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17. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen X. Ltd. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_496/2012 vom 25. Februar 2013 | |
Regeste |
Materielle Rechtskraft; Identität von prozessualen Ansprüchen. |
Eine behauptete arglistige Prozessführung ist mit Revision geltend zu machen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4). | |
Sachverhalt | |
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A.a Am 28. Mai 2010 klagte die X.Y. Ltd. gegen A. beim Bezirksgericht Meilen auf Verurteilung zur Übertragung seiner Geschäftsanteile an der Z. GmbH auf die Klägerin, eventualiter Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 25'090.-, sowie auf Ermächtigung der Klägerin zur Ersatzvornahme im Weigerungsfalle (Verfahren Nr. x). Im Laufe des Verfahrens trat die X. Ltd. an die Stelle der ursprünglichen Klägerin in den Prozess ein.
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A.b Am 24. August 2011 erhob A. (Kläger) beim Bezirksgericht Meilen Klage gegen die X. Ltd. (Beklagte) mit dem Begehren, die Beklagte sei zu verurteilen, ihre Geschäftsanteile an der Z. GmbH auf den Kläger zu übertragen, eventualiter zur Zahlung von Fr. 37'750.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. Juni 2011, und es sei der Kläger im Falle der Weigerung der Übertragung der Geschäftsanteile zur Ersatzvornahme zu ermächtigen (Verfahren Nr. y).
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Der Kläger begründete seine Begehren damit, die Beklagte habe im früheren Verfahren Nr. x eine unerlaubte Handlung begangen, indem sie zur Erlangung der Übertragung seiner Geschäftsanteile an der Z. GmbH unwahre Behauptungen gemacht habe, auf welche das Bezirksgericht Meilen in seinem Kontumazurteil abgestellt habe. Damit habe die Beklagte "Prozessbetrug im Sinne von Art. 146 StGB" begangen.
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Auf Antrag der Beklagten beschränkte das Bezirksgericht Meilen das Verfahren in Anwendung von Art. 125 lit. a ZPO vorerst auf die Frage der abgeurteilten Sache. Es kam zum Schluss, dass die Rechtskraft des im Verfahren Nr. x ergangenen Urteils vom 11. April 2011 der Klage des A. entgegenstehe und trat dementsprechend mit Zirkulationsbeschluss vom 7. Mai 2012 auf diese nicht ein.
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B. Gegen den Nichteintretensbeschluss vom 7. Mai 2012 erhob A. mit Eingabe vom 5. Juni 2012 Berufung an die II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Diese wurde mit Urteil vom 3. Juli 2012 abgewiesen.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 5. September 2012 gegen die X. Ltd. (Beschwerdegegnerin) beantragt A. (Beschwerdeführer) dem Bundesgericht die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und erneuert seine vor dem Bezirksgericht Meilen gestellten Rechtsbegehren. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Erwägung 2 | |
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3.1 Materielle Rechtskraft bedeutet Massgeblichkeit eines formell rechtskräftigen Urteils in jedem späteren Verfahren unter denselben Parteien. Sie hat eine positive und eine negative Wirkung (statt aller SIMON ZINGG, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 95 zu Art. 59 ZPO). In positiver Hinsicht bindet die materielle Rechtskraft das Gericht in einem späteren Prozess an alles, was im Urteilsdispositiv des früheren Prozesses festgestellt wurde (sog. Präjudizialitäts- oder Bindungswirkung, vgl. BGE 116 II 738 E. 3 S. 744; BGE 121 III 474 E. 4a S. 478). In negativer Hinsicht verbietet die materielle Rechtskraft jedem späteren Gericht, auf eine Klage einzutreten, deren Streitgegenstand mit dem rechtskräftig ![]() | 14 |
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3.2.1 Auf den ersten Blick könnte erscheinen, dass sich der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Identität von Streitgegenständen im Hinblick auf die negative Wirkung der materiellen Rechtskraft kein einheitliches Bild vom Stellenwert des Rechtsgrundes entnehmen lässt. Denn nach der einen Formel ist der mit einer Klage erhobene prozessuale Anspruch mit einem bereits rechtskräftig abgeurteilten identisch, "wenn der Anspruch dem Gericht aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf den gleichen Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird" (so u.a. im Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.1; 4A_145/2009 vom 16. Juni 2009 E. 1.3; BGE 128 III 284 E. 3b ["lorsque, dans l'un et l'autre procès, les parties soumettent au juge la même prétention en se fondant sur les mêmes causes juridiques et les mêmes faits"]; BGE 125 III 241 E. 1 S. 242; 123 III 16 E. 2a S. 18; BGE 121 III 474 E. 4a S. 477; BGE 119 II 89 E. 2a S. 90; BGE 97 II 390 E. 4 S. 395), während eine andere, meist in Urteilen französischer oder italienischer Sprache verwendete Formel den Rechtsgrund nicht erwähnt (BGE 136 III 123 E. 4.3.1 S. 126 ["l'objet du litige est déterminé par les conclusions de la demande et par les faits invoqués à l'appui de celle-ci, à savoir par le complexe de faits sur lequel les conclusions se fondent"]; Urteil 4A_487/2007 vom 19. Juni 2009 E. 7.1; BGE 125 III 8 E. 2 S. 10 ["una sentenza osta all'introduzione di un successivo processo civile ove quest'ultimo verta fra le stesse parti (limite soggettivo dell'autorità di cosa giudicata), riguardi l'identica pretesa e sia fondato sul medesimo complesso di fatti ![]() | 16 |
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3.2.3 Das Bundesgericht hat die Ambivalenz im Zusammenhang mit den Formulierungen der Rechtsprechung, in denen der Rechtsgrund enthalten ist, und denjenigen, die ohne den Rechtsgrund auskommen, 1997 in einem nicht in der amtlichen Sammlung publizierten Urteil geklärt. Dort hielt es fest, dass der Begriff Rechtsgrund nicht im technischen Sinn als angerufene Rechtsnorm, sondern im Sinne des Entstehungsgrundes zu verstehen ist, worauf in BGE 123 III 16 E. 2a sowie BGE 121 III 474 E. 4a Bezug genommen wurde (Urteil 4C.384/1995 vom 1. Mai 1997 E. 2d). In beiden letztgenannten Entscheiden wird jeweils innerhalb der gleichen Erwägung einerseits (a.a.O., am Anfang der E. 2a bzw. 4a) Identität bejaht, "wenn der [prozessuale] Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf ![]() | 18 |
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4.1 Dem kann nur teilweise gefolgt werden. Denn wie die Vorinstanz an anderer Stelle festhält, stützt der Beschwerdeführer sein Hauptbegehren ebenfalls auf eine behauptete unerlaubte Handlung der Beschwerdegegnerin als Klägerin im früheren Prozess. Der Beschwerdeführer macht somit mit seinem Hauptbegehren die Behebung seines behaupteten Schadens in natura geltend, während er mit seinem Eventualbegehren Geldersatz verlangt. Das Eventualbegehren unterscheidet sich vom Hauptbegehren zwar grammatikalisch, nicht aber inhaltlich - der geforderte Geldbetrag bildet lediglich das Surrogat des mit den gleichen Tatsachen begründeten Hauptbegehrens. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stellt der Beschwerdeführer deshalb nicht nur mit seinem Hauptbegehren, sondern auch mit seinem Eventualbegehren das kontradiktorische Gegenteil dessen zur Beurteilung, ![]() | 20 |
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4.4 Die in BGE 127 III 496 aufgestellten Grundsätze behalten, wie die Vorinstanz zutreffend erwog, auch unter der Schweizerischen Zivilprozessordnung ihre Gültigkeit. Gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. b ZPO liegt nämlich ein Revisionsgrund vor, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zulasten einer Partei auf einen Entscheid eingewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist dabei nicht erforderlich und der Beweis kann auch auf andere Weise erbracht werden, wenn das Strafverfahren nicht durchführbar ist. Mit dieser Erleichterung hat der Gesetzgeber Bedenken der Lehre Rechnung getragen, wonach das Erfordernis eines formellen Strafverfahrens den Revisionsgrund übermässig einschränken würde (vgl. PICHONNAZ/MARCA, Mendacium pro veritate habetur?, Revue fribourgeoise de jurisprudence [RFJ] 2002 S. 34 Anm. 42 m.w.H.).
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