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61. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_43/2015 vom 13. Oktober 2015 | |
Regeste |
Art. 125 ZGB; nachehelicher Unterhalt nach Pensionierung des unterhaltsansprechenden Ehegatten bei lebensprägender Ehe. | |
Sachverhalt | |
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Mit Beschwerde in Zivilsachen verlangt A.A. (Beschwerdeführerin), B.A. (Beschwerdegegner) sei zu verpflichten, ihr von September 2017 (d.h. nach Eintritt ihres AHV-Pensionsalters) bis November 2028 (Eintritt des AHV-Pensionsalters des Beschwerdegegners) einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'000.- zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.2.1 Vor Bundesgericht beansprucht die Beschwerdeführerin für die Zeit vor ihrer ordentlichen Pensionierung, das heisst bis August 2017, sowie für die Zeit nach Eintritt des AHV-Pensionsalters des Beschwerdegegners, somit ab Dezember 2028, keinen nachehelichen ![]() | 4 |
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2.2.3 Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, das angefochtene Urteil erweise sich als in stossender Weise ungerecht. Nach 22 Jahren ehelichen Zusammenlebens sei "ihr Vertrauen aufgrund der nachhaltig gelebten und insofern auch für die Zukunft irreversiblen Versorgungsgemeinschaft in der Ehe zu schützen". Das Obergericht habe ausser Acht gelassen, dass sie zehn Jahre älter sei als der Beschwerdegegner und als Frau zudem ein Jahr früher pensioniert werde als dieser. Unter dem Aspekt der Eigenversorgungskapazität fehlten ihr aufgrund der erst 1999 erfolgten Übersiedlung in die Schweiz bedeutend mehr AHV- und BVG-Beitragsjahre, als es beim Beschwerdegegner anlässlich dessen Pensionierung der Fall sein werde. Dieser habe bedeutend mehr Zeit, um sein Vorsorgeguthaben zu äufnen und könne sich so höhere Rentenanwartschaften erarbeiten. Ihr hingegen sei es in den 18 Jahren zwischen Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit (1999) und Pensionierung nicht möglich, eine ausreichende Altersvorsorge aufzubauen. Sie werde auch unter Berücksichtigung der mit dem Ruhestand verbundenen tieferen Lebenshaltungskosten nicht in der Lage sein, mit den Renten aus erster und zweiter Säule, welche zusammen Fr. 3'000.- ausmachten, den zuletzt gelebten Lebensstandard zu finanzieren. Der gebührende Unterhalt werde nach ihrer Pensionierung von Fr. 7'968.90 auf Fr. 6'139.- sinken. Die dereinst resultierende Unterdeckung von Fr. 3'139.- mache ![]() | 6 |
Der geschiedene Ehemann betont in seiner Beschwerdeantwort, die Beschwerdeführerin gehe nach wie vor einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl sie im Scheidungsverfahren eine Frühpensionierung geltend gemacht habe. Somit sei sie in der Lage, die Altersvorsorge aus ihrem Einkommen weiter aufzubauen. Für den gebührenden Unterhalt, der nach Erreichen des Rentenalters ohnehin angemessen zu reduzieren sei, könne sie daher weiterhin selber aufkommen. Die frühere Ehe garantiere keine Aufrechterhaltung des einmal gelebten Standards auf unbeschränkte Zeit.
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Bei einer lebensprägenden Ehe ist der Unterhaltsanspruch in drei Schritten zu prüfen: Vorab ist der gebührende Unterhalt zu bestimmen, wofür die massgebenden Lebensverhältnisse der Parteien festzustellen sind. Der gebührende Unterhalt bemisst sich an dem in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard. Auf dessen Fortführung haben bei genügenden Mitteln beide Teile Anspruch; gleichzeitig bildet der betreffende Standard aber auch die Obergrenze des gebührenden Unterhalts. Verunmöglichen scheidungsbedingte Mehrkosten es, den früheren Lebensstandard aufrechtzuerhalten, so hat der Unterhaltsgläubiger Anrecht auf die gleiche Lebenshaltung wie der Unterhaltsschuldner. Sodann ist zu prüfen, inwiefern die Ehegatten diesen Unterhalt je selber finanzieren können. Der Vorrang der ![]() | 10 |
Erwägung 3.2 | |
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Erreicht der unterhaltsansprechende Ehegatte - wie hier - das Rentenalter zuerst, hat er über diesen Zeitpunkt hinaus grundsätzlich Anspruch darauf, den während der häuslichen Gemeinschaft gelebten ![]() | 12 |
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3.2.3 Die Vorinstanzen sind sinngemäss davon ausgegangen, angesichts der seit Auflösung der ehelichen Gemeinschaft im Jahr 2011 unbestrittenermassen bestehenden Eigenversorgungskapazität der Beschwerdeführerin werde die Lebensprägung bis zur Pensionierung 2017 so weit an Bedeutung verloren haben - und der spezifische Vertrauenszusammenhang so weit gelockert sein -, dass sich danach kein Unterhaltsanspruch mehr rechtfertige. Dieser Schlussfolgerung ist auch nicht unter dem Aspekt beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin nach Beendigung des ehelichen Zusammenlebens tatsächlich während rund sechs Jahren für ihren gebührenden Unterhalt selber vollständig aufkommen konnte und kann. Ein solcher Umstand genügte zum einen nicht, um ihr für die Zeit nach der Pensionierung eine Aufstockung auf den gebührenden Unterhalt zu versagen (Urteil 5A_214/2009 vom 27. Juli 2009 E. 3.1 und 3.3). Ebensowenig darf zum andern aus diesem Grund eine, wie hier, erst mit dem Eintritt ins Rentenalter manifest werdende Unterhaltspflicht abgelehnt werden (vgl. BGE 132 III 598 E. 9.3 S. 601). Nach dem in E. 3.2.1 Gesagten ist der nacheheliche Unterhalt grundsätzlich unbefristet geschuldet; auch ein zunächst nur latenter Anspruch endet in der Regel erst mit dem Erreichen des AHV-Alters des Unterhaltspflichtigen. Das bedeutet, dass die im Zeitpunkt der Beendigung des Zusammenlebens gegebene Lebensprägung durch die Ehe allenfalls auch erst Jahre später zum Tragen kommen kann. Der zu schützende Erwartungshorizont der Beschwerdeführerin bestimmt sich gerade durch ihr ![]() | 15 |
4. Der Entscheid des Obergerichts, gemäss welchem die Beschwerdeführerin auch für den letztinstanzlich strittigen Anspruchszeitraum keine Unterhaltsbeiträge geltend machen kann, bewegt sich nach dem Gesagten ausserhalb des sachgerichtlichen Ermessensspielraums (vgl. BGE 132 III 97 E. 1 S. 99 mit Hinweisen); er verletzt Art. 125 ZGB. Wie es sich mit dem Unterhalt konkret verhält, ist offen, da die Berechnungsparameter (z.B. voraussichtliche Höhe der AHV-Altersrente der Beschwerdeführerin nach Massgabe des durchschnittlichen Jahreseinkommens gemäss Art. 29quater ff. AHVG; erwähntes Urteil 5A_474/2013 E. 5.1; vgl. auch BGE 141 III 193) aus Sicht der Vorinstanz nicht rechtserheblich gewesen sind. Die Sache ist zur Abklärung der offenen Punkte und zur Bemessung des Unterhaltsbeitrags an das Obergericht zurückzuweisen.
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