![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
4. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen X. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_375/2012 vom 20. November 2012 |
Art. 754 OR; aktienrechtliche Verantwortlichkeit. |
Art. 93 Abs. 1 ZPO; Streitwertberechnung; Zusammenrechnung von geltend gemachten Ansprüchen bei einfacher Streitgenossenschaft. | |
![]() | |
Erwägung 2 | |
1 | |
(...)
| 2 |
Erwägung 3 | |
3 | |
4 | |
5 | |
Die Sorgfalt richtet sich nach dem Recht, Wissensstand und den Massstäben im Zeitpunkt der fraglichen Handlung oder Unterlassung. Bei der Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen hat mithin eine ex ante Betrachtung stattzufinden (vgl. Urteile 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012 E. 5.1; 4A_467/2010 vom 5. Januar 2011 E. 3.3; BERNARD CORBOZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 22 zu Art. 754 OR; GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 31c zu Art. 754 OR; WATTER/PELLANDA, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 717 OR).
| 6 |
Das Bundesgericht anerkennt mit der herrschenden Lehre, dass die Gerichte sich bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden Zurückhaltung aufzuerlegen haben, die in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenkonflikten freien Entscheidprozess zustande gekommen sind (Urteile 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012 E. 5.1; 4A_306/2009 vom 8. Februar 2010 E. 7.2.4; GERICKE/WALLER, a.a.O., N. 31 f. zu Art. 754 OR; WATTER/PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 717 OR; BÖCKLI, a.a.O., § 18 N. 401 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 28 Rz. 24).
| 7 |
3.3 Die missbräuchliche Führung eines Gerichtsverfahrens kann grundsätzlich einen Verstoss gegen die Treuepflicht nach Art. 717 ![]() | 8 |
So kann nicht einfach von der später erkannten Rechtsmissbräuchlichkeit einer Handlung eo ipso auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Prozessführung über diese Handlung geschlossen werden, zumal beim Entscheid über die Prozessführung berücksichtigt werden darf, dass Rechtsmissbräuchlichkeit nur mit Zurückhaltung bejaht wird (BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169; BGE 134 III 52 E. 2.1 S. 58 f.). Ansonsten würde jedes prozessuale Unterliegen einer Aktiengesellschaft oder zumindest jeder Prozessverlust, bei dem das Verhalten der Aktiengesellschaft als rechtsmissbräuchlich beurteilt wird, ohne weiteres eine aktienrechtliche Verantwortlichkeit der Organe auslösen, die den Prozessführungsentscheid gefällt haben. Zu denken ist etwa auch an Fälle der Entlassung eines Arbeitnehmers, die im Prozess als missbräuchlich beurteilt wird, oder der Kündigung eines Mietvertrags, die sich auf dem Rechtsweg als missbräuchlich herausstellt. Ein solcher Automatismus darf nicht Platz greifen. Vielmehr ist im Einzelfall abzuklären, ob es im Lichte der gegebenen Umstände und Prozessrisiken vertretbar erscheint, dass der Verwaltungsrat den Rechtsweg beschreitet. Stets ist zudem im Auge zu behalten, dass Entscheide des Verwaltungsrates betreffend Prozessführung auch in diesem Sinne am Gesellschaftsinteresse auszurichten sind, als das mit dem Prozess verfolgte Ziel von diesem gedeckt ist.
| 9 |
Das Gesellschaftsinteresse bildet demnach in zweierlei Hinsicht Richtschnur für die Beurteilung von Prozessführungsentscheiden des Verwaltungsrats: Zum einen kann es nicht im Interesse der Gesellschaft liegen, von vornherein aussichtslose Prozesse zu führen, die nur unnötige Kosten für die Gesellschaft generieren. Zum andern verbietet das Gesellschaftsinteresse, Prozesse zu führen, mit denen nicht ein im Gesellschaftsinteresse liegendes Ziel verfolgt wird.
| 10 |
![]() | 11 |
Genau daran fehlt es aber. Die Beschwerdeführer vermochten keine solchen Gründe namhaft zu machen. Die Absicht, den Einfluss eines bestehenden Minderheitsaktionärs zurückzudrängen, stand ausserhalb des Zwecks der Vinkulierung und war mit dieser auch nicht zu erreichen. Die Beschwerdeführer nutzten die durch die Fusion zwischen der Beschwerdegegnerin und der Z. AG entstandene Situation in missbräuchlicher Weise zugunsten der zur Mehrheitsgruppe gehörenden Aktionäre aus. Dies konnten die Beschwerdeführer nicht erst durch die nachträglichen Gerichtsentscheide erkennen. Es war bzw. musste ihnen schon beim Prozessführungsentscheid bewusst sein, dass ihnen sachliche, im Gesellschaftsinteresse liegende Gründe für die Eintragungsverweigerung fehlten. Gemäss den Feststellungen im Rückweisungsbeschluss gaben sie nämlich selber an, es sei ihnen bzw. der Y. Beteiligungen AG seinerzeit im Wesentlichen darum gegangen, D. die Einflussmöglichkeiten auf die Y. Beteiligungen AG zu nehmen. Wenn sie argumentieren, dies sei im Interesse der Gesellschaft gelegen, da seitens D. eine schädliche Geschäftspolitik zu befürchten gewesen sei, so kann darauf mangels entsprechender Feststellungen in den angefochtenen Entscheiden nicht abgestellt werden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Ohnehin vermögen blosse Befürchtungen das Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre und das Rechtsmissbrauchsverbot nicht aufzuwiegen. Ein sachlicher Grund für die Eintragungsverweigerung könnte in diesen Befürchtungen nicht erblickt werden, was den Beschwerdeführern klar sein musste. Ihnen musste damit auch bewusst sein, dass sie das Rechtsinstitut der Vinkulierung zweckwidrig verwendeten. Demnach hatten sie damit zu rechnen, dass die Gerichte ihr Verhalten als rechtsmissbräuchlich qualifizieren würden ![]() | 12 |
Ebenso wenig helfen den Beschwerdeführern die Gutachten von zwei Rechtsprofessoren sowie die vom Obergericht bestätigte Verfügung des Einzelrichters des Bezirksgerichts Bülach vom 16. April 1999, auf die sie sich bei ihrem Prozessführungsentscheid gestützt haben wollen. Diese Gutachten und Entscheide äusserten sich nicht zur Frage eines Rechtsmissbrauchs. Jedenfalls ist solches im für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz nicht festgestellt. Einzig das Gutachten vom 10. März 2000 behandelte speziell die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Anrufung der Escape-Klausel. Aber auch diesbezüglich schweigen die angefochtenen Entscheide darüber, ob der Gutachter seine Beurteilung hinsichtlich des hier massgebenden Sachverhalts vornahm. Mangels entsprechender Feststellungen ist es dem Bundesgericht daher verwehrt anzunehmen, die Beschwerdeführer hätten gestützt auf einschlägige Fachmeinungen in guten Treuen annehmen dürfen, dass ihre Prozesschancen insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit intakt seien (Art. 105 Abs. 1 BGG). Immerhin ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass sie sich um die rechtliche Abklärung des geplanten Vorgehens bemühten. Auch ist ihnen zugute zu halten, dass sie sich durch die Minderheitsmeinung von Handelsrichter Dr. Werner de Capitani, der die Haltung des Verwaltungsrates als nicht rechtsmissbräuchlich beurteilte, in gewissem Masse in der Ergreifung von Rechtsmitteln bestärkt fühlen durften. Das alles ändert aber nichts daran, dass sie keine in der Interessensphäre der Gesellschaft liegenden, vertretbaren Gründe für die Eintragungsverweigerung namhaft machen konnten. Ihnen musste daher schon im Vorfeld des Prozesses klar sein, dass sie ein erhebliches Risiko liefen, dass die Eintragungsverweigerung vor den Gerichten wegen Rechtsmissbrauchs nicht standhalten würde und sie deshalb im Prozess unterliegen würden. Indem sie sich dennoch für den Rechtsweg entschlossen, verletzten sie ihre Pflicht, im Gesellschaftsinteresse zu handeln.
| 13 |
Entscheidend ist ohnehin nicht allein die Frage, ob die Beschwerdeführer im Vorfeld des Prozesses vor dem Handelsgericht bzw. der Ergreifung von Rechtsmitteln gegen das handelsgerichtliche Urteil hinreichende Abklärungen zu den Erfolgschancen tätigten und sich für ihr Vorgehen auf Fachmeinungen oder eine Minderheitsmeinung eines Handelsrichters stützen konnten. Unter dem Blickwinkel der Treuepflicht nach Art. 717 OR ist ausschlaggebend, ob die ![]() | 14 |
15 | |
16 | |
Erwägung 4 | |
17 | |
![]() | 18 |
19 | |
Voraussetzung für die Anwendung der Zusammenrechnungsregel ist demnach, dass in einer vermögensrechtlichen Sache eine einfache Streitgenossenschaft oder eine objektive Klagenhäufung vorliegt. Es muss eine Mehrheit von verschiedenen Begehren geltend gemacht werden, die sich überdies nicht ausschliessen dürfen (vgl. BEAT RUDIN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 12 f. zu Art. 52 BGG). Keine Zusammenrechnung erfolgt, wenn eine Forderung gleichzeitig gegen mehrere Solidarschuldner geltend gemacht wird. Hier wird wirtschaftlich bloss eine Leistung verlangt und es liegt keine Mehrheit verschiedener Begehren vor (MATTHIAS STEIN-WIGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 93 ZPO; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 2 zu Art. 93 ZPO; BEATRICE VAN DER GRAF, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 3 zu Art. 93 ZPO; RUDIN, a.a.O., N. 12 zu Art. 52 BGG; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 13 zu Art. 52 BGG; anders und nicht überzeugend: PETER DIGGELMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 1 zu Art. 93 ZPO).
| 20 |
4.3 Vorliegend ist unbestritten, dass auf Beklagtenseite eine einfache Streitgenossenschaft besteht. Hingegen fehlt es für eine Anwendung der Zusammenrechnungsregel bei der Verantwortlichkeitsklage gegen ![]() | 21 |
22 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |