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Informationen zum Dokument  BGE 141 III 101  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
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15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_482/2014 vom 20. Januar 2015
 
 
Regeste
 
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR; zeitlicher Kündigungsschutz während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens.  
 
BGE 141 III, 101 (101)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 2
 
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Zwar stellte die Vorinstanz dabei fest, das von der Beschwerdeführerin am 25. Mai 2012 gestellte Schlichtungsbegehren auf Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung hänge klarerweise mit dem Mietverhältnis zusammen; das Schlichtungsverfahren sei mit Postaufgabe vom 25. Mai 2012 anhängig gemacht worden; die Kündigung des Mietverhältnisses vom 25. Mai 2012 sei nicht früher als am 26. Mai 2012 in den Machtbereich der Beschwerdeführerin BGE 141 III, 101 (102)gelangt und gelte daher nach der Empfangstheorie erst dann im Sinne von Art. 271a Abs. 1 OR als "ausgesprochen"; am 26. Mai 2012 sei das von der Beschwerdeführerin angehobene Schlichtungsverfahren bereits rechtshängig gewesen.
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Indessen verlangte die Vorinstanz als weitere Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens hat oder haben könnte. Beides verneinte sie, weshalb die Kündigung nicht als treuwidrig im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR zu betrachten sei.
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2.2 Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR regeln den zeitlichen Kündigungsschutz während bzw. nach Abschluss eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ist eine durch den Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar, wenn sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Dieser Anfechtungsgrund gilt für alle Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, selbst Schiedsgerichtsverfahren, sofern sie mit der Mietsache zusammenhängen. Ausgenommen sind bloss die in Art. 271a Abs. 3 OR ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Die Vermieterkündigung, die in diesem Zeitraum erfolgt, ist unabhängig davon anfechtbar, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (BGE 131 III 33 E. 3.1 ff.).
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PETER HIGI befürwortet die Frage und begründet dies damit, dass die Norm die widerlegbare Vermutung aufstelle, dass eine Kündigung während eines hängigen Verfahrens aus dem unlauteren Motiv der "Rache" erfolge. Diese Vermutung könne aber nur dann BGE 141 III, 101 (103)einigermassen plausibel erscheinen, wenn der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens habe oder als vernünftiger und korrekter Mensch haben könnte (Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 233, 246 f. und 249 zu Art. 271a OR; gleicher Meinung: RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 37 zu Art. 271a OR; RICHARD BARBEY, Commentaire du droit du bail, 1991, N. 128 zu Art. 271-271a OR).
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Andere Autoren lehnen diese Meinung ab und setzen demnach die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren nicht voraus, dies primär aus Praktikabilitäts- und Rechtssicherheitsgründen und weil diese Lösung im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehe (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 747 Fn. 756; ebenso LACHAT/THANEI, in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 618 Fn. 154; ohne Begründung: CONOD/BOHNET, Droit du bail, 2014, S. 209 Rz. 961; gl. Meinung wohl auch ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 271/271a OR; vgl. auch RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2. Aufl. 2007, N. 39 f. zu Art. 271a OR).
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2.5 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen (BGE 140 III 206 E. 3.5.4, BGE 140 III 289 E. 2.1, 315 E. 5.2.1; BGE 131 III 33 E. 2 mit Hinweisen).
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2.6 Der Wortlaut von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR umschreibt die Zeitspanne des zeitlichen Kündigungsschutzes unscharf mit "während eines (...) Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens". Die frühere Diskussion in der Lehre darüber, ob für den Beginn der Kündigungssperrfrist die Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs bei der Schlichtungsbehörde bzw. bei der Schweizerischen BGE 141 III, 101 (104)Post zuhanden derselben oder der Eintritt der Rechtshängigkeit massgeblich ist, wurde mit dem Inkrafttreten der ZPO obsolet, ist doch seither schweizweit klar, dass die Rechtshängigkeit mit der Einreichung des Schlichtungsgesuchs eintritt (Art. 62 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 24 zu Art. 271/271a OR). Das Bundesgericht präzisierte in dem bereits zitierten Entscheid 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3, dass die Kündigungssperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR grundsätzlich mit der Klageanhebung beginnt und mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens endet. Der Wortlaut der Bestimmung bietet keine Handhabe, den Beginn der Sperrfrist auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der Vermieter über das hängige Verfahren orientiert wird oder nach Treu und Glauben davon Kenntnis haben könnte. Im Gegenteil: Der Wortlaut spricht mit dem Ausdruck "während" ("pendant", "durante") die ganze Dauer der Rechtshängigkeit an, ohne für deren Beginn die Kenntnis des Vermieters von der Einleitung des Verfahrens vorauszusetzen.
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Wohl unterliegt die Kündigung durch den Vermieter während der Sperrfrist der gesetzlichen Vermutung, dass sie zweckfremd zur Vergeltung eingesetzt wurde (Botschaft vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1389 ff., 1460 zu Art. 271a Abs. 1 lit. c). Die Vorinstanz hebt mit den entsprechenden Lehrmeinungen denn auch zutreffend hervor, dass diese gesetzliche Vermutung dann keine reale Grundlage haben kann, wenn der Vermieter vom angehobenen Verfahren gar keine Kenntnis hat oder haben könnte. Diesfalls kann ihm nicht unterstellt werden, er habe wegen eines missliebigen Gerichtsverfahrens gekündigt. Nun muss ein solches Vergeltungsmotiv aber auch bei entsprechender Kenntnis nicht stets vorhanden sein. Trotzdem wird es vom Gesetzgeber mit den zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen fingiert. Gerade BGE 141 III, 101 (105)bei den Sperrfristen manifestiert das Gesetz, dass es weit eher von positiven Loyalitätskriterien und vom Sozialschutzgedanken denn vom negativ geprägten Missbrauchsbegriff getragen ist, reicht doch der Kündigungsschutz über jenen vor offensichtlichem Rechtsmissbrauch, ja selbst über die umfassende Wahrung von Treu und Glauben, hinaus (BGE 131 III 33 E. 3.2). Vor dem Hintergrund dieser zweckmässigen Ausrichtung hat das Bundesgericht denn auch erkannt, dass die Vermieterkündigung, die während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR erfolgt, unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (BGE 131 III 33). Entsprechend kann für die zeitliche Fixierung der Sperrfrist auch nicht ausschlaggebend sein, ob das vermutete Rachemotiv beim Vermieter tatsächlich vorliegt bzw. aufgrund entsprechender Kenntnis überhaupt vorliegen kann.
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2.8 Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtung der Bestimmung von Art. 271a OR bestärkt. Diese regelt nämlich auch den gebotenen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters. So schliesst Art. 271a Abs. 1 lit. d zweiter Halbsatz OR die Berufung auf diese Norm aus, wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Auch mit den Ausnahmen nach Art. 271a Abs. 3 OR trägt das Gesetz den Vermieterinteressen Rechnung. Der Gesetzgeber listet in Art. 271a Abs. 1 und 2 OR jene Fälle auf, in denen die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu vermuten ist. In Absatz 3 zählt es dann jene Fälle abschliessend auf, bei deren Vorliegen die gesetzlichen Vermutungen des zeitlichen Kündigungsschutzes widerlegt sind bzw. Ausnahmen vom zeitlichen Kündigungsschutz bestehen. Es sind dies dringender Eigenbedarf des Vermieters (lit. a), Zahlungsrückstand des Mieters (lit. b), schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (lit. c), Veräusserung der Sache (lit. d), wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g OR, welche die Vertragserfüllung für die Vermieterschaft unzumutbar machen (lit. e) oder Konkurs des Mieters (lit. f). Trotz der grundsätzlich abschliessenden Aufzählung der Ausnahmen in Absatz 3 anerkennt das Bundesgericht die Zulässigkeit einer Kündigung während eines hängigen Verfahrens oder innerhalb der dreijährigen Sperrfrist, wenn der Vermieter mit der erneuten Kündigung nicht die Absicht bekundet, sich am Mieter zu rächen, sondern lediglich die in einem früheren Verfahren aus formellen Gründen (insb. Formmangel) als nichtig oder unwirksam erkannte Kündigung "wiederholt". In einem solchen Fall bringt der Vermieter bloss den früher BGE 141 III, 101 (106)schon bestehenden Kündigungswillen zum Ausdruck (Urteile 4C.252/2002 vom 8. November 2002 E. 3.1; 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: MRA 3/2007 S. 84, bestätigt im Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Davon abgesehen besteht kein Grund, den zeitlichen Kündigungsschutz über die gesetzlich bestimmten Ausnahmefälle hinaus weiter in dem Sinn einzuschränken, dass er erst zum Tragen kommt, wenn der Vermieter Kenntnis von einem angehobenen Verfahren hat oder nach Treu und Glauben haben könnte, zumal das Bundesgericht bereits entschieden hat, dass die Vermieterkündigung während eines hängigen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens grundsätzlich unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (BGE 131 III 33).
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