BGE 142 III 102 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. AG, C. AG und D. AG sowie Handelsgericht des Kantons Bern (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_375/2015 vom 26. Januar 2016 | |
Regeste |
Art. 81 f. und 85 ZPO; Streitverkündungsklage; Bezifferung der Rechtsbegehren; unbezifferte Forderungsklage. | |
Sachverhalt | |
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A.a Mit Klage vom 10. Februar 2014 beim Handelsgericht des Kantons Bern forderten die E. AG (Klägerin 1), F.F. und G.F. (Kläger 2a und 2b) sowie I.H. und H.H. (Kläger 3) von der A. AG (Beklagte im Hauptverfahren, Streitverkündungsklägerin, Beschwerdeführerin) diverse Zahlungen. Es handelt sich um Ansprüche aus Kaufpreisminderung für ein von den Klägern erworbenes Mehrfamilienhaus inklusive Einstellhalle zufolge Mängel der Einstellhalle sowie um Forderungen für Mangelfolgeschäden.
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Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 stellten die Kläger im Rahmen einer Klageänderung zusätzliche Forderungsbegehren, namentlich verlangten sie die Bezahlung von weiteren Fr. 75'717.70, Fr. 35'557.40 bzw. Fr. 35'557.50 nebst Zins. Sie begründeten ihre Forderungen gemäss Klageänderung damit, dass auch die Dachkonstruktion erhebliche Mängel aufweise, deren fachgerechte Sanierung Kosten in der geltend gemachten Höhe nach sich ziehe, weshalb eine Kaufpreisminderung in eben diesem Umfang erfolge.
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A.b Die Beklagte beantragte mit ihrer Klageantwort zur Klageänderung deren Abweisung und reichte gleichzeitig drei Gesuche um Zulassung von Streitverkündungsklagen ein. Diese richten sich gegen die B. AG (Streitverkündungsbeklagte 1, Beschwerdegegnerin 1), die C. AG (Streitverkündungsbeklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) und die D. AG (Streitverkündungsbeklagte 3, Beschwerdegegnerin 3), die Arbeiten im Zusammenhang mit der Dachkonstruktion erbrachten. Die in Aussicht gestellten Rechtsbegehren lauten in allen drei Zulassungsgesuchen identisch, nämlich:
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"1. Es sei die Streitverkündungsbeklagte zu verpflichten, der Streitverkündungsklägerin den Betrag zu bezahlen, der den Hauptklägern im Prozess gegen die Hauptbeklagte/Streitverkündungsklägerin zugesprochen worden ist.
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2. (Kosten)."
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A.c Mit Entscheid vom 23. Juni 2015 liess das Handelsgericht des Kantons Bern die drei Streitverkündungsklagen nicht zu. Es erachtete es als unzulässig, im Rahmen einer Streitverkündungsklage ein unbeziffertes Rechtsbegehren zu stellen und war überdies der Auffassung, die Streitverkündungsklägerin habe die Abhängigkeit der Streitverkündungsklageansprüche von den Hauptklageansprüchen unzureichend begründet.
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B. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, der Entscheid des Handelsgerichts Bern vom 23. Juni 2015 sei vollumfänglich aufzuheben und es seien die drei Streitverkündungsklagen zuzulassen. Die Beschwerdegegnerinnen 1-3 seien je zu verpflichten, ihr den Betrag zu bezahlen, der den Klägern im Hauptverfahren gegen sie zugesprochen worden sei.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
3. Die Zulässigkeit einer Streitverkündungsklage steht unter den besonderen Voraussetzungen gemäss den Art. 81 und 82 ZPO; zudem müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen nach Art. 59 ZPO, die für alle Klagen gelten, eingehalten sein (BGE 139 III 67 E. 2.4 S. 73). Zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen gehört auch, dass ein Begehren um Zahlung eines Geldbetrages zu beziffern ist (Art. 84 Abs. 2 ZPO). Davon kann nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden, nämlich, wenn es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar ist, bereits zu Beginn des Prozesses ihre Forderung zu beziffern. In diesem Fall kann eine unbezifferte Forderungsklage erhoben werden, wobei jedoch ein Mindestwert angegeben werden muss, der als vorläufiger Streitwert gilt (vgl. Art. 85 Abs. 1 ZPO).
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3.3 Mit ihrer Klageänderung vom 30. Januar 2015 stellten die Kläger zusätzliche Forderungsbegehren von Fr. 75'717.70, Fr. 35'557.40 und Fr. 35'557.50 nebst Zins (insgesamt Fr. 146'832.60) wegen Mängel der Dachkonstruktion. Auf diese Mängel der Dachkonstruktion beziehen sich die drei Gesuche um Zulassung der Streitverkündungsklagen. Die Beschwerdeführerin kennt also den Betrag, der von ihr im Hauptverfahren gefordert wird. Da sie einen Schaden nur insoweit erleidet, als sie im Hauptverfahren zur Zahlung verurteilt wird, macht sie ihre Forderung im Streitverkündungsprozess vom Ergebnis im Hauptverfahren abhängig. Die strittige Frage ist somit, ob allein deswegen, dass der Streitverkündungskläger noch nicht weiss, ob bzw. in welcher Höhe er im Hauptverfahren zur Zahlung verpflichtet wird, eine Bezifferung der Streitverkündungsklage unterbleiben kann.
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Für eine Bezifferung und gegen die Anwendung von Art. 85 ZPO spricht sich namentlich DROESE aus (LORENZ DROESE, Die Streitverkündungsklage nach Art. 81 f. ZPO, SZZP 2010 S. 315 f.; ihm ausdrücklich folgend: SABINE BAUMANN WEY, Die unbezifferte Forderungsklage nach Art. 85 ZPO, 2013, Rz. 444; ebenso wohl auch: TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 82 ZPO).
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5. Ein Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Regelung verstanden werden. Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die das Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben und Regelungsabsichten des Gesetzgebers aufgrund der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln hat. Das Bundesgericht befolgt bei der Gesetzesauslegung einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 139 III 201 E. 2.5.1 S. 205, BGE 139 III 457 E. 4.4 S. 461; BGE 134 V 131 E. 5.1 S. 134; BGE 133 V 450 E. 8.1 S. 463).
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Die Bezifferung der Minderungsansprüche gegenüber den Streitverkündungsbeklagten ist auch nicht unmöglich oder unzumutbar, wenn es den Klägern im Hauptprozess möglich und zumutbar war, ihre Minderungsansprüche zu beziffern. Dass das Prozessrisiko durch die Streitverkündungsklage allenfalls erhöht wird, weil das Prozessergebnis im Hauptprozess noch nicht bekannt ist, kann - wie die Vorinstanz zutreffend ausführte - nicht zu einer Unzumutbarkeit führen, wie sie Art. 85 Abs. 1 ZPO voraussetzt. Denn es ist die Streitverkündungsklägerin selber, die sich freiwillig dafür entschieden hat, trotz ungewissem Ausgang des Hauptverfahrens bereits jetzt prozessual gegen die Streitverkündungsbeklagten vorzugehen. Wäre sie nicht bereit gewesen, die damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen, hätte sie sich mit einer einfachen Streitverkündung begnügen können.
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5.3.1 Ein Rechtsbegehren muss so bestimmt formuliert sein, dass es bei Gutheissung der Klage zum Urteil erhoben werden kann. Bei Klagen auf Geldzahlung muss es deshalb beziffert werden (Art. 84 Abs. 2 ZPO; BGE 137 III 617 E. 4.3 S. 619 mit Hinweisen; SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht [...], 9. Aufl. 2010, § 33 Rz. 55 ff.; CHRISTOPH HURNI, in: Berner Kommentar, a.a.O., N. 36 und N. 39 zu Art. 58 ZPO). Die Bezifferung dient darüber hinaus der Festlegung der sachlichen Zuständigkeit sowie der Verfahrensart und sie ist erforderlich im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Gegenpartei; diese muss wissen, gegen was sie sich verteidigen muss (Urteil 4A_686/2014 vom 3. Juni 2015 E. 4.3.1; KARL SPÜHLER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 1 zu Art. 85 ZPO; MARKUS, a.a.O., N. 1 zu Art. 85 ZPO; MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 193 f.).
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Im Hinblick auf diese mit der Bezifferung verfolgten Zwecke könnte bei der Streitverkündungsklage in der Tat auf eine Bezifferung verzichtet werden, jedenfalls wenn es um eine Regressklage geht. Wenn mit der Streitverkündungsklage - wie vorliegend - verlangt wird, die Streitverkündungsbeklagte sei zur Zahlung jenes Betrages zu verpflichten, der den Hauptklägern im Prozess gegen die Hauptbeklagte/Streitverkündungsklägerin zugesprochen wird, so steht dieser Betrag zwar noch nicht fest, wird aber mit dem Urteil im Hauptprozess feststehen und kann zum Urteil im Streitverkündungsverfahren erhoben werden. Diesbezüglich unterscheidet sich die vom Ergebnis im Hauptprozess abhängige Streitverkündungsklage von der eigentlichen unbezifferten Forderungsklage, deren Rechtsbegehren nicht zum Urteil erhoben werden kann. Auch im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs und die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit und der Verfahrensart ist eine Bezifferung bei einer Regressklage nicht zwingend. Die Klagesumme für die Hauptklage stellt in diesem Fall den Maximalbetrag dar für die Streitverkündungsklage (SCHWANDER, a.a.O., N. 14 zu Art. 82 ZPO) und ist daher auch massgeblich für die sachliche Zuständigkeit/Verfahrensart der Streitverkündungsklage. Die streitverkündungsbeklagte Partei weiss damit auch, gegen welche Forderung sie sich maximal verteidigen muss.
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5.3.2 Nicht zu folgen ist der vorne (E. 4) zitierten Lehrmeinung, nach der es sich bei der Streitverkündungsklage um eine Spielart der Stufenklage handelt, weil der zu fordernde Betrag - wie bei der Klage auf Auskunft im Rahmen einer Stufenklage - erst mit dem Urteil im Hauptprozess feststeht. Art. 85 Abs. 1 ZPO regelt sowohl die unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinne einerseits wie die Stufenklage andererseits. Die Stufenklage ist dadurch charakterisiert, dass ein materiellrechtlicher Hilfsanspruch auf Rechnungslegung mit einer unbezifferten Forderungsklage verbunden wird. Eine Stufenklage liegt somit definitionsgemäss nicht vor, wenn kein selbständiger Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung besteht, der mit der unbezifferten Forderungsklage verbunden werden kann (BGE 140 III 409 E. 4.3 S. 416 mit Hinweisen). Die Streitverkündungsklage ist prozessrechtlicher Natur und setzt als solche keinen solchen materiellrechtlichen selbstständigen Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung voraus.
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Es trifft sodann entgegen der Beschwerdeführerin und einem Teil der Lehre (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 13 Rz. 71 und 72; SCHWANDER, a.a.O., N. 24 zu Art. 81 ZPO; GROSS/ZUBER, a.a.O., N. 4 zu Art. 81 ZPO; URS BERTSCHINGER, Streitverkündungsklage und aktienrechtliche Verantwortlichkeit, in: Innovatives Recht, Festschrift für Ivo Schwander, Lorandi/Staehelin [Hrsg.], 2011, S. 819 f.; FREI, a.a.O., S. 153 f.; dieselbe, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 11 f. zu Art. 81 ZPO und N. 10 zu Art. 82 ZPO; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 81 ZPO) nicht zu, dass die Streitverkündungsklage eine bedingte Klage ist, weil sie nur für den Fall erhoben werde, dass die streitverkündende Partei den Hauptprozess verliert. Zu Recht wird dem entgegengehalten, nicht die Klage sei bedingt, sondern der Anspruch, der mit der Streitverkündungsklage geltend gemacht wird (DOMEJ, a.a.O., N. 3 zu Art. 81 ZPO i.V.m. N. 11 zu Art. 82 ZPO). Vielmehr handelt es sich wie bereits erwähnt (E. 5.1 hiervor) um ein Gesamt- bzw. Mehrparteienverfahren mit zwei je selbstständigen Klagen (BGE 139 III 67 E. 2.1 S. 71). Die Streitverkündungsklage wird daher bereits mit dem Antrag gemäss Art. 82 Abs. 1 ZPO rechtshängig (Art. 62 Abs. 1 ZPO) und nicht etwa erst mit dem Prozessverlust der streitverkündenden Partei im Hauptprozess (DOMEJ, a.a.O., N. 3 zu Art. 81 ZPO); sie unterbricht auch die Verjährung (Art. 135 Abs. 2 OR) wie jede Klage.
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6. Mit den vorliegend in Aussicht gestellten Streitverkündungsklagen will die Beschwerdeführerin von jedem der drei Streitverkündungsbeklagten den Betrag fordern, der den Klägern im Hauptverfahren zugesprochen wird und maximal den von den Hauptklägern geforderten Minderungsbetrag, d.h. Fr. 146'832.60, wovon auch die Vorinstanz zu Recht ausging. Die blosse Bezugnahme auf die Hauptklage, womit die Beschwerdeführerin letztlich einen Betrag zwischen Fr. 0.- und Fr. 146'832.60 verlangt, ist keine Bezifferung, wie sie Art. 84 Abs. 2 ZPO voraussetzt.
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Die Beschwerdeführerin macht zusätzlich geltend, zumindest im Zulassungsstadium müsse das Rechtsbegehren nicht beziffert werden. Sie begründet dies indessen nicht weiter; es ist daher fraglich, ob überhaupt eine genügende Rüge vorliegt. Jedenfalls wäre sie aber unbegründet. Im Zulassungsentscheid wird geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Streitverkündungsklage gegeben sind. Gemäss Art. 82 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Rechtsbegehren, welche die streitverkündende Partei gegen die streitberufene Person zu stellen gedenkt, zu nennen und kurz zu begründen. Ist für die Streitverkündungsklage ein beziffertes Rechtsbegehren erforderlich, muss auch das im Zulassungsgesuch gestellte Rechtsbegehren dem entsprechen. (...)
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