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1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_202/2015 vom 26. November 2015 |
Art. 85 Abs. 1 IPRG; Art. 5 des Haager Kindesschutzübereinkommens vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ); Wegzug des Kindes in einen Nichtvertragsstaat. |
Art. 298 Abs. 1 und Art. 298b Abs. 2 ZGB; Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge. | |
Sachverhalt | |
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Im Sommer 2007 trafen die Eltern eine Regelung zum Unterhalt und zum persönlichen Verkehr.
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Im Sommer 2013 traten Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechts auf. Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ordnete deswegen eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB an.
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Im Frühjahr 2014 teilte die Mutter dem Vater mit, sie wolle mit der Tochter und ihrem Partner bzw. heutigen Ehemann nach Doha in Katar ziehen, wo dieser für einige Zeit beruflich tätig sein werde.
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B. In der Folge gelangte der Vater mit einer Gefährdungsmeldung an die KESB. Er forderte die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn und das Verbot an die Mutter, mit der Tochter nach Katar zu ziehen bzw. ohne seine Zustimmung deren Wohnsitz zu verlegen; ferner beantragte er ein Erziehungsfähigkeitsgutachten.
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Die KESB erliess vorsorgliche Massnahmen, nahm diverse Abklärungen vor, veranlasste die Anhörung des Kindes und errichtete für dieses eine Verfahrensbeistandschaft gemäss Art. 314abis ZGB. Mit ![]() | 6 |
Mit Urteil vom 20. Oktober 2014 wies der Bezirksrat Meilen die hiergegen vom Vater erhobene Beschwerde ab und entzog einer allfälligen Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich die aufschiebende Wirkung.
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C. Beide Parteien fochten das Urteil des Bezirksrates beim Obergericht an. Der Vater verlangte die Zuteilung der Obhut an sich und die Verweigerung der Erlaubnis an die Mutter, mit dem Kind nach Katar auszureisen. Die Mutter wandte sich gegen das gemeinsame elterliche Sorgerecht und beantragte, weiterhin die Alleinsorge zu haben.
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Anfang Januar 2015 teilte die Verfahrensbeiständin des Kindes dem Obergericht mit, dass die Mutter mit C. nach Doha weggezogen sei und dort die Schule begonnen habe; die Abmeldung von der Schule in V. wurde in der Folge bestätigt, ebenso der Wegzug durch die Mutter.
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Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 trat das Obergericht auf die Beschwerden der beiden Elternteile nicht ein mit der Begründung, infolge des Wegzuges des Kindes sei die Entscheidzuständigkeit entfallen. Es begründete den Entscheid jedoch ausführlich auch materiell.
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D. Gegen den obergerichtlichen Beschluss hat die Mutter am 6. März 2015 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren, es sei an ihrer alleinigen elterlichen Sorge festzuhalten bzw. ihr die alleinige elterliche Sorge zu erteilen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf diese eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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Gemäss Art. 85 Abs. 1 IPRG bestimmt sich die Zuständigkeit für den Erlass von Massnahmen im Bereich des Kindesschutzes sowie das dabei anzuwendende Recht nach den Regeln des Haager ![]() | 16 |
Vorliegend gilt es jedoch zu beachten, dass Katar Vertragsstaat weder des HKsÜ noch des MSA ist. Weil die Schweiz von der Möglichkeit des Vorbehalts gemäss Art. 13 Abs. 3 MSA, die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf einen dem Vertragsstaat angehörigen Minderjährigen zu beschränken, keinen Gebrauch gemacht hat, wurde das MSA als auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbare loi uniforme angesehen (vgl. BGE 124 III 176 E. 4 S. 180). Dies trifft aufgrund des allgemeinen Verweises in Art. 85 Abs. 1 IPRG (SR 291) grundsätzlich auch für das HKsÜ zu (vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E. 3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.3.1). Indes gilt dies nur für die Begründung der Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 HKsÜ, während Art. 5 Abs. 2 HKsÜ in Bezug auf Drittstaaten nicht angewandt wird. Mithin bleibt bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einen Nicht-Vertragsstaat die einmal begründete Zuständigkeit bestehen; in diesem speziellen Bereich gilt mit anderen Worten der allgemeine Grundsatz der perpetuatio fori (vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E. 3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.3.2; LAGARDE, a.a.O.; aus der Literatur statt vieler: SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 46 zu Art. 85 IPRG; BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé [...], 2011, N. 25 zu Art. 85 IPRG). Dies ergibt sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, die bewusst von einem Wechsel in einen anderen Vertragsstaat spricht. Nur in diesem Fall ist gesichert, dass gestützt auf das nämliche Regime im Zuzugsstaat ![]() | 17 |
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(...)
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Mit der Gesetzesnovelle wurde ein eigentlicher Systemwechsel vorgenommen, indem das Sorgerecht den Eltern unabhängig vom Zivilstand grundsätzlich gemeinsam zustehen soll. Der Gesetzgeber geht von der Annahme aus, dass damit in der Regel dem Kindeswohl am besten gedient ist; vom Grundsatz soll nur dann abgewichen werden, wenn eine andere Lösung die Interessen des Kindes ausnahmsweise besser wahrt (vgl. Botschaft vom 16. November 2011 zur Revision der elterlichen Sorge, BBl 2011 9102 zu Art. 296). Die Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts muss deshalb eine eng begrenzte Ausnahme bleiben (BGE 141 III 472 E. 4.7 S. 478).
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Ausnahmegrund insbesondere der schwerwiegende elterliche Dauerkonflikt oder die anhaltende Kommunikationsunfähigkeit sein, wenn sich der Mangel negativ auf das Kind auswirkt und die Alleinzuteilung des Sorgerechtes eine Verbesserung der Situation erwarten lässt. Es muss sich in jedem Fall um einen erheblichen und chronischen ![]() | 23 |
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Im Zentrum steht die Tatsache, dass es sich beim elterlichen Sorgerecht um ein Pflichtrecht handelt (BGE 136 III 353 E. 3.1 S. 356; Urteil 5A_198/2013 vom 14. November 2013 E. 4.1; aus der schweizerischen Literatur statt vieler: SCHWENZER/COTTIER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 296 ZGB; für das deutsche Recht: PESCHEL-GUTZEIT, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Berlin 2015, N. 19 zu § 1626 BGB), wie dies auch beim Besuchsrecht der Fall ist (vgl. Urteile 5A_719/2013 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2; 5A_160/2011 vom 29. März 2011 E. 4). Die mit der elterlichen Sorge verbundenen Rechte und Pflichten sind zum Wohle des Kindes auszuüben. Die Eltern haben mithin im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles zu unternehmen, was zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes erforderlich ist. Daraus folgt im vorliegend interessierenden Kontext, dass sie sich zu bemühen haben, zwischen der konfliktbehafteten Elternebene einerseits sowie dem Eltern-Kind-Verhältnis andererseits zu unterscheiden und das Kind aus dem elterlichen Konflikt herauszuhalten. Sodann haben beide Elternteile ein kooperatives Verhalten an den Tag zu legen und die zumutbaren Anstrengungen bei der gegenseitigen Kommunikation zu unternehmen, ohne die ein gemeinsames Sorgerecht nicht in effektiver Weise und zum Vorteil des Kindes ausgeübt werden kann.
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3.5 Nach den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen entbrannte der elterliche Konflikt insbesondere im Zusammenhang mit dem (seinerzeit geplanten und nunmehr erfolgten) Wegzug nach Katar, indem der Vater darauf mit einer Gefährdungsmeldung und dem Begehren um Obhutsumteilung reagierte. Der Vater fürchtete verständlicherweise um den Kontakt zur Tochter, während die Mutter, was ebenso verständlich und natürlich ist, mit der Tochter in Familiengemeinschaft bei ihrem Ehemann leben will, welcher momentan in Katar arbeitet. Bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheides ![]() | 27 |
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