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11. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. SA (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_299/2015 vom 2. Februar 2016 | |
Regeste |
Vertrauenshaftung; ISO-Zertifikat. | |
Sachverhalt | |
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Am 5. Dezember 2000 wurde der D. AG ein bis am 4. Dezember 2003 gültiges Zertifikat betreffend die Einführung und Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems ausgestellt. Gemäss diesem ![]() | 2 |
Nach einer Selbstanzeige der D. AG beim Verhöramt des Kantons Schwyz eröffnete die damalige Eidgenössische Bankenkommission (EBK) mit Wirkung ab dem 28. Oktober 2005, 08.00 Uhr, den Konkurs über diese. Gemäss Kollokationsplan vom 6. Dezember 2007 wurden 3. Klasse-Forderungen in der Höhe von Fr. 67'769'561.37 kolloziert. Die A. AG meldete zwei Forderungen in der Höhe von insgesamt Fr. 5'549'458.82 an, welche vollständig zugelassen wurden.
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B. Am 11. Oktober 2011 reichte die A. AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die B. SA ein und beantragte, diese sei zur Zahlung von Fr. 15'704'398.- nebst Zins zu verpflichten. Die Klägerin macht gegen die Beklagte u.a. eigene Ansprüche und abgetretene Ansprüche anderer Anleger aus Vertrauenshaftung geltend. Sie bringt vor, der D. AG hätte nie ein Zertifikat ausgestellt werden dürfen bzw. es hätte ihr das Zertifikat jedenfalls entzogen werden sollen.
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Mit Urteil vom 27. April 2015 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage ab. Es verneinte einen Anspruch aus Vertrauenshaftung, weil keine rechtliche Sonderverbindung, kein schützenswertes Vertrauen, kein Schaden und kein Kausalzusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einem Schaden vorliegen würden.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 3. Juni 2015 beantragt die A. AG dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. April 2015 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zur Zahlung von Fr. 15'704'398.- nebst Zins zu verpflichten. Eventualiter sei die Sache zur Feststellung des Sachverhalts und dessen Würdigung sowie Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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3.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Parteien hätten im Zusammenhang mit der Zertifizierung der D. AG in keinem direkten Kontakt zueinander gestanden. Die Beschwerdeführerin habe die Beschwerdegegnerin bzw. die Unternehmensgruppe und den Zertifizierungsablauf indessen von ihrer eigenen Zertifizierung her gekannt und begründe u.a. mit der selbst gemachten Erfahrung einer genauen Überprüfung ihr Vertrauen in die Seriosität des Geschäftes der D. AG. Die Beschwerdeführerin habe mithin auch die von ihr selbst eingereichten AGB der Beschwerdegegnerin gekannt oder kennen müssen. Damit habe ihr zumindest bewusst sein müssen, dass gemäss Art. 12.3 dieser AGB die Berichte und Zertifikate auf Grundlage der vom Kunden oder in seinem Auftrag überlassenen Informationen und Dokumente erstellt würden und ausschliesslich dem Nutzen des Kunden - vorliegend der D. AG - dienen würden. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin die in den AGB enthaltene Enthaftungsklausel kennen müssen, wonach die Beschwerdegegnerin nicht verantwortlich sei für jede Art von Handlungen, welche auf Grundlage von Berichten und/oder Zertifikaten getroffen oder unterlassen würden, sowiefür fälschlicherweise ausgestellte Zertifikate, die auf vom Kunden übermittelten unklaren, falschen, unvollständigen oder irreführenden Informationen beruhen würden. Diese Haftungsbeschränkung verhindere gegenüber einem vertragsfremden Dritten, welcher diese Beschränkung aufgrund einer früheren Vertragsbeziehung mit der Zertifizierungsstelle kenne oder habe kennen müssen, das Entstehen eines schutzwürdigen Vertrauens. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Beschwerdegegnerin explizit oder normativ zurechenbar gegenüber der Beschwerdeführerin kundgetan hätte, im Rahmen der Zertifizierung der D. AG für irgendetwas einzustehen. Den weiteren Anlegern, deren behauptete Ansprüche sich die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben habe abtreten lassen, seien die AGB ![]() | 10 |
3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, es entspreche dem Sinn und Zweck solcher ISO-Zertifikate, dass diese gerade Kunden und Dritten gegenüber vertrauensbildend wirkten. ISO-Zertifikate dürften nur Gesellschaften ausstellen, welche die vom SECO erlassenen Anforderungen an eine Akkreditierung erfüllten. Die Beschwerdegegnerin als weltweit führende Zertifizierungsgesellschaft erziele ihren Profit aus dem Erwecken von Vertrauen. Ihr Werbe-Slogan "When you need to be sure" sei eine explizite Kundgebung der Beschwerdegegnerin, ihr und auf ihre Prüfung zu vertrauen. Durch das Verhalten der Beschwerdegegnerin sei eine rechtliche Sonderverbindung zwischen ihr und den Anlegern entstanden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe die Beschwerdeführerin sehr wohl ausgeführt, dass die Anleger nicht blind auf die Zertifizierung vertraut ![]() | 11 |
3.3 Die Vertrauenshaftung ist zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt; sie wurde gestützt auf das der Culpa-Haftung zugrundeliegende, bestimmte gegenseitige Treuepflichten der Partner begründende Vertragsverhandlungsverhältnis aus der Überlegung heraus entwickelt, dass in wertungsmässig vergleichbaren Fällen der haftpflichtrechtliche Schutz ebenfalls nicht versagt bleiben darf (BGE 120 II 331 E. 5a S. 335 f.). Das Bundesgericht hat indessen jeweils betont, dass die Vertrauenshaftung keinesfalls zu einer Haftung gegenüber jedermann ausufern und die Anerkennung dieser Haftungsgrundlage nicht dazu führen darf, dass das Rechtsinstitut des Vertrags ausgehöhlt wird (BGE 133 III 449 E. 4.1; BGE 130 III 345 E. 3.2 S. 353). Das Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen daher an strenge Voraussetzungen (BGE 133 III 449 E. 4.1 S. 451; BGE 124 III 297 E. 6a S. 303; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird (BGE 124 III 297 E. 6a S. 303 f.; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355 f.; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Schutzwürdiges Vertrauen setzt somit ein Verhalten des Schädigers voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen des Geschädigten zu wecken (BGE 130 III 345 E. 2.1 S. 349; BGE 124 III 297 E. 6a S. 304; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Die aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleiteten Schutz- und Aufklärungspflichten greifen nur, wenn die Beteiligten in eine so genannte "rechtliche Sonderverbindung" zueinander getreten sind (BGE 130 III 345 E. 2.2 S. 349; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Eine derartige Sonderverbindung entsteht aus bewusstem oder normativ zurechenbarem Verhalten der in Anspruch genommenen Person. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Ansprecher und Schädiger ist dabei nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass die in Anspruch genommene Person explizit oder normativ zurechenbar kundgetan hat, für ![]() | 12 |
3.4 Soweit die Beschwerdeführerin den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt erweitert, ohne Sachverhaltsrügen vorzubringen, müssen ihre Ausführungen unberücksichtigt bleiben. Die Beschwerdeführerin begründet den geltend gemachten Anspruch aus Vertrauenshaftung damit, dass ISO-Zertifikate gerade bezwecken würden, bei (potentiellen) Kunden ein Vertrauen gegenüber der zertifizierten Gesellschaft - hier der D. AG - zu erwecken. Anders als der Ersteller des Schätzungsgutachtens über eine Liegenschaft in BGE 130 III 345 (vgl. soeben E. 3.3) musste die Beschwerdegegnerin in der Tat davon ausgehen, dass die D. AG das Zertifikat benutzen würde, um Kunden zu werben. Allerdings stellt sich die Frage, welche Informationen sich aus dem Zertifikat ergeben. Die Beschwerdegegnerin hat der D. AG ein Zertifikat betreffend die Einführung und Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems ausgestellt. Mit dem Zertifikat wird mithin bestätigt, dass die D. AG über ein Qualitätsmanagement verfügt. Nicht ersichtlich ist aus dem Zertifikat und auch aus dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt indessen, welchen Anforderungen die D. AG für die Ausstellung des Zertifikats und die Aufrechterhaltung der Zertifizierung genügen musste. Aus dem Umstand allein, dass die D. AG über ein Qualitätsmanagement verfügt, ergibt sich keine Garantie für eine Rückzahlung der durch die Kunden getätigten ![]() | 13 |
3.5 Die Tatsache allein, dass die Beschwerdegegnerin der D. AG ein ISO-Zertifikat ausgestellt hat, führt nicht zu einer Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen. Andernfalls würde die Vertrauenshaftung leicht zu einer Haftung sämtlicher Zertifizierungsgesellschaften gegenüber jedem geschädigten Kunden einer zertifizierten Gesellschaft ausufern (vgl. auch BGE 130 III 345 E. 3.2 S. 352 f.). Dies ist nicht der Sinn der Vertrauenshaftung. Ob Vertrauen erweckt und enttäuscht wurde, kann nicht losgelöst davon beurteilt werden, was inhaltlich zertifiziert wurde. Die Beschwerdeführerin hätte jedenfalls aufzeigen müssen, dass und inwiefern die ISO-Zertifizierung geeignet gewesen sein sollte, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen der Anleger dahingehend zu wecken, dass diese ihr investiertes Geld zurückbezahlt erhalten würden. Dieser Nachweis ist ihr nicht gelungen. Auf der Basis des festgestellten Sachverhalts hat die Beschwerdegegnerin mit der Zertifizierung nicht normativ zurechenbar kundgetan, den Anlegern dafür einzustehen, das Qualitätsmanagementsystem der D. AG sei so ausgestaltet, dass die Anleger sich auf die Rückzahlung verlassen durften. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf Anleger, die keine Kenntnis vom Wortlaut der AGB der Beschwerdegegnerin hatten. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie einen eigenen Anspruch und allfällige durch andere Anleger abgetretene Ansprüche der Beschwerdeführerin aus Vertrauenshaftung verneint hat. (...)
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