BGE 140 III 70 | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_387/2013 vom 17. Februar 2014 | |
Regeste |
Art. 204, 209 sowie 59 ZPO; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; gültige Klagebewilligung als Prozessvoraussetzung. | |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
4.3 Dass die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO auch für juristische Personen gilt, wird dem Grundsatz nach weder von der Vorinstanz noch von der Beschwerdegegnerin in Abrede gestellt, wenn auch Erstere annimmt, der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang "in erster Linie an die natürlichen Personen gedacht". Auch die Kommentatoren gehen soweit ersichtlich einhellig von der Anwendbarkeit der Bestimmung auf sämtliche Parteien aus (siehe ALVAREZ/PETER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 2 zu Art. 204 ZPO; BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 204 ZPO; EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5-7 zu Art. 204 ZPO; GLOOR/UMBRICHT, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 204 ZPO; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2009, S. 129; INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 204 ZPO; SCHMID, Praktische Fragen zum Schlichtungsverfahren, ZZZ 2011/2012 S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 366 Rz. 19; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], Cocchi und andere [Hrsg.], 2011, S. 929 Fn. 2569; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 204 ZPO).
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Diese Auffassung ist denn auch zutreffend: Gegen ein abweichendes Verständnis von Art. 204 ZPO spricht bereits, dass sich die Bestimmung nach ihrem Wortlaut - wie übrigens auch Art. 68 Abs. 4 ZPO mit Bezug auf das Gerichtsverfahren - generell an die "Parteien" richtet und nicht nach deren Natur oder Rechtsform differenziert, während das Gesetz an anderer Stelle durchaus zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet (vgl. Art. 10 ZPO). Demgegenüber erwähnt Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO zwar bloss den ausserkantonalen oder ausländischen "Wohnsitz" als Dispensationsgrund, und lit. b nennt mit Krankheit und Alter ausdrücklich zwei wichtige Gründe, die auf juristische Personen als solche sinnvollerweise keine Anwendung finden können. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte generell nur für natürliche Personen, zumal Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO wiederum eine besondere Regelung (für im vereinfachten Verfahren zu beurteilende Streitigkeiten) vorsieht, auf die sich "Arbeitgeber", "Versicherer" und "Vermieter" berufen können und die somit jedenfalls auch auf juristische Personen zugeschnitten ist.
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Für eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf juristische Personen spricht sodann ihr Sinn und Zweck: Hintergrund der gesetzlichen Regelung war die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so "eine wirkliche Aussprache" stattfinden kann. Auch wenn sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich gemäss der Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung an der Verhandlung doch primär "selber äussern". Die Verhandlung ist überdies nicht öffentlich (Art. 203 Abs. 3 Satz 1 ZPO), und die gemachten Aussagen dürfen weder protokolliert noch später im Entscheidverfahren verwendet werden (Art. 205 Abs. 1 ZPO), denn die Parteien sollen sich frei unterhalten können (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7331 f. zu Art. 199-204; siehe auch Urteil 4C_1/2013 vom 25. Juni 2013 E. 4.3). Durch die bereits im kantonalen Verfahrensrecht bekannte Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll mithin ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden (vgl. Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 98 zu Art. 198). Art. 204 Abs. 1 ZPO zielt in diesem Sinne - wie das Schlichtungsverfahren überhaupt - darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können. Weshalb diese ratio legis bloss bei natürlichen Personen das persönliche Erscheinen gebieten, bei juristischen Personen generell die Vertretung durch eine Drittperson gestatten soll, ist nicht erkennbar. Vielmehr muss, damit die Schlichtung ihren Zweck erfüllen kann, von einer juristischen Person als Partei verlangt werden, dass sie an der Schlichtungsverhandlung durch ein Organ oder zumindest durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut ist, erscheint.
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Damit fällt aber die von der Vorinstanz generell zugelassene Vertretung der juristischen Person durch einen Rechtsanwalt als Form des persönlichen Erscheinens ausser Betracht (in diesem Sinne ausdrücklich INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO). Eine derartige Vertretung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO erlaubt, wo gerade eine Ausnahme von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen besteht.
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Die Vorinstanz erwog, die bei den Akten befindliche, vom 19. April 2012 datierte Spezialvollmacht von L. sei lediglich von der Verwaltungsrätin der Klägerin, N., unterzeichnet gewesen, die selber nur über eine Kollektivunterschrift zu zweien verfüge. Indessen habe der seinerseits gültig bevollmächtigte (an der Schlichtungsverhandlung aber nicht anwesende) Rechtsvertreter der Klägerin, Rechtsanwalt R., die von L. vorgenommenen Vertretungshandlungen in der Berufungsantwort nachträglich genehmigt, womit L. als Handlungsbevollmächtigter an der Schlichtungsverhandlung rechtsgültig für die Klägerin "anwesend" gewesen sei. Sodann erwog die Vorinstanz, Rechtsanwalt R. habe auch die Vertretungshandlungen des ohne Vollmacht erschienenen Rechtsanwalts M. nachträglich genehmigt. Sie kam mit anderen Worten zum Schluss, die Klägerin sei ihrer Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO durch die Anwesenheit von L. und Rechtsanwalt M. nachgekommen, obschon deren Vertretungshandlungen mangels gültiger vorgängiger Bevollmächtigung der nachträglichen Genehmigung durch die Geschäftsherrin bedurften.
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Die Auffassung der Vorinstanz ist mit Art. 204 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung verlangt jedenfalls, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein (siehe ALVAREZ/PETER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; EGLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 204 ZPO; GLOOR/UMBRICHT, a.a.O., N. 3 zu Art. 204 ZPO; INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; SCHMID, a.a.O., S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., S. 366 Rz. 19; WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO; vgl. in diesem Sinne auch die in Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO zugelassene Delegation). Das war vorliegend nicht der Fall: L. vermochte sich an der Schlichtungsverhandlung weder einzeln noch (kollektiv) zusammen mit Rechtsanwalt M. als zeichnungsberechtigt auszuweisen, und eine entsprechende Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus dem Handelsregister. Wenn die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeantwort behauptet, ihre Verwaltungsräte hätten L. - den sie als ihren Geschäftsführer bezeichnet - vor der Schlichtungsverhandlung ausdrücklich zur Prozessführung bevollmächtigt, ergänzt sie in unzulässiger Weise den Sachverhalt, womit sie nicht gehört werden kann.
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Die Anwesenheit eines vollmachtlosen Vertreters an der Schlichtungsverhandlung vermag entgegen der Vorinstanz den Anforderungen von Art. 204 Abs. 1 ZPO von vornherein nicht zu genügen, da ansonsten der Zweck der Schlichtungsverhandlung vereitelt würde, eine persönliche und vorbehaltlose Aussprache unter den Parteien zu ermöglichen (vgl. E. 4.3). Ob Rechtsanwalt R. seinerseits überhaupt rechtsgenügend bevollmächtigt war, die Vertretung der Klägerin durch L. und Rechtsanwalt M. nachträglich zu genehmigen (vgl. Art. 38 OR), ist somit für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Die vom Beschwerdeführer in diesem Punkt erhobene Sachverhaltsrüge erweist sich als nicht entscheiderheblich.
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5. Mangels persönlichen Erscheinens der Klägerin an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 hätte, da aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kein Ausnahmetatbestand nach Art. 204 Abs. 3 ZPO ersichtlich ist und eine insofern unvollständige Sachverhaltsfeststellung jedenfalls nicht rechtsgenüglich geltend gemacht wird, keine Klagebewilligung ausgestellt werden dürfen (vgl. Art. 206 ZPO). Die dennoch erteilte Klagebewilligung vom 27. April 2012 erweist sich als ungültig, und es fehlte im Verfahren vor dem Bezirksgericht somit an einer Prozessvoraussetzung. Das Bezirksgericht hätte, nachdem der Beschwerdeführer als Beklagter im Schlichtungsverfahren ausdrücklich auf der persönlichen Teilnahme der Organe der Klägerin bestanden und sich anschliessend im Gerichtsverfahren auf die ungültige Klagebewilligung berufen hatte, auf die Klage vom 30. August 2012 nicht eintreten dürfen (vgl. BGE 139 III 273 E. 2.3). Indem es die Einrede des Beklagten abwies und auf die Klage eintrat, verletzte es Bundesrecht. Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet.
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