BGE 141 III 257 | |||
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36. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_2/2015 vom 25. Juni 2015 | |
Regeste |
Umfang der Rechtskraft des Entscheides über die Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung im Rahmen eines Werkvertrages. | |
Sachverhalt | |
A. und B. (Kläger, Beschwerdeführer) schlossen mit der C2. AG, der Rechtsvorgängerin der C. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin), einen Werkvertrag zur Erstellung eines Mehrfamilien-Wohnhauses. Nach dem Bezug des Wohnhauses rügten die Kläger diverse Mängel. Mit Urteil vom 15. März 2011 (nachfolgend: Kostenvorschussurteil) verpflichtete des Handelsgerichts des Kantons Zürich die Beklagte, den Klägern einen Vorschuss von Fr. 242'740.- an die mutmasslichen Kosten der Sanierung der Mängel zu leisten. Nach erfolgter Sanierung verlangten die Kläger vor Handelsgericht zusätzlich Fr. 40'344.35 nebst Zins, da die tatsächlichen Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zur Beseitigung der Mängel den Kostenvorschuss um diesen Betrag überschritten hätten. Das Handelsgericht wies die Klage am 12. November 2014 ab.
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Das Bundesgericht weist die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 12. November 2014 erhobene Beschwerde mit Blick auf die Substanziierungsanforderungen bezüglich des geltend gemachten Mehraufwandes ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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3.2 Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten inhaltlich identisch ist. Die Identität von prozessualen Ansprüchen wird nach den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, d.h. dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen, beurteilt (BGE 139 III 126 E. 3.2.3 S. 131 mit Hinweisen). Die Rechtskraftwirkung tritt nur soweit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt (BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; Urteil des Bundesgerichts 4C.233/2000 vom 15. November 2000 E. 3a; MAX KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, 1954, S. 113), doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen. Insoweit können dieselben präjudizielle Bedeutung erlangen. Lediglich im Übrigen haben die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen eines Entscheids in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung (so BGE 123 III 16 E. 2a S. 18 f.).
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Schreitet der Besteller zur Ersatzvornahme ohne Vorschuss, wozu er auch ohne richterliche Ermächtigung befugt ist (BGE 107 II 50 E. 3 S. 55 f.; BGE 136 III 273 E. 2.4 S. 276 mit Hinweis; a.A. GAUCH, a.a.O., S. 683 Rz. 1819 ff.) muss er nach getätigter Mängelbeseitigung im Rückerstattungsprozess gegen den Unternehmer sowohl den grundsätzlichen Anspruch auf Ersatzvornahme wie die Berechtigung des konkret getätigten Aufwands nachweisen. Klagt er aber zuerst auf Leistung eines Vorschusses und kommt es nach der Mängelbeseitigung zum Streit über die Kostenabrechnung, umfassen Vorschussprozess und Abrechnungsprozess in zwei Schritten denselben Inhalt, der im Rückerstattungsprozess in einem Schritt erfolgt. Daraus folgt, dass die Hauptfrage des Vorschussprozesses, das Bestehen des Anspruchs auf Ersatzvornahme und damit des Vorschussanspruchs, im Abrechnungsprozess nicht mehr in Frage gestellt werden kann (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 95 f. Rz. 57). Die Höhe der Kosten ist dagegen nur insoweit Gegenstand des Vorschussprozesses, als darin in Bezug auf den Lebenssachverhalt, auf den sich das Vorschussbegehren stützt, definitiv über die Höhe des Vorschusses entschieden wird. Bezüglich der Höhe der tatsächlichen Kosten, die in diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgelaufen sind und für die am Ende Ersatz geschuldet ist, entfaltet das Urteil keine Rechtskraft (vgl. das analoge Problem bei der Ersatzvornahme nach Art. 343 Abs. 1 lit. e ZPO). Daran ändert sich nichts, wenn die Abschätzung der mutmasslichen Kosten nicht auf blossen Offerten etc., sondern wie vorliegend auf Gutachten beruhte. Vorschüsse sind Akonto-Zahlungen, die definitionsgemäss unter dem Vorbehalt definitiver Kostenliquidierung geleistet werden. Das Kostenvorschussurteil schliesst demzufolge im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses durch den Unternehmer noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten durch den Besteller aus (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 Rz. 62; ROGER BRÄNDLI, Die Nachbesserung im Werkvertrag, 2007, S. 302 Rz. 936; JÜRG NIKLAUS, Das Recht auf Ersatzvornahme gemäss Art. 366 Abs. 2 OR, 1999, S. 133 Rz. 3.47. Vgl. aber ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 581 zu Art. 366 OR und GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818, die beide nur die Rückerstattung des Überschusses erwähnen). Entgegen der Vorinstanz ist daher kein massgebliches Kriterium, dass im Kostenvorschussurteil lediglich eine Rückzahlungspflicht der Besteller für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung festgehalten wurde, jedoch nicht umgekehrt eine Nachzahlungspflicht der Unternehmerin. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass beim Vorschuss eine Reserve einberechnet wurde. Dass es zulässig ist, eine Reserve im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen, hängt vielmehr damit zusammen, dass mit dem Kostenvorschussurteil rechtskräftig über den Anspruch auf Vorschuss entschieden und daher gestützt auf den bereits beurteilten Lebenssachverhalt eine erneute Einforderung eines weiteren Kostenvorschusses ausgeschlossen ist (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 f. Rz. 63 f.; BRÄNDLI, a.a.O., S. 300 f. Rz. 933; a.A.: KOLLER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 580 zu Art. 366 OR mit Hinweis auf deutsche Lehre und Rechtsprechung; NIKLAUS, a.a.O., S. 132 f. Rz. 3.44).
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Die Vorinstanz begründete die von ihr angenommene Bindungswirkung des Kostenvorschussurteils vor allem damit, dass sie sich mit den einzelnen Positionen "im Detail befasst" habe. Sie stützt sich dabei auf die Formulierung in BGE 128 III 416 E. 4.2.2, dass "eine Nachforderung ausgeschlossen" sei, "wenn wie im vorliegenden Fall über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde und insofern eine 'res iudicata' vorliegt". Diese Formulierung ist in der Tat missverständlich. Im Sachverhalt von BGE 128 III 416 war die Unternehmerin gemäss Werkvertrag verpflichtet, das Dach einer Industriehalle auf eine bestimmte Art zu beschichten, nämlich mit dem Produkt "F.". Das Dach erwies sich in der Folge als nicht dicht; eine Nachbesserung mit dem vertraglichen Produkt "F." war aber nicht mehr möglich. Umstritten war vor allem, ob die Bestellerin berechtigt war, die Reparaturen durch einen Dritten mit dem Produkt "G." durchführen zu lassen und dafür einen Kostenvorschuss zu verlangen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestellerin einen Nachbesserungsanspruch auf eine Neubeschichtung mit dem (erheblich teureren) Produkt "G." habe. Der rechtskräftig beurteilte Anspruch auf Ersatzvornahme beinhaltete also bereits die (umstrittene) Art der Sanierung. Mit der zitierten Formulierung wurde klargestellt, dass die Methode der Sanierung bei der Abrechnung der Kosten nicht mehr in Frage gestellt werden kann (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 96 ff. Rz. 60 ff. mit Hinweis auf entsprechende deutsche Lehre; BRÄNDLI, a.a.O., S. 301 Rz. 934). Beruht die Schätzung des Kostenvorschusses sodann auf detaillierten Abklärungen, z.B. einem entsprechenden Gutachten, begründet dies wie erwähnt zwar keine Bindungswirkung, jedoch können sich daraus erhöhte Substanziierungsanforderungen ergeben hinsichtlich der Begründung der Abweichung vom vorgeschossenen Betrag.
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