BGE 141 III 376 | |||
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51. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_274/2015 vom 25. August 2015 | |
Regeste |
Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 ZGB, Abänderung vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren, Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen; Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO, Anwendbarkeit auf vorsorgliche Massnahmen. |
Rückzug und Neueinreichung eines Gesuchs um Abänderung vorsorglicher Massnahmen; Rechtsfolgen des Rückzugs im Lichte von Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO (E. 3.3 und 3.4). | |
Sachverhalt | |
A. A.A. (Beschwerdeführer) und B.A. (Beschwerdegegnerin) heirateten am 9. Januar 1981. Mit Eheschutzentscheid des Bezirksgerichts Schwyz vom 3. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, der Beschwerdegegnerin rückwirkend per 4. Juli 2007 monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 9'000.- (an die Ehefrau persönlich) und Fr. 4'000.- (für die damals noch nicht volljährige Tochter) zu bezahlen.
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B. Seit Ende 2009 ist zwischen den Parteien das Scheidungsverfahren hängig. Am 19. Januar 2010 ersuchte der Beschwerdeführer um Abänderung der im Scheidungsverfahren als vorsorgliche Massnahmen weitergeltenden Eheschutzmassnahmen. Das Bezirksgericht Schwyz wies das Begehren mit Entscheid vom 2. Juli 2010 ab. Am 10. November 2010 reichte der Beschwerdeführer ein zweites Abänderungsgesuch ein, zog dieses aber am 14. Juli 2011 zurück. Das Bezirksgericht Schwyz schrieb das eingeleitete Abänderungsverfahren mit Verfügung vom 18. Juli 2011 "infolge Rückzug des Begehrens als gegenstandslos" ab.
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C. Mit Eingabe vom 25. Juni 2013 ersuchte der Beschwerdeführer erneut um Abänderung der Massnahmen, die in der Verfügung des Bezirksgerichts Schwyz vom 3. Februar 2009 angeordnet worden waren. Er beantragte, seine Unterhaltspflicht sei rückwirkend auf den 10. November 2010 angemessen herabzusetzen. Eventualiter sei die Unterhaltspflicht rückwirkend ab Gesuchseinreichung, subeventualiter "umgehend" herabzusetzen. Mit Entscheid vom 3. Juli 2014 wies das Bezirksgericht das Änderungsgesuch ab. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Schwyz mit Entscheid vom 3. März 2015 ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat. Zur Begründung führte es an, dass einer Abänderung der Unterhaltsbeiträge eine res iudicata in Form des Abschreibungsentscheids vom 18. Juli 2011 entgegenstehe, denn der Beschwerdeführer mache im Wesentlichen die selben Veränderungen geltend wie im zurückgezogenen Gesuch vom 10. November 2010. Weiter bestätigte das Kantonsgericht ausdrücklich den Entscheid des Bezirksgerichts vom 3. Juli 2014.
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D. Gegen das Urteil vom 3. März 2015 gelangt der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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Wer eine Klage beim zum Entscheid zuständigen Gericht zurückzieht, kann gegen die gleiche Partei über den gleichen Streitgegenstand keinen zweiten Prozess mehr führen, sofern das Gericht die Klage der beklagten Partei bereits zugestellt hat und diese dem Rückzug nicht zustimmt (Art. 65 ZPO). Mit Zustellung der Klageschrift an den Beklagten tritt demnach die sog. Fortführungslast als prozessuale Obliegenheit ein, d.h. der Kläger ist an seinen Prozess gebunden. Zieht er die Klage nach diesem Zeitpunkt zurück, geht er seines materiell-rechtlichen Anspruches endgültig verlustig (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7278 zu Art. 63; SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, 2. Aufl. 2013, N. 6 und 13 zu Art. 65 ZPO; ISABELLE BERGER-STEINER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 3 f. zu Art. 65 ZPO). Die Bestimmung zu den Folgen des Klagerückzugs steht in den Allgemeinen Bestimmungen der ZPO. Sie ist demnach gemäss Art. 1 lit. a und b ZPO grundsätzlich auf sämtliche streitigen Zivilsachen sowie auf die gerichtlichen Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar, mithin auch im Summarverfahren (ANDREAS GÜNGERICH, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 16 der Vorbemerkungen zu Art. 248-270 ZPO; STEPHAN MAZAN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 4 der Vorbemerkungen zu Art. 248-256 ZPO).
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Allerdings spricht der Gesetzestext von "Klage", nicht von "Gesuch". In der Lehre besteht daher Uneinigkeit, ob Art. 65 ZPO auch auf Gesuchsverfahren, wie sie vorsorgliche Massnahmen darstellen, anwendbar ist. Eine Mehrheit der Autoren spricht sich für eine gewisse Ausweitung auf Nicht-Klageverfahren aus. ISABELLE BERGER-STEINER führt aus, die Fortsetzungslast beschlage auch das durch Gesuch eingeleitete Summarverfahren, soweit es zu einem materiell rechtskräftigen Entscheid führe (a.a.O., N. 3 zu Art. 65 ZPO). Ähnlich äussert sich STEPHEN V. BERTI, der festhält, einer Anwendung von Art. 65 ZPO auf das Gesuch im summarischen Verfahren stehe nichts entgegen, wo einem Sachendentscheid materielle Rechtskraft zukomme (in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 65 ZPO). ROGER MORF wendet Art. 65 ZGB auf Gesuche an, soweit sie eine Streitsache betreffen (im Gegensatz zur freiwilligen Gerichtsbarkeit), das Gericht auf die Sache eintreten kann und das Summarverfahren - ohne Rückzug - zu einem rechtskräftigen Sachentscheid führen würde (in: ZPO Kommentar, Gehri/Kramer [Hrsg.], 2010, N. 3 zu Art. 65 ZPO e contrario). PRISCA SCHLEIFFER MARAIS erkennt eine allgemeine Geltung für Gesuche i.S.v. Art. 252 Abs. 2 ZPO und verweist betreffend Fortführungslast im summarischen Verfahren auch auf Art. 256 ZPO (in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 4 zu Art. 65 ZPO). Ebenso äussert sich FRANÇOIS BOHNET dahingehend, dass nicht nur beim einseitigen Rückzug einer Klage ("demande"), sondern auch beim Gesuch ("requête en justice") ein Rücktritt stattfinde (in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 4 zu Art. 65 ZPO). SUTTER-SOMM/HEDINGER vertreten demgegenüber die Meinung, im Zusammenhang mit Gesuchen an ein Gericht sei Art. 65 ZPO nicht einschlägig (a.a.O., N. 9 zu Art. 65 ZPO).
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3.3.3 Im selben Zusammenhang zu berücksichtigen ist Art. 241 Abs. 2 ZPO. Die zum ordentlichen Verfahren gehörige Bestimmung hält unter dem Titel "Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid" fest, dass ein Klagerückzug die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids hat. Auch hier ist nur von "Klage" die Rede. Gemäss Art. 219 ZPO gelten die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens sinngemäss für sämtliche anderen Verfahren, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Damit stellt sich die Frage, ob Art. 241 Abs. 2 ZPO mangels anderer Vorschrift in den Bestimmungen zum summarischen Verfahren sinngemäss auch für dieses gilt. Soweit ersichtlich äussert sich nur LAURENT KILLIAS explizit hierzu. Er vertritt die Ansicht, die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens betreffend Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid (Art. 241 f. ZPO) seien im summarischen Verfahren analog anwendbar (in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 37 zu Art. 219 ZPO). Im Rahmen des Dispositionsgrundsatzes könnten die Parteien im vereinfachten und im summarischen Verfahren die Handlungen gemäss Art. 241 ZPO vornehmen (KILLIAS, a.a.O., N. 4 zu Art. 241 ZPO). Diverse Autoren äussern sich - abgesehen vom vorliegend nicht massgebenden Sonderfall des Schlichtungsgesuchs - nicht zur Möglichkeit und den Rechtsfolgen eines Rückzugs von Gesuchen des summarischen Verfahrens. Die Frage braucht vorliegend nicht abschliessend beantwortet zu werden.
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3.4 Zusammengefasst und angewendet auf vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren gilt, was folgt: Dem Entscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren kommt nicht dieselbe Rechtskraftwirkung zu wie einem im ordentlichen (Klage-)Verfahren ergangenen Urteil. Dies findet namentlich darin Niederschlag, dass der Massnahmeentscheid erstens im Falle einer Veränderung der Verhältnisse einer Anpassung zugänglich ist und dass dieser zweitens das Scheidungsverfahren, in welchem die Massnahmen angeordnet wurden, resp. das Endurteil nicht präjudiziert. In diesen Schranken kommt einem Entscheid über vorsorgliche Massnahmen indes Bindungswirkung zu und muss ein Rückzug eines Abänderungsgesuchs einer Abweisung gleichgestellt werden. Ein neues Abänderungsgesuch ist bei dieser Ausgangslage nur unter der Voraussetzung veränderter Verhältnisse zulässig. Der Beschwerdeführer kann mithin nicht heute darauf zurückkommen, wenn er 2011 mittels vorbehaltlosem Rückzug und ohne Zustimmung der Gegenpartei auf eine Prüfung der veränderten Verhältnisse verzichtete. Der angefochtene Entscheid hält vor der Verfassung stand. (...)
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