste. Ihnen musste damit auch bewusst sein, dass sie das Rechtsinstitut der Vinkulierung zweckwidrig verwendeten. Demnach hatten sie damit zu rechnen, dass die Gerichte ihr Verhalten als rechtsmissbräuchlich qualifizieren würden (vgl. BGE 138 III 401 E. 2.2 mit Hinweisen; für den hier massgeblichen Zeitpunkt: BGE 121 II 97 E. 4 S. 103).
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Ebenso wenig helfen den Beschwerdeführern die Gutachten von zwei Rechtsprofessoren sowie die vom Obergericht bestätigte Verfügung des Einzelrichters des Bezirksgerichts Bülach vom 16. April 1999, auf die sie sich bei ihrem Prozessführungsentscheid gestützt haben wollen. Diese Gutachten und Entscheide äusserten sich nicht zur Frage eines Rechtsmissbrauchs. Jedenfalls ist solches im für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz nicht festgestellt. Einzig das Gutachten vom 10. März 2000 behandelte speziell die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Anrufung der Escape-Klausel. Aber auch diesbezüglich schweigen die angefochtenen Entscheide darüber, ob der Gutachter seine Beurteilung hinsichtlich des hier massgebenden Sachverhalts vornahm. Mangels entsprechender Feststellungen ist es dem Bundesgericht daher verwehrt anzunehmen, die Beschwerdeführer hätten gestützt auf einschlägige Fachmeinungen in guten Treuen annehmen dürfen, dass ihre Prozesschancen insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit intakt seien (Art. 105 Abs. 1 BGG). Immerhin ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass sie sich um die rechtliche Abklärung des geplanten Vorgehens bemühten. Auch ist ihnen zugute zu halten, dass sie sich durch die Minderheitsmeinung von Handelsrichter Dr. Werner de Capitani, der die Haltung des Verwaltungsrates als nicht rechtsmissbräuchlich beurteilte, in gewissem Masse in der Ergreifung von Rechtsmitteln bestärkt fühlen durften. Das alles ändert aber nichts daran, dass sie keine in der Interessensphäre der Gesellschaft liegenden, vertretbaren Gründe für die Eintragungsverweigerung namhaft machen konnten. Ihnen musste daher schon im Vorfeld des Prozesses klar sein, dass sie ein erhebliches Risiko liefen, dass die Eintragungsverweigerung vor den Gerichten wegen Rechtsmissbrauchs nicht standhalten würde und sie deshalb im Prozess unterliegen würden. Indem sie sich dennoch für den Rechtsweg entschlossen, verletzten sie ihre Pflicht, im Gesellschaftsinteresse zu handeln.
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Entscheidend ist ohnehin nicht allein die Frage, ob die Beschwerdeführer im Vorfeld des Prozesses vor dem Handelsgericht bzw. der Ergreifung von Rechtsmitteln gegen das handelsgerichtliche Urteil hinreichende Abklärungen zu den Erfolgschancen tätigten und sich für ihr Vorgehen auf Fachmeinungen oder eine Minderheitsmeinung eines Handelsrichters stützen konnten. Unter dem Blickwinkel der Treuepflicht nach Art. 717 OR ist ausschlaggebend, ob die Prozessführung im Gesellschaftsinteresse lag oder nicht. Nun besteht aber nach den einzig massgeblichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kein Zweifel daran, dass die Eintragungsverweigerung und damit auch die Prozessführung über diese Frage nicht im Gesellschaftsinteresse, sondern im Interesse einer Mehrheit der Aktionäre erfolgte. Die Vorinstanz erkannte daher ohne Verletzung von Art. 754 OR oder des Grundsatzes der ex ante Betrachtung, dass die Beschwerdeführer durch den Prozessführungsentscheid pflichtwidrig handelten.
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Erwägung 4 | |
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Die Vorinstanz begründete die Zusammenrechnung damit, dass die von der Beschwerdegegnerin gegen die fünf Beklagten gemeinsam erhobenen Verantwortlichkeitsansprüche gegen jeden Beklagten separat erhoben und beurteilt werden könnten. Dass die Leistung schliesslich nur einmal erbracht werden müsse, ändere daran nichts. Solidarschuldner würden vielmehr grundsätzlich jeder einzeln zur Zahlung der ganzen Forderung verurteilt, und erst mit einer effektiven Zahlung würden sich die Verpflichtungen der Mitverpflichteten reduzieren.
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Voraussetzung für die Anwendung der Zusammenrechnungsregel ist demnach, dass in einer vermögensrechtlichen Sache eine einfache Streitgenossenschaft oder eine objektive Klagenhäufung vorliegt. Es muss eine Mehrheit von verschiedenen Begehren geltend gemacht werden, die sich überdies nicht ausschliessen dürfen (vgl. BEAT RUDIN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 12 f. zu Art. 52 BGG). Keine Zusammenrechnung erfolgt, wenn eine Forderung gleichzeitig gegen mehrere Solidarschuldner geltend gemacht wird. Hier wird wirtschaftlich bloss eine Leistung verlangt und es liegt keine Mehrheit verschiedener Begehren vor (MATTHIAS STEIN-WIGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 93 ZPO; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 2 zu Art. 93 ZPO; BEATRICE VAN DER GRAF, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 3 zu Art. 93 ZPO; RUDIN, a.a.O., N. 12 zu Art. 52 BGG; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 13 zu Art. 52 BGG; anders und nicht überzeugend: PETER DIGGELMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 1 zu Art. 93 ZPO).
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4.3 Vorliegend ist unbestritten, dass auf Beklagtenseite eine einfache Streitgenossenschaft besteht. Hingegen fehlt es für eine Anwendung der Zusammenrechnungsregel bei der Verantwortlichkeitsklage gegen mehrere Solidarschuldner an mehreren "geltend gemachten Ansprüchen" im Sinne von Art. 93 Abs. 1 ZPO. Die Beschwerdegegnerin stellte nur ein Begehren auf Zahlung von Fr. 1'217'131.-. Dass jeder Solidarschuldner grundsätzlich das Ganze schuldet, ändert nichts daran, dass keine Mehrheit verschiedener Begehren vorliegt, die zusammengerechnet werden könnten. Zu Recht bringen die Beschwerdeführer auch vor, dass sich der wirtschaftliche Wert nicht erhöht, weil mehrere Solidarschuldner für die Klageforderung haften. Vielmehr würde sich umgekehrt für Klagen gegen mehrere Solidarschuldner bzw. diesbezügliche Rechtsmittel ein viel zu hohes Kostenrisiko ergeben, das durch kein entsprechendes Interesse gerechtfertigt wäre, namentlich auch nicht dadurch, dass die Begehren gegen die einzelnen Mitbeklagten unterschiedlich beurteilt werden können. Eine Zusammenrechnung der Beträge, in deren Umfang die einzelnen Beklagten für die Klageforderung solidarisch haften, darf daher nicht erfolgen. Die Vorinstanz verletzte damit Art. 93 Abs. 1 ZPO.
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