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57. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. AG gegen C. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_93/2015 vom 22. September 2015 | |
Regeste |
Art. 107 f. ZPO; Kostenauflage an einen Dritten, der nicht Prozesspartei ist; unnötige Kosten. | |
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(...)
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Art. 106 ZPO sieht als Regel die Kostenverteilung unter den Prozessparteien nach ihrem Obsiegen und Unterliegen im Prozess vor (vgl. BGE 140 III 30 E. 3.5 S. 34, BGE 140 III 501 E. 4.1.1; BGE 139 III 475 E. 3.3 S. 475). Im Anschluss daran erlaubt die Bestimmung von Art. 107 ZPO, aus besonderen Gründen vom Unterliegerprinzip abzuweichen, wobei Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO eine solche abweichende Kostenverteilung ermöglicht, wenn "andere besondere Umstände" (als die in lit. a-e aufgezählten) vorliegen, die eine Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens als unbillig erscheinen lassen. Auch kommt aus Billigkeitsgründen die Kostenauflage an den Kanton in Betracht (Art. 107 Abs. 2 ZPO), wenn die zur Kassation und Rückweisung führenden Mängel, wie etwa eine Rechtsverzögerung, weder einer Partei noch Dritten angelastet werden können (BGE 139 III 358 E. 3 S. 360; Urteil 4A_364/2013 vom 5. März 2014 E. 15.4).
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Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich die von der Vorinstanz vorgenommene Kostenverlegung auf der Grundlage der von ihr festgestellten Tatsachen - entsprechend der im erstinstanzlichen Entscheid vom 10. Dezember 2013 vertretenen Auffassung - auf die Bestimmung von Art. 108 ZPO stützen lässt und diesfalls im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt.
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2.4.2 Der Beschwerdeführer 1 stellt zu Recht nicht in Frage, dass gestützt auf diese Bestimmung mit ihrer offenen Umschreibung des Normadressaten ("wer"; im französischen Gesetzestext: "à la charge de la personne"; im italienischen Text: "a carico di chi") auch Dritte, die nicht Parteien des Prozesses waren, zur Bezahlung von Prozesskosten verpflichtet werden können (vgl. dazu für viele: FISCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 108 ZPO; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 1 zu Art. 108 ZPO; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 108 ZPO; TAPPY, a.a.O., N. 13 zu Art. 108 ZPO; BERNARD CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 17 ff. zu Art. 66 BGG). Er hält indessen dafür, es sei dazu ein grobes Verschulden des Dritten erforderlich. Überdies könne Art. 108 ZPO nur für Kosten zur Anwendung kommen, die bei Wahrung der ![]() | 10 |
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Es trifft zwar zu, dass unnötige Kosten in erster Linie solche sind, die durch das Verhalten einer Partei oder Dritter innerhalb des Prozesses zu den üblicherweise bzw. ohnehin entstehenden Prozesskosten zusätzlich hinzukommen (RÜEGG, a.a.O., N. 1 zu Art. 108 ZPO; TAPPY, a.a.O., N. 11 zu Art. 108 ZPO; STERCHI, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 108 ZPO). Weder der Wortlaut mit der offenen Formulierung "unnötige Prozesskosten" noch die Materialien zu Art. 108 ZPO (vgl. Botschaft zur ZPO, a.a.O., S. 7298; TAPPY, a.a.O., N. 2 zu Art. 108 ZPO) bieten indessen eine Handhabe, den Begriff der unnötigen Kosten in einem derart einschränkenden Sinn auszulegen, dass darunter nur solche Kosten zu verstehen wären. Lehre und Rechtsprechung, die sich mit Art. 108 ZPO und mit diesem ähnlichen Regelungen befassen, sind sich denn auch weitestgehend darüber einig, dass als unnötige Kosten auch solche in Frage kommen, die von den Parteien oder von Dritten ausserhalb des Prozesses verursacht wurden, und dass sie auch die gesamten Prozesskosten umfassen können, insbesondere wenn das ganze Verfahren durch ein bestimmtes Verhalten ausserhalb des Prozesses veranlasst wurde (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_150/2013 vom 11. Februar 2014 Sachverhalt ![]() | 12 |
Als für die Beurteilung des vorliegenden Falles illustrative Beispiele unnötiger Kosten aus Rechtsprechung und Lehre sind insbesondere solche zu nennen, die in einem Prozess (bzw. einem Verfahren) entstehen,
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- der für eine Gesellschaft von einem Anwalt geführt wird, der durch einen nicht mehr vertretungsbefugten Verwaltungsrat mandatiert wurde (Urteil 4A_150/2013 vom 11. Februar 2014; Auferlegung der gesamten Kosten an diesen Verwaltungsrat, im bundesgerichtlichen Verfahren allerdings nur im internen Verhältnis);
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- der von einem Anwalt aufgrund einer gefälschten Vollmacht geführt wurde, die von einem Dritten ohne Wissen der vertretenen Partei ausgestellt worden war (Urteil 4F_15/2008 vom 20. November 2013 E. 2.3.2 und 2.3.3; vollumfängliche Kostenauflage zu Lasten des Dritten);
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- der durch einen falsus procurator für eine Partei geführt wird, die ihn nicht mandatiert hat (BGE 84 II 403 E. 2; s. auch TAPPY, a.a.O., N. 15 zu Art. 108 ZPO; CORBOZ, a.a.O., N. 18 zu Art. 66 BGG; STERCHI, a.a.O., N. 2 zu Art. 108 ZPO; RÜEGG, a.a.O., N. 2 zu Art. 108 ZPO; Kostenauflage an den falsus procurator).
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Der vorliegende Fall liegt wertungsmässig gleich. Der Beschwerdeführer 1 provozierte den erstinstanzlichen Prozess zwischen dem ![]() | 17 |
Die Kosten von der unterliegenden Beschwerdeführerin 2 tragen zu lassen, würde wirtschaftlich gesehen bedeuten, sie dem obsiegenden Beschwerdegegner als ihrem Aktionär nach Massgabe seiner Beteiligung an der Gesellschaft aufzuerlegen. Dies erschiene, wie die Vorinstanz zutreffend erwog, offensichtlich unbillig. Da Art. 108 ZPO für die Kostenauflage an den Beschwerdeführer 1 als spezielle gesetzliche Grundlage herangezogen werden kann, besteht bei der gegebenen Konstellation kein Grund, die Prozesskosten der Gesellschaft aufzuerlegen und sie auf den Weg eines Schadenersatzprozesses zu verweisen, um sie vom Beschwerdeführer 1 gestützt auf Art. 41 OR zurückzufordern. Dieser Weg ist von ihr lediglich zu beschreiten, soweit sie den Ersatz eines durch den Prozess entstandenen Schadens fordert, der über die Prozesskosten hinausgeht (RÜEGG, a.a.O., N. 2 zu Art. 108 ZPO).
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Wie es sich damit verhält, kann vorliegend offenbleiben, da sich der Beschwerdeführer 1 unter den gegebenen Umständen jedenfalls ein vorwerfbares Verhalten zurechnen lassen muss. Wer sich, wie er, offensichtlich zu Unrecht eine Alleinaktionärsstellung in einer ![]() | 20 |
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