BGE 141 III 7 | |||
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2. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_262/2014 vom 2. Dezember 2014 | |
Regeste |
Art. 8 ZGB; Art. 930 Abs. 1 ZGB; Beweislast im Eigentumsstreit; Vermutung des Eigentums des Besitzers. | |
Sachverhalt | |
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Am 9. November 2010 bezog A. von seinem Sparkonto Fr. 150'000.- und übergab diese in drei Couverts à je Fr. 50'000.- an B. Letztere deponierte die Couverts in ihrem Bankschliessfach.
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B. Am 1. Oktober 2012 erhob A. beim Richteramt Solothurn-Lebern Klage gegen B. Mit dieser verlangte er (im hier wesentlichen Punkt) die Bezahlung von Fr. 150'000.- zuzüglich Verzugszins.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen verlangt A., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage sei gutzuheissen.
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Am 2. Dezember 2014 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Vorinstanz begründete die Klageabweisung damit, es fehle "schlicht und einfach am Beweis des Rechtsgrundes" und die von der Beschwerdegegnerin behauptete Schenkung sei ebenso wenig bewiesen wie die vom Beschwerdeführer behauptete Hinterlegung. Da sich die Beschwerdegegnerin gemäss Art. 930 ZGB auf die Eigentumsvermutung berufen könne, trage der Beschwerdeführer die Folgen der Beweislosigkeit.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 930 ZGB komme entgegen der Vorinstanz vorliegend nicht zur Anwendung. Denn die Rechtsvermutung nach dieser Bestimmung wirke nur Dritten gegenüber, nicht aber gegenüber dem früheren Besitzer, von dem die aktuelle Besitzerin die Sache erhalten habe.
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4.2 Das Bundesgericht hat in einem publizierten Urteil vom 31. Mai 1928 (BGE 54 II 244) erkannt, dass der Besitzer einer beweglichen Sache die Vermutung des Eigentums auch demjenigen gegenüber beanspruchen kann, von dem er die Sache erhalten hat. In diesem Fall ging es um das Eigentum an Inhaberschuldbriefen. Das Bundesgericht hielt den Einwand der damaligen Klägerinnen, wonach sich die Rechtsscheinvermutung aus dem Besitz nicht auf Fälle "inter partes" beziehe, in diesem Urteil für unerheblich, da der Beklagte den damals geltenden aArt. 846 OR für sich in Anspruch nehmen könne (a.a.O., E. 2). Dieser lautete wie folgt: "Ist in einer Urkunde eine Leistung an den Inhaber versprochen, so gilt dieser als forderungsberechtigt. [...]" In der nicht publizierten E. 1, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird, bleibt denn auch das gegenseitige Verhältnis von Art. 930 Abs. 1 ZGB und aArt. 846 OR ungeprüft. In der amtlich publizierten E. 2 dieses Urteils wird festgehalten, die Art. 930 und 931 ZGB stünden in einem gewissen Gegensatz zueinander, indem der erstere die Vermutung des Eigentums, der letztere die Vermutung bei unselbständigem Besitz jeweils abschliessend regelten. Das Gericht erwog, ein Besitzer mit dem Anspruch eines dinglichen oder eines persönlichen Rechts anerkenne den (selbständigen) Besitz des anderen, wogegen der Besitzer mit dem Anspruch des Eigentumsrechts verneine, dass derjenige, von dem er die Sache erhalten habe, ebenfalls noch Besitzer sei. Ein Anlass, sich mit dem Kausalitätsprinzip beim Eigentumsübergang auseinanderzusetzen, bestand im Zeitpunkt dieses Präjudizes nicht (vgl. BGE 55 II 302 E. 2). Das Gericht kam im erwähnten Urteil zum Schluss, wo das Eigentum in Frage stehe, stehe der Rechtsvermutung nicht entgegen, dass ein Besitzer seinen Besitz nicht gegen einen anderen Besitzer solle ausspielen können. Dass die Gesetzesmaterialien auf eine gegenteilige Absicht des Gesetzesredaktors hinweisen könnten, entging dem Gericht nicht (BGE 54 II 244 E. 2 S. 245 mit Hinweis auf die Erläuterungen zum Vorentwurf des ZGB, 25. Titel II C II 1).
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Auf den in BGE 54 II 244 publizierten Grundsatz hat sich das Bundesgericht seither mehrfach berufen (siehe etwa BGE 119 II 114 E. 4c S. 117; BGE 84 II 253 E. 3 S. 261; vgl. auch BGE 132 III 155 E. 4.1 S. 159). Das Urteil wird auch von der Lehre nicht kritisiert (siehe HOMBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1938, N. 12 zu Art. 930 ZGB; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 4. Aufl. 2012, S. 61 Rz. 267; STARK, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2001, N. 35 zu Art. 930 ZGB; STEINAUER, Les droits réels, Bd. I, 5. Aufl. 2012, S. 155 Rz. 401a; SUTTER-SOMM, Eigentum und Besitz, in: Sachenrecht, SPR Bd. V/1, 2. Aufl. 2014, S. 627 Rz. 1365 und S. 630 Rz. 1372; vgl. allerdings auch GULDIMANN, Die Eigentumsvermutung im Verhältnis zwischen Besitzer und unmittelbarem Vorbesitzer, SJZ 48/1952 S. 197-204; WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 413 f. zu Art. 8 ZGB).
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Auf zweideutigen Besitz, der die Eigentumsvermutung nicht zu begründen vermag, hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung auch in Fällen geschlossen, in denen der aktuelle Besitzer seinen behaupteten selbständigen Besitz aus der Übertragung der Sache vom früheren Eigentümer aufgrund eines umstrittenen Rechtsgrunds herleitete. So konnte etwa eine Erbin keinerlei Belege dafür beibringen, dass die Erblasserin ihr zu Lebzeiten die umstrittenen Titel geschenkt hatte, die sie besass; es wurde ihr verwehrt, sich gegenüber ihren Miterben auf die Rechtsvermutung aus ihrem Besitz der Titel zu berufen (BGE 76 II 344). In einem Urteil vom 26. Januar 1989 (5C.163/1988) hob das Bundesgericht das Urteil der Vorinstanz auf, welche der Klägerin bei umstrittenem Rechtsgrund die Herausgabe von wertvollen Möbeln gestützt auf die Rechtsvermutung zugunsten des aktuellen Besitzers verweigert hatte. Es stand in diesem Fall fest, dass die Klägerin als damalige Eigentümerin die umstrittenen Möbelstücke dem Beklagten übergeben hatte oder hatte übergeben lassen, dass dieser somit nicht heimlich oder widerrechtlich in deren Besitz gelangt war, und dass er seither die Möbel besessen hatte. Die Vorinstanz hatte in ihrem Entscheid nicht die Gesamtheit der Umstände gewürdigt, welche für die Unzweideutigkeit der Vermutungsbasis wesentlich sind. So stand der Rechtsvermutung aus Besitz die Feststellung der Vorinstanz entgegen, dass Hinweise auf Raumnot in der Wohnung der Klägerin bestanden; zusammen mit der natürlichen, gegen eine Schenkung hochwertiger Gegenstände gerichteten Vermutung konnte der wahrnehmbaren, ausschliesslichen Sachherrschaft des Beklagten kein Rechtsschein für die angebliche Schenkung mehr abgewonnen werden (a.a.O., E. 5b-c). In einem Urteil vom 5. Januar 2009 (5A_521/2008) kam das Bundesgericht zum Schluss, dass eine Würdigung sämtlicher Umstände die Zweifel an der angeblichen Schenkung von Kassenobligationen der Klägerin an einen ihrer Söhne im Wert von Fr. 440'000.- so gross erscheinen liessen, dass sie die Annahme eines die Rechtsvermutung rechtfertigenden Besitzes des Sohnes nicht zuliessen. In diesem Fall erschien es in hohem Masse unglaubwürdig, dass die - im massgebenden Zeitpunkt erst rund 54 Jahre alte - Klägerin bei einem Vermögensstand von Fr. 524'922.- dem Beklagten eine Schenkung in der Höhe von Fr. 440'000.- gemacht haben sollte (a.a.O., E. 4.4).
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4.4 Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin die umstrittenen Fr. 150'000.- am 9. November 2010 in drei Umschlägen übergab. Dass die Beschwerdegegnerin den Besitz an den Briefumschlägen mit den Geldscheinen nicht heimlich oder widerrechtlich erwarb, reicht indes für die Begründung der Rechtsvermutung nach Art. 930 ZGB nicht aus. Denn die Fr. 150'000.-, welche die Beschwerdegegnerin durch Schenkung vom Beschwerdeführer erworben haben will, können objektiv nicht als Bagatellbetrag betrachtet werden, der als Gelegenheitsgeschenk in Betracht kommt. Der Beschwerdeführer macht denn auch geltend, dass es sich bei diesen Fr. 150'000.- praktisch um sein ganzes Vermögen handle, was durch den Umstand bestätigt wird, dass ihm für den vorliegenden Prozess die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde. Unter diesen Umständen kann der Besitz der Beschwerdegegnerin nicht als unzweideutig gelten und die Rechtsvermutung nach Art. 930 ZGB begründen. Denn die blosse Behauptung der Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführer sei in sie verliebt gewesen und habe sie mit der angeblichen Schenkung stärker an sich binden wollen, reicht für die Begründung unzweideutigen Besitzes nicht aus. Vielmehr ist im kantonalen Verfahren festgestellt worden, dass sich die Parteien im April 2011 (recte: 2010) kennenlernten, als die Beschwerdegegnerin beim Reitstall des Beschwerdeführers vorbeikam und - je nach Parteistandpunkt - sich für Reitunterricht interessierte oder Interesse an Ausritten bekundete. In der Folge ritt die Beschwerdegegnerin dort drei bis vier Mal pro Woche. Nach Darstellung der Beschwerdegegnerin hätte der Beschwerdeführer ihr somit nach nur wenigen Monaten Bekanntschaft und ohne dass eine besondere Beziehung zwischen ihnen vorlag, praktisch sein gesamtes Vermögen geschenkt. Gemäss der Feststellung der Vorinstanz hat die Beschwerdegegnerin sodann die Couverts nach der Übergabe durch den Beschwerdeführer in ihr Schliessfach bei der Bank gelegt. Dieses Verhalten entspricht eher der vom Beschwerdeführer behaupteten Hinterlegung und gegen die Annahme, die Beschwerdegegnerin habe das Geld zu diesem Zeitpunkt als ihr eigenes betrachtet. Dass die Darstellung der Ereignisse durch den Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil keineswegs widerspruchsfrei war, trägt zur Klärung nichts bei. Insgesamt erscheinen die Umstände, unter denen die Beschwerdegegnerin den Besitz am umstrittenen Geldbetrag erwarb, zweifelhaft und der Besitz nicht so beschaffen, dass sich daraus auf ein entsprechendes Recht an der Sache schliessen liesse.
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4.5 Entgegen der Vorinstanz ist die äusserliche Sachherrschaft nach den Umständen nicht geeignet, die Rechtsvermutung nach Art. 930 ZGB zu begründen. Da der Beschwerdeführer unbestritten Eigentümer der Geldscheine war, als er diese der Beschwerdegegnerin übergab, trifft ihn nach Art. 8 ZGB keine weitergehende Beweislast. Vielmehr hat die Beschwerdegegnerin zu beweisen, dass sie Eigentum erworben hat. Dieser Beweis ist ihr nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht gelungen, da sie den Rechtsgrund der Schenkung nicht beweisen konnte. Der angefochtene Entscheid ist in diesem Punkt aufzuheben. Da nach Darstellung des Beschwerdeführers unklar ist, ob die Geldscheine sich noch im Bankschliessfach der Beschwerdegegnerin befinden, ist die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.
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