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13. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_387/2013 vom 17. Februar 2014 | |
Regeste |
Art. 204, 209 sowie 59 ZPO; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; gültige Klagebewilligung als Prozessvoraussetzung. | |
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Erwägung 4 | |
4.3 Dass die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO auch für juristische Personen gilt, wird dem Grundsatz nach weder von der Vorinstanz noch von der Beschwerdegegnerin in Abrede gestellt, wenn auch Erstere annimmt, der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang "in erster Linie an die natürlichen Personen gedacht". Auch die Kommentatoren gehen soweit ![]() | 1 |
Diese Auffassung ist denn auch zutreffend: Gegen ein abweichendes Verständnis von Art. 204 ZPO spricht bereits, dass sich die Bestimmung nach ihrem Wortlaut - wie übrigens auch Art. 68 Abs. 4 ZPO mit Bezug auf das Gerichtsverfahren - generell an die "Parteien" richtet und nicht nach deren Natur oder Rechtsform differenziert, während das Gesetz an anderer Stelle durchaus zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet (vgl. Art. 10 ZPO). Demgegenüber erwähnt Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO zwar bloss den ausserkantonalen oder ausländischen "Wohnsitz" als Dispensationsgrund, und lit. b nennt mit Krankheit und Alter ausdrücklich zwei wichtige Gründe, die auf juristische Personen als solche sinnvollerweise keine Anwendung finden können. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte generell nur für natürliche Personen, zumal Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO wiederum eine besondere Regelung (für im vereinfachten Verfahren zu beurteilende Streitigkeiten) vorsieht, auf die sich "Arbeitgeber", "Versicherer" und "Vermieter" berufen können und die somit jedenfalls auch auf juristische Personen zugeschnitten ist.
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Für eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf juristische Personen spricht sodann ihr Sinn und Zweck: Hintergrund der gesetzlichen Regelung war die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so "eine wirkliche Aussprache" stattfinden kann. Auch wenn ![]() | 3 |
Damit fällt aber die von der Vorinstanz generell zugelassene Vertretung der juristischen Person durch einen Rechtsanwalt als Form des persönlichen Erscheinens ausser Betracht (in diesem Sinne ausdrücklich INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO). Eine derartige Vertretung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO erlaubt, wo gerade eine Ausnahme von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen besteht.
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Die Auffassung der Vorinstanz ist mit Art. 204 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung verlangt jedenfalls, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein (siehe ALVAREZ/PETER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; EGLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 204 ZPO; GLOOR/UMBRICHT, a.a.O., N. 3 zu Art. 204 ZPO; INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; SCHMID, a.a.O., S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., S. 366 Rz. 19; WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; vgl. in diesem Sinne auch die in Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO zugelassene Delegation). Das war vorliegend nicht der Fall: L. vermochte sich an der Schlichtungsverhandlung weder einzeln noch (kollektiv) zusammen mit Rechtsanwalt M. als zeichnungsberechtigt auszuweisen, und eine entsprechende Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus dem Handelsregister. Wenn die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeantwort behauptet, ihre Verwaltungsräte hätten L. - den sie als ihren Geschäftsführer bezeichnet - vor der Schlichtungsverhandlung ausdrücklich zur Prozessführung bevollmächtigt, ergänzt sie in unzulässiger Weise den Sachverhalt, womit sie nicht gehört werden kann.
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Die Anwesenheit eines vollmachtlosen Vertreters an der Schlichtungsverhandlung vermag entgegen der Vorinstanz den Anforderungen von ![]() | 8 |
5. Mangels persönlichen Erscheinens der Klägerin an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 hätte, da aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kein Ausnahmetatbestand nach Art. 204 Abs. 3 ZPO ersichtlich ist und eine insofern unvollständige Sachverhaltsfeststellung jedenfalls nicht rechtsgenüglich geltend gemacht wird, keine Klagebewilligung ausgestellt werden dürfen (vgl. Art. 206 ZPO). Die dennoch erteilte Klagebewilligung vom 27. April 2012 erweist sich als ungültig, und es fehlte im Verfahren vor dem Bezirksgericht somit an einer Prozessvoraussetzung. Das Bezirksgericht hätte, nachdem der Beschwerdeführer als Beklagter im Schlichtungsverfahren ausdrücklich auf der persönlichen Teilnahme der Organe der Klägerin bestanden und sich anschliessend im Gerichtsverfahren auf die ungültige Klagebewilligung berufen hatte, auf die Klage vom 30. August 2012 nicht eintreten dürfen (vgl. BGE 139 III 273 E. 2.3). Indem es die Einrede des Beklagten abwies und auf die Klage eintrat, verletzte es Bundesrecht. Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet.
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